September 2004

040902

ENERGIE-CHRONIK


Heftige Kritik an Preiserhöhungen der Stromkonzerne

Mit der Ankündigung einer weiteren "Anpassung" von Netznutzungsentgelten und Stromtarifen zum 1. Januar 2005 haben die vier großen Stromkonzerne RWE, Vattenfall, E.ON und EnBW im September starke Proteste ausgelöst und unabsichtlich dazu beigetragen, daß der Bundesrat am 24. September eine schärfere Handhabung der Regulierung im neuen Energiewirtschaftsgesetz verlangte (siehe 040901). Die Bundesregierung sah sich seitens der Medien und Verbraucherverbände erneut dem Vorwurf ausgesetzt, einen "Schmusekurs" gegenüber den großen Netzbetreibern zu verfolgen, statt wirksam gegen "Abzocke" vorzugehen. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), gegen den sich diese Kritik vor allem richtete, bezeichnete die Strompreiserhöhungen ebenfalls als unangemessen. Bundeskanzler Schröder reagierte auf die anhaltenden Proteste mit der Ankündigung eines "Energie-Gipfels", der ihn mit den Chefs der Stromkonzerne sowie Vertretern der Stromverbraucher zusammenführen sollte. Als Termin wurde zuletzt Mitte Oktober genannt. Allerdings dürfte der Gipfel nur dann tatsächlich stattfinden, wenn die vier Stromkonzerne sich im Vorfeld zu Konzessionen bereitfinden. 

EnBW torpediert E.ON-Vorstoß für Einfrieren der Netzentgelte

Die Transportnetzbetreiber Vattenfall, RWE und EnBW hatten bereits im Juli "Neuberechnungen" ihrer Netznutzungsentgelte angekündigt (040705). Vor diesem Hintergrund gab die RWE Rhein-Ruhr-Verteilnetz GmbH am 30. August eine Erhöhung der Netznutzungsentgelte für Hoch- und Mittelspannung um 7,48 bzw. 8,64 Prozent (jeweils mit Umspannung) zum 1. Januar 2005 sowie eine Erhöhung der Stromtarife bekannt. Am 3. September folgte Vattenfall mit der Absicht, die Netzentgelte für Höchstspannung auf 51 Euro pro Kilowatt im Jahr anzuheben und die Strompreise der Vertriebstöchter HEW und Bewag um vier bis sechs Prozent zu erhöhen. Am 6. September ließ auch die E.ON Energie verlauten, daß sie die "Weitergabe gestiegener Kosten" prüfe. Zwei Wochen später erklärte E.ON-Chef Wulf Bernotat indessen seine Bereitschaft, im nächsten Jahr auf eine Erhöhung der Netzentgelte zu verzichten, sofern E.ON nicht selber mehr Geld für die Nutzung von Netzen der Konkurrenten zahlen müsse. Diesem Angebot zum branchenweiten Einfrieren der Netznutzungsentgelte wurde aus Kreisen von Konkurrenten entgegengehalten, daß E.ON die Netznutzungsentgelte bereits Ende 2003 kräftig erhöht habe und zudem von der Neuregelung im EEG zur Verteilung der Windenergie-Lasten profitieren könne. Am 23. September unterstrich die Energie Baden-Württemberg ihre Ablehnung eines solchen Preis-Moratoriums, indem sie ebenfalls eine Erhöhung der Netzentgelte ankündigte, die für Höchstspannung 9,5 Prozent und für die nachgelagerten Spannungsebenen 0,2 bis 0,8 Prozent betragen soll.

MVV kann Begründung für Preiserhöhungen "nicht nachvollziehen"

Die geplante Erhöhung der Netzentgelte im Transportnetz wird zum Teil auch in der Strombranche kritisiert und für überzogen gehalten. So schloß sich der Chef der Mannheimer MVV Energie, Rudolf Schulten, in einem Gespräch mit der "Welt" (23.9.) der Kritik der Verbraucherverbände ausdrücklich an. Als großer Stromverteiler sei die MVV von den steigenden Erzeugerpreisen genauso betroffen, da sie nur etwa die Hälfte ihres Stroms selber erzeuge und den Rest über den Stromhandel bzw. die Leipziger Strombörse beziehe. Achtzig Prozent der deutschen Stromerzeugung stammten jedoch von den vier großen Stromkonzernen. Deren Begründungen für die Preiserhöhungen könne er "nicht nachvollziehen". Soweit Argumente wie erhöhte Brennstoffkosten und steigende Kosten für Regelenergie stichhaltig seien, würden sie zumindest überstrapaziert. Schulten hält es "wie die Monopolkommission für eine Tatsache, daß es auf seiten der Erzeuger ein Oligopol gibt".

VDEW wirft Verbraucherverbänden irreführenden Strompreisvergleich vor

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) beklagte am 27. September erneut, daß die deutschen Verbraucher wegen fehlenden Wettbewerbs und mangelnder Regulierung "europäische Spitzenpreise bei Strom und Gas" bezahlen müßten. Mit durchschnittlich 12,6 Cent je Kilowattstunde vor Steuern und Abgaben seien die deutschen Strompreise um die Hälfte höher als in Großbritannien, wo der entsprechende Wert nur 8,4 Cent pro Kilowattstunde betrage. Ähnlich groß sei die Differenz beim Erdgas, das in Deutschland etwa 3,9 Cent pro Kilowattstunde vor Steuern und Abgaben koste, während es in Großbritannien nur 2,6 Cent sind. In diesen Preisunterschieden komme das erfolgreiche Wirken der englischen Regulierungsbehörde zum Ausdruck. Auch in Deutschland könnten sowohl die Haushalte als auch die Industrie durch eine Senkung der Strom- und Gaspreise um jeweils 11 Milliarden Euro entlastet werden. Dies würde bedeuten, daß ein Haushalt jährlich rund 300 Euro weniger für seinen Energiebedarf zahlen müßte.

Der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) wies diese Darstellung des vzbv am 1. Oktober in scharfer Form zurück. Es grenze an "Irreführung der Stromverbraucher", wie hier die Strukturunterschiede zwischen beiden Ländern vernachlässigt und hohe Sparmöglichkeiten errechnet würden, hieß es in einer Pressemitteilung. In der Tat scheint der vzbv seinen Vergleich nicht, wie er angab, "vor Steuern und Abgaben" durchgeführt zu haben, denn die genannten Strompreise entsprechen genau den Werten, die das Statistische Amt der EU (Eurostat) für den Verbrauchertyp "Dc" in beiden Ländern angibt und in denen lediglich die Steuern nicht enthalten sind. Somit blieben für Deutschland Konzessionsabgaben, EEG und KWK-Gesetz unberücksichtigt, während in Großbritannien nur die Klimaschutzsteuer entfiel, die etwa der Belastung durch das EEG in Deutschland entspricht. Weiterhin blieb die unterschiedliche Kaufkraft von Euro und Pfund unberücksichtigt. Im Endeffekt dürfte sich der vom vzbv errechnete Preisunterschied zwischen Deutschland und Großbritannien um etwa zwei Drittel reduzieren, wenn beim Vergleich tatsächlich sämtliche staatlichen Belastungen des Strompreises ausgeklammert werden.