Januar 2008

080106

ENERGIE-CHRONIK


E.ON muß 38 Millionen Euro wegen Bruch eines Siegels zahlen

Die Europäische Kommission hat gegen die E.ON Energie AG eine Geldbuße in Höhe von 38 Millionen Euro verhängt, weil in deren Geschäftsräumen ein Siegel der Kommission beschädigt wurde (061111). Das Siegel war an einem Raum angebracht worden, in dem die Prüfer der Kommission die Materialien aufbewahrten, die sie bei der Durchsuchung der Geschäftsräume im Mai 2006 zusammengetragen hatten (060503). Am nächsten Tag stellte die Kommission fest, daß das Siegel gebrochen worden war.

Die Siegel der Kommission bestehen aus einer Plastikfolie, die nicht reißt, wenn man versucht, sie zu entfernen, sondern das Wort "VOID" (Englisch für "nichtig") erscheinen läßt. Das Nachprüfungsteam stellte bei seiner Rückkehr am Morgen des zweiten Tages fest, daß auf der gesamten Oberfläche eines der am Vorabend angebrachten Siegel diese „VOID“-Schriftzüge deutlich zu erkennen waren. Außerdem befanden sich Klebstoffreste am Rand des Siegels, die darauf hindeuteten, daß jemand das Siegel abgelöst und anschließend wieder befestigt hatte. Das Siegel sollte den Raum sichern, in dem alle von der Kommission zusammengetragenen Unterlagen gelagert wurden. Diese Unterlagen waren noch nicht in einer Liste erfaßt worden, so daß es der Kommission nicht möglich war festzustellen, ob und welche Unterlagen von E.ON entwendet wurden.

So sieht das unbeschädigte Siegel aus Beim Ablösen der Plastikfolie reißt diese zwar nicht, aber es erscheint irreparabel das Wort VOID

 

Nach Meinung der Kommission wurde das Siegel vorsätzlich beschädigt

E.ON leugnete, für den Siegelbruch verantwortlich zu sein. Zunächst behauptete das Unternehmen, daß sich die Kommission in Besitz des einzigen Schlüssels zu dem betreffenden Raum befunden habe. Später stellte sich jedoch heraus, daß unter den E.ON-Mitarbeitern zwanzig weitere Schlüssel im Umlauf waren. Das Sichtbarwerden der "VOID"-Schrift auf dem Siegel begründete E.ON unter anderem mit Schwingungen, die durch die Vorbereitung einer Konferenz im Nebenraum verursacht worden seien, mit der Unachtsamkeit einer Putzfrau bzw. der Einwirkung eines scharfen Reinigungsmittels, einer altersbedingte Vorschädigung des Siegels oder einer hohen Luftfeuchtigkeit.

Die Kommission führte eine Reihe gründlicher Untersuchungen durch, um diese Möglichkeiten zu prüfen, und beauftragte sogar externe Gutachter mit der Durchführung entsprechender Tests. Keine der angegebenen Erklärungen erwies sich als stichhaltig. Sowohl der Hersteller der Siegel als auch der unabhängige Sachverständige bestätigten, daß der Zustand des Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 nur auf einen Siegelbruch zurückzuführen sein kann.

Geldbuße ist als "klare Botschaft an alle Unternehmen" gedacht

Durch die Versiegelung soll verhindert werden, daß Beweismittel während einer Nachprüfung verloren gehen und dadurch der Erfolg der Ermittlungen gefährdet wird. Zum Beispiel konnte die Kommission aufgrund der im Mai 2006 sichergestellten Materialien ein förmliches Kartellverfahren gegen E.ON und Gaz de France einleiten (070710). Ein Siegelbruch stellt folglich einen schweren Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht dar. Im Falle eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Siegelbruchs kann die Kommission gemäß Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung Nr. 1/2003 des Rates eine Geldbuße von bis zu 1 Prozent des Gesamtumsatzes des betreffenden Unternehmens verhängen. Da die E.ON Energie 2006 einen Umsatz von 27.256 Millionen Euro ausweis, entspräche dies in ihrem Falle einer Summe von 272 Millionen Euro. Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße hat die Kommission jedoch berücksichtigt, daß dies der erste Fall von Siegelbruch durch ein von einer Nachprüfung betroffenes Unternehmen war.

EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes erklärte hierzu in ihrer Pressemitteilung vom 30. Januar: "Die Kommission kann und will solche Verstöße nicht hinnehmen, mit denen die Unternehmen versuchen, die Integrität und Wirksamkeit unserer Ermittlungen zu beeinträchtigen und damit das Vorgehen der Kommission gegen Kartelle und andere wettbewerbsschädigende Praktiken zu untergraben. Da die Unternehmen ganz genau wissen, daß bei Wettbewerbsverstößen hohe Geldbußen verhängt werden, könnten sie versucht sein, dieser Strafe durch die illegale Behinderung der Untersuchung zu entgehen. Mit dieser Entscheidung sendet die Kommission die klare Botschaft an alle Unternehmen, daß sich eine solche Behinderung der Ermittlungen nicht auszahlt."

E.ON weist weiterhin alle Vorwürfe von sich

Die E.ON Energie wies den Vorwurf eines "fahrlässigen Siegelbruchs" zurück und will den Bußgeldbescheid vor dem Europäischen Gerichtshof anfechten: Niemand habe das Siegel beschädigt oder die Tür geöffnet. In dem versiegelten Raum hätten auch keine Unterlagen gefehlt. Die "geringfügigen Veränderungen des Siegels" seien vielmehr auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen, die nicht dem Unternehmen zur Last gelegt werden könnten. Dies könne durch Gutachten belegt werden. Zudem gebe es keinen Beweis für den Vorwurf, daß das Siegel am Morgen des 30. Mai 2006 vollständig gebrochen gewesen sei. Die Beamten hätten das Siegel erst mehrere Stunden später fotografiert, nachdem sie selbst die Tür im Zuge ihrer Arbeit mehrfach geöffnet und geschlossen hätten. Erst dadurch sei das Siegel vollständig beschädigt worden.