Dezember 2005 |
051201 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU) hat die 50 Stromversorger des Landes aufgefordert, ihre für 2006 beantragten Tariferhöhungen entweder zurückzuziehen oder detailliert zu begründen. Bisher sei die Erforderlichkeit der beantragten Preiserhöhungen nicht nachgewiesen worden, hieß es in gleichlautenden Schreiben an die Stromversorger, die das Ministerium am 16. Dezember versandte. Das Ministerium gehe deshalb davon aus, daß das gegenwärtigen Tarifniveau "einem elektrizitätswirtschaftlich rationell wirtschaftenden Versorgungsunternehmen im Jahre 2006 auch unter Berücksichtigung des nunmehr geltend gemachten Anstiegs der Stromeinkaufspreise Kostendeckung sichert".
Die Leiterin der Verbraucherzentrale Bundesverband, Edda Müller, lobte das hessische Vorgehen als "vorbildlich und zur Nachahmung empfohlen". Angesichts der exorbitanten Gewinne der Stromkonzerne sei eine weitere Erlössteigerung zu Lasten der Verbraucher nicht hinnehmbar. Die Branche reagierte dagegen mit scharfen Protesten. Die Süwag und vier weitere Regionalversorger drohten dem Wirtschaftsminister mit Schadenersatzklagen, falls er keine Erhöhungen genehmige.
Die Stromversorger hatten eine Erhöhung ihre Tarife um durchschnittlich sechs Prozent beantragt. In einer Pressemitteilung seines Ministeriums vom 18. Dezember bezeichnete Rhiel dies als "inakzeptabel". Die Kostensituation rechtfertige derartige Preissteigerungen nicht. Die Stromunternehmen würden dadurch "ihre Einnahmen um weit mehr als 100 Millionen Euro zu Lasten der Verbraucher und der kleinen Gewerbetreibenden steigern". Zugleich würde dadurch "die Kaufkraft der Bürger weiter geschwächt und das Wachstum der Binnennachfrage abgewürgt".
"Die Energieverbraucher dürfen nicht länger die Melkkühe der kommunalen und privaten Anteilseigner der Stromunternehmen sein", erklärte der Minister. Er werde deshalb die beantragte Anhebung der Strompreise für 3,7 Millionen private und gewerbliche Kunden "komplett ablehnen". Diese Entscheidung sei "Teil des Kampfes gegen überhöhte Energiepreise in Deutschland".
"Überhöhte Gewinne" wirft Rhiel insbesondere den acht größten Stromunternehmen des Landes vor (EON Mitte, Süwag, Mainova, OVAG, ESWE, ÜWAG, EVO, entega). Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2004 hätten diese Unternehmen in der Stromverteilung insgesamt knapp 2,9 Milliarden Euro umgesetzt und dabei Gewinne in Höhe von 303 Millionen Euro erzielt. Das entspreche einer Umsatzrendite von 10,6 Prozent.
Rhiel hatte bereits im August eine strenge Prüfung weiterer Strompreiserhöhungen gefordert (050803). Davor hatte er sich im Bundesrat als Sprecher der unionsregierten Länder erfolgreich für eine Vorab-Genehmigung der Netznutzungsentgelte eingesetzt (040901, 041101, 050501).
Das Wirtschaftsministerium von Rheinland-Pfalz hat die von den Stromversorgern des Landes angemeldeten Tariferhöhungen nur mit Abstrichen gebilligt. Nach den ursprünglichen Anträgen sollten die Preise zum 1. Januar 2006 um durchschnittlich 6,05 Prozent für Haushalte und 4,24 Prozent für Gewerbe steigen. Dies entspricht Beträgen zwischen rund 0,5 und 1,2 Cent je Kilowattstunde (kWh). Begründet wurden die Anträge insbesondere mit gestiegenen Stromeinkaufspreisen, höheren Kosten für EEG und KWKG sowie mit Kosten aufgrund der Regulierung. Nach Prüfung der Kosten- und Erlöslage bei jedem der 65 Stromversorger mit Sitz in Rheinland-Pfalz sowie der Strommarktentwicklung insgesamt begrenzte das Wirtschaftsministerium die Strompreiserhöhung für Haushalte auf durchschnittlich 2,99 Prozent und für den Gewerbebedarf auf 2,77 Prozent. Über die Anträge der RWE Rhein-Ruhr, die mehr als ein Drittel der insgesamt 1,5 Millionen Stromkunden in Rheinland-Pfalz versorgt, wurde noch nicht entschieden. Hier ist eine Abstimmung mit der nordrhein-westfälischen Strompreisaufsicht erforderlich, da die RWE Rhein-Ruhr ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen hat.
Das Mainzer Wirtschaftsministerium veröffentlichte am 22. Dezember eine Liste der genehmigten Preise mit den jeweils beantragten und genehmigten Erhöhungen. Daraus geht hervor, daß die 65 Stromversorger derzeit für die Kilowattstunde durchschnittlich 14,25 Cent (Haushalte) bzw. 15,38 Cent (Gewerbe) verlangen dürfen.
Das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium hat die Tariferhöhungen, die von den RWE-Töchtern Westfalen-Weser-Ems und Rhein-Ruhr beantragt wurden, um ein Viertel gekürzt und am 27. Dezember eine Erhöhung um 0,65 Cent pro Kilowattstunde (ohne Mehrwertsteuer) zugestanden. Nach Angaben des Ministeriums bedeutet dies für einen Vier-Personen-Haushalt mit einem Durchschnittsverbrauch von 3500 Kilowattstunden pro Jahr eine Mehrbelastung in Höhe von netto 22,75 Euro jährlich. Die Erhöhung betrage damit weniger als vier Prozent. Zudem stehe die Genehmigung unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Überprüfung der Netzkosten und der geltend gemachten Kosten für den Emissionshandel durch die Regulierungsbehörde bzw. das Bundeskartellamt. "Wir werden die Verfahren bei den Bundesbehörden sorgfältig beobachten und nach entsprechenden Entscheidungen die Weitergabe der Preiskorrekturen an die Kunden unverzüglich in die Wege leiten", versicherte Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU).
Die Strompreise in Niedersachsen steigen zum 1. Januar endgültig im Durchschnitt um 5,5 Prozent. Nach der Ankündigung Hessens, die geplanten Strompreiserhöhungen zurückzuweisen, hatte der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) eine nochmalige Überprüfung der Anträge angeordnet. Daraus hätten sich aber keine Änderungen ergeben, sagte ein Sprecher des Ministeriums am 23. Dezember in Hannover.
In Thüringen bewilligte das Wirtschaftsministerium eine Erhöhung der Tarife um durchschnittlich knapp vier Prozent. Damit steigt der Nettostrompreis ab 2006 im Thüringer Durchschnitt von 18,2 auf 18,9 Cent pro Kilowattstunde. Die Stromversorger hatten eine fast doppelt so große Erhöhung beantragt.