Oktober 2006

061001

ENERGIE-CHRONIK


Hessen möchte das "Oligopol der Stromerzeuger notfalls zerschlagen"

Hessen hat den anderen Ländern und der Bundesregierung eine Verschärfung des Wettbewerbsrechts vorschlagen, die es dem Bundeskartellamt ermöglichen würde, die Stromkonzerne zum Verkauf eines Teils ihrer Kraftwerke an Dritte zu zwingen. "Notfalls muß der Staat das Oligopol der Stromerzeuger zerschlagen und RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW zwingen, Kraftwerke zu verkaufen", erklärte der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel am 4. Oktober in Berlin. "Wir sollten jetzt ein scharfes Schwert schmieden für den Fall, daß Wettbewerb von allein nicht entsteht und daß mildere Staatseingriffe nicht wirksam sind."

Mit ihrer Initiative will die hessische Landesregierung verhindern, daß die vier Stromkonzerne ihre Marktmacht nun zum Hochtreiben der Stromerzeugungskosten einsetzen, nachdem die Bundesnetzagentur damit begonnen hat, die überhöht angesetzten Netznutzungsentgelte zu beschneiden. Auf der nächsten Konferenz der Wirtschaftsminister der Länder Anfang Dezember in Dessau soll die Idee beraten werden. Die Länder könnten dann die gefundene gemeinsame Position für Entflechtungsregeln in die von Bundeswirtschaftsminister Glos initiierte Weiterentwicklung des Wettbewerbsrechts (060903) einbringen.

Rhiel bezweifelte, daß wirksamer Wettbewerb in der Stromerzeugung von alleine entstehen werde: "Der Verdacht scheint begründet, daß die Stromendkundenpreise nicht nur hoch, sondern stark überhöht sind, weil die Großhandelspreise von den Erzeugern massiv angehoben wurden. Insbesondere die vier großen Stromerzeuger E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW kompensieren den Erlös- und Gewinnrückgang im Bereich der regulierten Stromnetze durch Anhebungen der Großhandelspreise in der Stromerzeugung."

Die vier Stromkonzerne, die mehr als drei Viertel der Stromerzeugung beherrschen, müssen laut Rhiel nicht befürchten, daß ihre Marktmacht durch neue Kraftwerksbetreiber in Deutschland oder Stromimporte spürbar gefährdet werden könnte. Ihr Oligopol werde nämlich gleich durch fünf Arten von zumeist hohen Marktzutrittsschranken abgesichert:

Gleichwohl soll die von Hessen vorgeschlagene Änderung des Wettbewerbsrechts zunächst mehr eine Drohkulisse aufbauen als die tatsächliche Zerschlagung des Oligopols bei der Stromerzeugung ermöglichen. Mit der Prüfung einer Entflechtung würde erst begonnen, wenn nach Feststellung des Bundeskartellamts eine restriktiv formulierte und juristisch überprüfbare "Aufgreifschwelle" mit vier Kriterien überschritten ist:

Wenn das Bundeskartellamt die Erfüllung aller vier Aufgreifkriterien feststellt, müßte in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob und wie ein Marktstruktureingriff erfolgen soll. Zum Beispiel könnte die Monopolkommission vom Bundeskartellamt mit einem entsprechenden Gutachten beauftragt werden. Die Entscheidung über ein Eingreifen des Staates soll dann wiederum beim Bundeskartellamt liegen, wobei jedoch dem Bundeswirtschaftsminister ein Vetorecht eingeräumt werden soll.