April 2005 |
050401 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das neue Energiewirtschaftsgesetz wurde am 15. April vom Bundestag in der Fassung, auf die sich die Koalition am 10. März verständigt hatte (050301), in zweiter und dritter Lesung gebilligt. Der von den unionsregierten Ländern dominierte Bundesrat verweigerte am 29. April erwartungsgemäß seine Zustimmung und verwies das Gesetz zur "grundlegenden Überarbeitung" in den Vermittlungsausschuß. Trotzdem wird damit gerechnet, daß das Gesetz - nach Vornahme kleinerer Änderungen - noch in der ersten Jahreshälfte in Kraft treten kann.
Nach Ansicht des Bundesrats genügt das vom Bundestag verabschiedete Gesetz nicht seiner Zielsetzung, einen funktionierenden Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt zu gewährleisten. Einer Überarbeitung bedürfe das Gesetz unter anderem bei der Entgeltgenehmigung "ex ante" gemäß § 117a des vom Bundestag verabschiedeten Gesetzestextes (siehe § 122 des Vorentwurfs), die sich bisher nur auf die Betreiber von Stromversorgungsnetzen bezieht und und genauso für Gasversorgungsnetze gelten soll. Weitere Kritikpunkte sind Ausgestaltung der Anreizregulierung, Netzentgeltbildung und Kalkulationskriterien, Entflechtungsregeln (inklusive steuerlicher Aspekte), Netzzugang, Berichtspflichten, Stromkennzeichnungspflicht, Finanzierung der Regulierungskosten, Liberalisierung des Zähl- und Messwesens, Systemverantwortung der Netzbetreiber, Beteiligung der Länder an der Regulierung (einschließlich der Regelung der Gebühren) und Erhalt des Aufkommens der Konzessionsabgaben.
Obwohl die Eckpunkte des Gesetzes inzwischen nicht mehr umstritten sind, stimmten bei der Behandlung des Gesetzentwurfs im Bundestag nur die Abgeordneten der rot-grünen Koalition für die Annahme. Die CSU-Abgeordnete Dagmar Wöhrl kritisierte unter anderem die "unsinnige Verschärfung der Stromkennzeichnung", das Klagerecht für Verbraucherverbände und die zahlreichen Berichtspflichten, von denen die meisten keinen erkennbaren Sinn hätten. Die FDP-Abgeordnete Gudrun Kopp forderte außerdem die Ersetzung der im Gesetz vorgesehene Nettosubstanzerhaltung als Kalkulationsmethode für die Abschreibung durch die Realkapitalerhaltung. Der CDU-Abgeordnete Rolf Bietmann verwies darauf, daß die Konkretisierung der sogenannten Anreizregulierung der Regulierungsbehörde übertragen wird. Der Gesetzgeber laufe damit Gefahr, "einen Kernbereich gesetzgeberischer Regelungskompetenz einem behördlichen Experimentierfeld zu überlassen".
"Bei der Anreizregulierung werden den Netzbetreibern Preisobergrenzen gesetzt", umriß Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) die geplante Vorgehensweise. "Diese Obergrenzen treten an die Stelle einer permanenten Kostenkontrolle. Bei sachgerechter Verteilung von Chancen und Risiken erhalten die Betreiber auf diese Weise marktwirtschaftliche Anreize, um die Effizienz der Versorgung zu steigern." Zur Erarbeitung des Anreizregulierungsmodells werde die Regulierungsbehörde den Dialog mit allen Marktteilnehmern suchen und auch die Wissenschaft einbinden müssen. Mit der Anwendung sei spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zu rechnen. Bis dahin müßten sich die Netzbetreiber jede Anhebung der Netznutzungsentgelte vorab von der Regulierungsbehörde genehmigen lassen.
Clement teilte ferner mit, daß die bisherige Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) in Bonn künftig "Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahn" heißen wird. Mit der Umbenennung trage man dem Umstand Rechnung, daß die Behörde künftig auch die Strom- und Gasnetzbetreiber beaufsichtigen wird. Die Bündelung der Aufsicht über alle netzgebundenen Infrastrukturen unter einem Dach sei sinnvoll und verhelfe der neuen Bundesnetzagentur auf europäischer Ebene zu einer starken Stellung, da ihre Vertreter in den unterschiedlichen Regulierungsgremien mit einer Stimme sprechen könnten.