September 2006

060903

ENERGIE-CHRONIK


Glos will Kartellrecht für Stromkonzerne verschärfen

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hat eine Verschärfung des Kartellrechts angekündigt, um die Marktmacht der vier Großstromerzeuger und den dadurch bedingten Anstieg der Strompreise zu beschneiden. In einem Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" (8.9.) ließ er verlauten, daß sein Ministerium derzeit an einer Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen arbeite. Künftig soll es für die Kartellbehörden leichter werden, den vier Energiekonzernen, die über 90 Prozent der Kraftwerkskapazitäten verfügen, einen Mißbrauch dieser marktbeherrschenden Stellung nachzuweisen. So soll künftig schon eine große Differenz zwischen Erzeugungskosten und Großhandelspreisen den Verdacht auf Mißbrauch begründen.

Großhandelspreise widerspiegeln nicht die tatsächlichen Erzeugungskosten

Die an der Strombörse notierten Großhandelspreise widerspiegeln nach Feststellung des Ministers nicht die tatsächlichen Stromerzeugungskosten: "Es ist augenfälllig, daß die Stromgroßhandelspreise in einem weit stärkeren Ausmaß gestiegen sind, als dies mit steigenden Stromerzeugungskosten erklärt werden kann", sagte Glos gegenüber der Zeitung.

Kurz danach kündigte Glos auch im Bundestag eine Verordnung an, die es neuen Stromanbietern erleichtern werde, einen "fairen und raschen Zugang zu den Netzen" zu erhalten. "Mir ist es nicht recht, wenn wir immer mehr regulierende Maßnahmen brauchen. Aber wenn Monopole oder Oligopole ihre Marktmacht ausnutzen, dann muss der Staat entsprechend gegensteuern", erklärte er am 8. September bei der Fortsetzung der Etatberatung im Parlament.

EEG soll auf den Prüfstand

Laut Bundestagsprotokoll sagte Glos ferner: "Die Bundesnetzagentur hat meine volle Rückendeckung, wenn sie durchgreift, um die Kosten zu senken. Alles, was den Strompreis zusätzlich belastet, gehört auf den Prüfstand." In der von der Pressestelle seines Ministeriums verbreiteten Fassung der Rede lautete dieser Passus: "Die Bundesnetzagentur hat meine volle Unterstützung bei der Durchsetzung fairer Netzentgelte. Klimaschutz ist wichtig - da sind wir uns alle einig. Aber die Belastungen, die hiermit verbunden sind, dürfen Industrie und Verbraucher nicht strangulieren. Bestehende Instrumente, wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz gehören auf den Prüfstand."

"Verbraucher werden über die Strombörse abgezockt"

Koalition und Opposition signalisierten in der Etatdebatte ihre Bereitschaft, eine diesbezügliche Verschärfung des Kartellrechts zu unterstützen. Für die Fraktion der Grünen meinte der Abgeordnete Matthias Berninger: "Die großen Energiekonzerne zocken über die Drehscheibe der Leipziger Strombörse die Verbraucherinnen und Verbraucher systematisch ab. Der einzige Weg, dem kurzfristig etwas entgegenzusetzen, ist die Stärkung des Bundeskartellamts. Nichts anderes will der Bundeswirtschaftsminister und er sollte angesichts der Übermacht der großen Energiekonzerne hierfür die Unterstützung des ganzen Hauses haben."

Lob vom VIK

Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) lobte die Ankündigung des Ministers als "eine der besten Nachrichten für die deutschen Stromkunden seit langem". Es gebe keinen funktionierenden Stromwettbewerb. Um dies aufzubrechen, brauche das Bundeskartellamt scharfe Wettbewerbsinstrumente.

Stromkonzerne warnen vor "Planwirtschaft"

Mit Protesten reagierten dagegen die betroffenen Unternehmen und der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW). "Der Wettbewerb in Deutschland funktioniert und gewinnt immer mehr an Fahrt", erklärte VDEW-Hauptgeschäftsführer Eberhard Meller. Wenn eine staatliche Deckelung der Erzeugungskosten stattfände, wären gerade die neuen Kraftwerksbetreiber gegenüber der etablierten Konkurrenz nicht wettbewerbsfähig.

"Der Markt funktioniert und setzt die Signale", behauptete auch E.ON-Chef Wulf Bernotat in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen" (13.9.). Bernotat warf Glos vor, er wolle "ein staatliches Preisdiktat für den Stromgroßhandel einführen". Zudem belaste er mit seinen Äußerungen den nächsten Energiegipfel mit der Bundeskanzlerin (060402), der für den 8. Oktober anberaumt ist.

Vattenfall-Chef Klaus Rauscher fragte ebenfalls, "ob die Kanzlerin glücklich sein kann, wenn immer mal wieder ein anderer ihrer Minister öffentlich erklärt, wie er Marktwirtschaft abschaffen und Planwirtschaft einführen will". Zugleich erhob er die Forderung, die Mehrwertsteuer für Strom wie bei Lebensmitteln auf die Hälfte zu verringern (FAZ, 11.9.).