März 2004 |
040301 |
ENERGIE-CHRONIK |
Mit den Stimmen der rot-grünen Koalition beschloß der Bundestag am 12. März in zweiter und dritter Lesung das "Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz - TEHG). Die CDU/CSU lehnte den Gesetzentwurf ab, weil er die Zuständigkeit der Länder beschneide, einen unnötigen bürokratischen Aufwand bedeute und die Zeit zu seiner Beratung zu kurz gewesen sei. Die FDP enthielt sich der Stimme und begründete dies damit, daß ihre Änderungsanträge durchweg abgelehnt worden seien. Der Bundesrat wird sich voraussichtlich am 2. April mit dem Gesetz befassen. Im Unterschied zur Ländervertretung, in der die Union die Mehrheit besitzt, ist die Bundesregierung nicht der Auffassung, daß das TEHG der Zustimmung des Bundesrats bedarf.
Die Auseinandersetzung um den "Nationalen Allokationsplan" (NAP), der die Gesamthöhe und Verteilung der auszugebenden CO2-Zertifikate an die Industrie regeln soll, dauerte unterdessen an. Vor allem regierungsintern kam es in dieser Frage zu einem massiven Konflikt zwischen Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement und Bundesumweltminister Jürgen Trittin, der erst kurz vor dem Termin zur Vorlage des NAP bei der EU-Kommission beigelegt werden konnte (siehe 040302).
Das TEHG soll die Rechtsgrundlage für den Emissionshandel bilden. Es regelt Fragen der Zuteilung (§§ 9 - 12), des Handels (§§ 15 - 16), der Sanktionen (§§ 17 - 19) und der institutionellen Zuständigkeiten (§§ 20 - 24). Im Unterschied zum ursprünglichen Gesetzentwurf enthält es nun in §§ 4 - 5 auch solche Bestimmungen samt der dazugehörigen Anlagen, die zunächst separat in einer Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz erlassen werden sollten. Neu aufgenommen wurde ferner in § 7 ein Passus, wonach die Gesamtmenge der im Rahmen des "Nationalen Allokationsplans" zuzuteilenden Berechtigungen in einem "angemessenen Verhältnis" zu Emissionen aus anderen volkswirtschaftlichen Sektoren stehen soll, die nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, daß auch Verkehr, Haushalte und Gewerbe ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen. Ein weiterer Unterschied zur alten Fassung ist die ausdrückliche Einbeziehung von "Joint Implementation" und "Clean Development Mechanism" nach Artikel 6 und Artikel 12 des Kyoto-Protokolls, wie dies Artikel 30 der EU-Richtlinie zum Emissionshandel vorsieht: Gemäß § 13 des jetzt verabschiedeten TEHG werden so erworbene Emissionsgutschriften in nationale Berechtigungen überführt, wobei die Einzelheiten noch durch ein besonderes Gesetz zu regeln sind.
Mit der Hereinnahme der ursprünglich geplanten 34. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz samt Anlagen in das TEHG beantwortete die rot-grüne Koalition den Versuch der Unionsparteien, auf die gesetzliche Regelung des Emissionshandels über den CDU-dominierten Bundesrat Einfluß zu nehmen. So hatte der Bundesrat verlangt, bei insgesamt acht Verordnungsermächtigungen den Zusatz zu streichen, daß die Verordnungen ohne Mitwirkung des Bundesrats erlassen werden. Die Bundesregierung lehnte dies mit der Begründung ab, daß der Hinweis auf das Immissionsschutzrecht "rein deklaratorisch" sei. Im Gegenzug blockierte die Union die 34. BImSchV, die der Zustimmung des Bundesrats bedurft hätte.
In der Bundestagsdebatte zum TEHG kam es wegen diesem Punkt zu einem heftigen Schlagabtausch: Der SPD-Abgeordnete Ulrich Kelber sprach von einem "Affentheater", mit dem die Union das Ansehen des Parlaments weiter gemindert habe. Sie sei schuld daran, daß die Kontrolle der vom TEHG erfaßten Anlagen, die ursprünglich im Rahmen der ohnehin stattfindenden Anlagenprüfungen durch die Bundesländer erfolgen sollte, nun durch eine Bundesbehörde erfolgen müsse. Als Folge dieses "parteipolitisch motivierten Spielchens" hätten die betroffenen Unternehmen nun höhere Gebühren zu zahlen. Der CDU-Abgeordnete Peter Paziorek warf der Koalition vor, ihre weitreichende Änderung des Gesetzentwurfs viel zu kurzfristig vorgelegt und die Beteiligung des Bundesrats "ausgehebelt" zu haben. Nach seiner Meinung bedürfe das jetzt verabschiedete Gesetz dennoch der Zustimmung des Bundesrats.
"Die ganzen Spielchen im Bundesrat haben dazu geführt, daß wir jetzt vollständig auf Bundesvollzug umstellen", erklärte der grüne Abgeordnete Reinhard Loske. Die dadurch erforderliche Aufstockung beim Bundesumweltamt halte sich in Grenzen. Die Obstruktionsstrategie der Union werde sich nicht auszahlen. Im übrigen sei man bereit, zur ursprünglich vorgesehenen Regelung zurückzukehren, falls "dieses Thema später in einem unechten Vermittlungsverfahren oder wo auch immer wieder aufgerufen wird".