Juni 2008

080607

ENERGIE-CHRONIK


Slowenien meldete Leck im KKW Krsko erst als "Übung" und dann als "Kühlmittelverlust"

Die slowenische Atomaufsicht hat eine Leckage im Kernkraftwerk Krsko, die sich am 4. Juni ereignete, erst als "Übung" gemeldet und dann unnötigerweise das europäische Frühwarnsystem "Ecurie" aktiviert, wobei sie auch noch wegen mangelnder Beherrschung der englischsprachigen Terminologie das Leck zu einem "Kühlmittelverlust" aufbauschte. Ein völliger Kühlmittelverlust wäre so ziemlich das schlimmste, was in einem Kernkraftwerk passieren kann.

Das Leck im Primärkreislauf des Druckwasserreaktors, durch das stündlich bis zu 3.000 Liter radioaktiv kontaminiertes Wasser in den Druckbehälter austraten, war um 15.07 Uhr entdeckt worden. Bis 19.30 Uhr wurde der Reaktor heruntergefahren, so daß die Situation unter Kontrolle war.

Bei der Meldung des Störfalls verwendete die slowenische Atomaufsicht ein Formular, auf dem vergessen worden war, das Wort "Übung" zu streichen. Im Nachbarland Österreich ging man deshalb zunächst davon aus, daß es sich bei dem Leck um eine Fiktion zu Übungszwecken handele. Die slowenische Atomaufsicht bemerkte das Versehen erst, nachdem die Internationale Atomenergiebehörde IAEA zurückfragte, weshalb man sich eine so komplizierte Übung ausgedacht habe. Nun beging sie aber einen weiteren Fehler, indem sie die europäischen Nachbarstaaten über das Frühwarnsystem "Ecurie" benachrichtigte, das eigentlich nur für schwere Störfälle mit der Gefahr radioaktiver Verseuchung gedacht ist. Sie beschrieb dabei die Störung als "loss of coolant" (Kühlmittelverlust) statt als "leakage from primary circuit" (Leck im Primärkühlkreis). Obwohl zugleich das Ausmaß der Leckrate mit zweieinhalb bis drei Kubikmeter Wasser pro Stunde angegeben wurde, begünstigte dies Mißverständnisse über das tatsächliche Ausmaß der Störung. Bei der Veröffentlichung der Warnmeldung durch die EU-Kommission entfiel außerdem die Angabe der Leckrate.

Die erste Warnmeldung, die von der EU-Kommission veröffentlicht wurde

Das Frühwarnsystem Ecurie wurde 1987 von den Regierungen der EU-Staaten nach der Katastrophe von Tschernobyl eingeführt. Der Name ist die Abkürzung für "European Community Urgent Radiological Information Exchange". Im Französischen bedeutet "écurie" aber auch "Stall/Pferdestall" und im übertragenen Sinne soviel wie "Schweinestall".

Das System besteht aus einer Kommissionsangestellten in Brüssel, die unter anderem die Aufgabe hat, eine eintreffende Meldung an alle anderen Staaten weiterzuleiten. Eine Prüfung oder Bewertung ist nicht vorgesehen. Wie ein Kommissionssprecher mitteilte, wurde das Informationssystem bereits verschiedene Male benutzt. So kam es 2005 und 2006 jeweils zweimal und in diesem Jahr dreimal zum Einsatz. Bisher seien die Meldungen aber nicht bekanntgemacht worden. Erst vor kurzem habe man sich entschlossen, damit offensiver umzugehen. Die Warnmeldung zu Krsko war deshalb die erste, die veröffentlicht wurde.

Das Kernkraftwerk Krsko wurde von der US-Firma Westinghouse gebaut und nahm 1983 den Betrieb auf. Es war das einzige Kernkraftwerk des früheren Jugoslawien und mußte während des Bürgerkriegs vorübergehend abgeschaltet werden (910702). Es deckt zu 20 Prozent den Strombedarf von Slowenien und zu 15 Prozent den von Kroatien, dem die Anlage zur Hälfte gehört. Der defekte Reaktor wurde nach dem Störfall binnen fünf Tagen repariert und ging am 9. Juni wieder ans Netz.

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