Januar 2004 |
040115 |
ENERGIE-CHRONIK |
Unter der Überschrift "Sicherheitsmängel in Isar I" berichtete die Süddeutsche Zeitung (28.1.) über eine vertrauliche, bereits vor einem Jahr fertiggestellte Studie der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS), wonach schon der Absturz eines kleinen Passagierflugzeugs auf die Kernkraftwerke Isar I, Brunsbüttel und Philippsburg I katastrophale Folgen haben könnte. Die übrigen Kernkraftwerke seien zumindest gegen den Aufprall eines Militärjets ausgelegt. Die Grünen brachten deshalb am 28. Januar eine Anfrage im bayerischen Landtag ein. Der bayerische Umweltminister Werner Schnappauf äußerte in seiner Antwort die Erwartung, daß die Tarnung der Anlage durch künstliche Vernebelung ein geeignetes Mittel sein könne, um im Falle eines Terroranschlags die schlimmsten Folgen zu vermeiden.
Im Grunde enthält der zitierte Bericht nichts, was grundsätzlich über frühere Befunde hinausgeht, als nach dem New Yorker Terroranschlag vom 11. September 2001 über die Risiken von Kernkraftwerken bei Flugzeugabstürzen oder gezielten Terroranschlägen diskutiert wurde (010904). Schon damals wurde in den alten Siedewasser-Reaktoren ein besonders hohes Sicherheitsrisiko gesehen. Über die unter Verschluß gehaltene Stellungnahme der Reaktorsicherheitskommission hatte die Süddeutsche Zeitung bereits am 30. Dezember 2003 zum ersten Mal berichtet. Auch der Vorschlag der Vernebelung kam in diesem Zusammenhang zur Sprache: Er sei Bestandteil eines von den Kernkraftwerksbetreibern vorgeschlagenen Schutzkonzepts, dessen Begutachtung im ersten Quartal 2004 abgeschlossen werde, hieß es damals in einer Stellungnahme des Bundesumweltministeriums zu dem Zeitungsbericht.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat Anfang Februar eine vom Bundesumweltministerium angefertigte Zusammenfassung des bislang unveröffentlichten GRS-Gutachtens auf seiner Internet-Seite publiziert.
Im November 2001 veröffentlichte die Umweltorganisation Greenpeace ein Gutachten, wonach die ältesten deutschen Kernkraftwerke mit einer Wandstärke von rund 60 Zentimeter Stahlbeton allenfalls dem Absturz eines langsam fliegenden Sportflugzeugs standhalten könnten. Neben den Siedewasserreaktoren Philippsburg I und Brunsbüttel zählte der Verfasser der Studie, Dr. Helmut Hirsch, dazu auch die Druckwasserreaktoren Biblis A, Stade und Obrigheim (Stade wurde inzwischen abgeschaltet). Mit einer Wandstärke von 80 bis 100 Zentimeter besser geschützt seien die Druckwasserreaktoren Biblis B, Neckarwestheim 1, Unterweser und Isar I. Diese 1972 begonnenen Anlagen könnten dem Absturz eines mit 650 km/h tieffliegenden "Starfhighters" standhalten. Die übrigen zehn Anlagen, mit deren Errichtung in den Jahren 1974 bis 1982 begonnen wurde, seien gemäß einer 1981 in Kraft getretenen Leitlinie der Reaktorsicherheitskommission so ausgelegt, daß sie auch dem Absturz einer "Phantom" widerstehen können, die mit 774 km/h fliegt und mit zwanzig Tonnen die doppelte Masse des "Starfighters" besitzt. Zu dieser Kategorie zählten die Kernkraftwerke Grafenrheinfeld, Krümmel, Brokdorf, Grohnde, Gundremmingen B und C, Philippsburg 2, Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2.