Oktober 2005

051009

ENERGIE-CHRONIK


MVV zeigt Aufsichtsratsmitglied wegen Verdachts der Untreue an

Die MVV Energie bestätigte am 21. Oktober, daß sie Strafanzeige gegen ihr Aufsichtsratsmitglied Rolf Neuhaus erstattet habe. Es bestehe der Verdacht der Verletzung der Geheimhaltungspflicht, des Verstoßes gegen die Insider-Regeln sowie der Untreue. Neuhaus, der als Beruf "Wirtschaftsberater" angibt, trat inzwischen von seinem Amt zurück und begründete dies damit, seine juristische Kompetenz reiche "für einige der Fallstricke der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied nicht aus". Er war als Gemeinderat der CDU in das Aufsichtsgremium des Stromunternehmens entsandt worden, das mehrheitlich der Stadt Mannheim gehört. Seinen Sitz im Aufsichtsrat behielt er auch, nachdem er 2004 nicht mehr in den Gemeinderat gewählt worden war.

Die Vorwürfe gegen Neuhaus ergaben sich vor dem Hintergrund einer knapp zehnprozentigen Kapitalerhöhung der MVV Energie, die aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung vom 1. März 2004 (040307) vom Vorstand vorgeschlagen und Anfang Oktober vom Aufsichtsrat gebilligt worden war. In Briefen an den MVV-Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Widder und die Sparkasse Rhein-Neckar-Nord hatte Neuhaus vorgeschlagen, die fünf Millionen neuen MVV-Akten im aktuellen Börsenwert von 100 Millionen Euro komplett durch die Sparkasse übernehmen zu lassen, um sie dann rasch an einen Großinvestor weiterzuverkaufen. Der dabei anfallende Gewinn von schätzungsweise 15 Millionen Euro sollte dazu dienen, einen Teil der 70-Millionen-Schuld der Stadt Mannheim gegenüber der Sparkasse zu tilgen. Möglicherweise wollte Neuhaus aber auch einen Teil des Gewinns als Provision kassieren.

Sollten die neuen Aktien an die EnBW weiterverkauft werden?

In seinem vertraulichen Schreiben an den Mannheimer Oberbürgermeister Gerhard Widder (SPD) begründete Neuhaus den Vorschlag folgendermaßen: "Wenn die neuen Aktien wie geplant in toto von einem institutionellen Finanzinvestor erworben werden, gehe ich davon aus, daß diese anschließend marktüblich gegen ein größeres Aufgeld an einen strategischen Finanzinvestor weiter verkauft werden. Dadurch wird dem Finanzinvestor in kürzester Zeit ein ansehnlicher Gewinn zuwachsen." Der Oberbürgermeister, der sowohl dem Aufsichtsrat der MVV als auch dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vorsteht, leitete das Schreiben an MVV-Chef Rudolf Schulten weiter, der daraufhin Anzeige gegen Neuhaus erstattete.

Der von Neuhaus in Aussicht genommene "strategische Finanzinvestor" könnte die Energie Baden-Württemberg (EnBW) gewesen sein, die gegen den Widerstand der MVV bereits 15 Prozent an dem Unternehmen erworben hat (041205). Ein EnBW-Sprecher erklärte dazu, daß dem Karlsruher Unternehmen der Sachverhalt nur aus den Medien bekannt sei.

(Nachträglicher Hinweis: Die Staatsanwaltschaft Mannheim hat das Ermittlungsverfahren gegen Neuhaus am 2.12.2005 eingestellt, weil ihm kein strafbares Verhalten zur Last gelegt werden könne – siehe die entsprechende Pressemitteilung)

Kampfabstimmung um CDU-Vertreter im Aufsichtsrat der MVV

Am 25. Oktober wählte der Mannheimer Gemeinderat die Vorschlagsliste zur Besetzung des MVV-Aufsichtsrats in der nächsten Hauptversammlung am 10. März 2006. Dem Gremium werden demnach je zwei Vertreter von CDU und SPD sowie je einer von "Mannheimer Liste" und "Grünen" angehören. Weitere Mitglieder von Amts wegen sind der Oberbürgermeister und der Stadtkämmerer. Zwei nichtkommunale Aufsichtsräte vervollständigen die Liste der Kapitaleigner, der auf der anderen Seite zehn Arbeitnehmervertreter gegenüberstehen.

Bei der Wahl der CDU-Vertreter kam es zu einer Kampfabstimmung zwischen dem Fraktionsvorsitzenden Carsten Südmersen und dessen Parteifreund Egon Jüttner, der von der innerparteilichen Opposition überraschend als Gegenkandidat vorgeschlagen worden war. Südmersen unterlag. Offenbar ging es dabei nicht um die Qualifikation der beiden Kandidaten als Aufsichtsräte, sondern um innerparteiliche Auseinandersetzungen, die seit einiger Zeit die stärkste Fraktion im Mannheimer Gemeinderat erschüttern.

Stellvertretender MVV-Abteilungsleiter wollte seinen Chef ermorden lassen

Am 8. Oktober bestätigte die Staatsanwaltschaft Frankenthal, daß ein Mitarbeiter des Mannheimer Energieversorgers MVV im Verdacht stehe, einen Auftragskiller mit der Ermordung seines Chefs beauftragt zu haben. Der stellvertretende Abteilungsleiter wurde festgenommen und sitzt nun in Untersuchungshaft.

Laut "Bild-Zeitung" (8.10.) soll der Festgenommene sich von seinem Chef gemobbt und unter anderem bei einer Beförderung übergangen gefühlt haben. Vor zwei Wochen habe er sich mit dem Auftragskiller getroffen. Dieser habe den Mordauftrag zu dieser Zeit allerdings bereits der Polizei gemeldet gehabt, weshalb das Gespräch mit einem Mikrofon an der Kleidung des Auftragsmörders aufgezeichnet und der Auftraggeber daraufhin festgenommen worden sei.
 
Laut "Rhein-Neckar-Zeitung" (22.10.) herrscht unter den MVV-Beschäftigten Angst, weil Vorstandschef Schulten durch einen harten Sanierungskurs jährlich bis zu 29 Millionen Euro einsparen will (siehe auch 050809). "Weil alle MVV-Beschäftigten Anweisung erhalten haben, keine Firmeninterna auszuplaudern, wächst der Frust am Arbeitsplatz. Immer mehr Beschäftigte, die anonym bleiben wollen, sprechen von einem miserablen Betriebsklima als Keimzelle für Unlust und Ärger."