September 2005

050914

ENERGIE-CHRONIK


Putin verschmilzt Sibneft mit Gazprom und steckt Chodorkowskij ins Lager

Der russische Gasmonopolist Gazprom übernimmt für elf Milliarden Euro die Mehrheit am Ölunternehmen Sibneft, die bisher dem "Oligarchen" Roman Abramowitsch gehörte. Darauf einigten sich beide Seiten am 28. September. Die russische Regierung, die Gazprom kontrolliert, setzt damit die seit zwei Jahren betriebene Re-Nationalisierung der russischen Energiewirtschaft fort. Im Unterschied zum brutalen Vorgehen gegen den Ölmagnaten Michail Chodorkowskij, der auf Betreiben des russischen Präsidenten Putin verhaftet und in einem Schauprozeß zu neun Jahren Haft verurteilt wurde (050610), macht sie in diesem Falle aber Milliardensummen locker, um den Vorbesitzer zu entschädigen, obwohl Abramowitsch seine Besitztümer unter nicht weniger dubiosen Umständen als Chodorkowskij erworben hat. Putin honoriert damit, daß Abramowitsch ihm politisch nicht in die Quere kam und als Gouverneur der fernöstlichen Region Tschukotka sogar Teil des herrschenden Machtgefüges ist. Chodorkowskij hatte sich dagegen bei Putin unbeliebt gemacht, weil er auf liberale Reformen drängte, oppositionelle Medien förderte und mit US-Konzernen über den Einstieg in sein Ölunternehmen Yukos verhandelte.

Die russische Regierung hat ihren Anteil an Gazprom, der durch die Privatisierungspolitik des Jelzin-Regimes stark gesunken war, im Juni wieder auf 51 Prozent erhöht. Faktisch war Gazprom immer Teil des politischen Machtapparats mit seinen mafiös anmutenden Strukturen geblieben. 11,5 Prozent von Gazprom gehören ausländischen Aktionären, davon allein 6,5 Prozent der E.ON Ruhrgas. Außerdem kontrolliert die Regierung den Ölkonzern Rosneft, der sich Ende 2004 mit der Yuganskneftegaz das Herzstück des von Putin zerschlagenen Erdölkonzerns Yukos einverleibte (041210).

Gazprom bringt für Putin die russischen Medien auf Regierungskurs

Der Energiekonzern Gazprom sorgt nebenher auch für die Gleichschaltung der russischen Medien: Der Tochter Gasprom-Media gehören die Fernsehkanäle NTW und TNT, der Kabelsender NTW-Plus, die Radiosender Echo Mowsky, Troika und Next sowie etliche Zeitungen, darunter "Trud" und "Rabotschaja tribuna". Zuletzt kaufte Gasprom-Media die Tageszeitung "Iswestija", um sie ebenfalls auf Regierungskurs zu bringen.

Chodorkowskij hofft jetzt auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Am 22. September bestätigte ein Moskauer Berufungsgericht die Verurteilung Chodorkowskijs. Lediglich die Haftdauer wurde um ein Jahr verkürzt. Das Regime durchkreuzte damit die Absicht Chodorkowskijs, bei einer für den 4. Dezember angesetzten Nachwahl in einem Moskauer Bezirk für einen Sitz im russischen Abgeordnetenhaus zu kandidieren. Die Kandidatur wäre formal nur zulässig gewesen, wenn die Verurteilung noch nicht rechtskräftig gewesen wäre. Chodorkowskij muß nun unverzüglich die Lagerhaft antreten. Die Generalstaatsanwaltschaft will außerdem seinen Verteidigern die Anwaltszulassung entziehen. Diese setzen inzwischen ihre Hoffnung auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, da Rußland mit dem Schauprozeß gegen Chodorkowskij und dessen ganzen Begleitumständen klar gegen die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verstoßen hat.

Wenige Tage vor seiner endgültigen Verurteilung durch das Berufungsgericht hatte Chodorkowskij aus der Gefängniszelle heraus mit der "Süddeutschen Zeitung" (10.9.) ein schriftliches Interview geführt, indem er davor warnte, das Putin-Regime als Garanten für die sichere Erdgasversorgung Westeuropas zu hofieren, wie dies der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder tat, als er sogar die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens gegen Chodorkowskij unterstellte. "Die Stabilität der Lieferungen aus Rußland kann nicht durch einen einzelnen Menschen garantiert werden", schrieb Chodorkowskij. Das Putin-Regime bedeute Autoritarismus ohne Modernisierung. "Das Projekt der Modernisierung läßt sich heute in Rußland nur im Rahmen der linksliberalen Paradigmen verwirklichen. Ob es dann offiziell Sozialdemokratie heißt, ist nicht so wichtig."

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