Oktober 2003 |
031003 |
ENERGIE-CHRONIK |
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement hat seinen Widerstand gegen das geplante GuD-Kraftwerk in Hürth-Knapsack im rheinischen Braunkohlerevier (030507) aufgegeben. Am 9. Oktober erklärte eine Sprecherin des Ministeriums, daß die Bundesregierung die "steuerrechtlichen Voraussetzungen" für den Betrieb des Kraftwerks schaffen werde. Vorausgegangen war ein Spitzengespräch der beteiligten Ministerien und des Kanzleramtes.
Nach dem Mineralölsteuergesetz wird die Anlage nur dann für fünf Jahre von der Steuer auf Gas befreit, wenn sie bis zum 11. März 2006 die dauerhafte Stromerzeugung aufgenommen hat. Infolge der politisch erzwungenen Verzögerungen ist diese Frist inzwischen nicht mehr einzuhalten. Die Bundesregierung will deshalb nun eigens eine Änderung des Mineralölsteuergesetzes einbringen, um die Frist zu verlängern.
Trotz der nunmehr erwirkten Steuerbefreiung steht noch nicht fest, ob das 800-MW-Gaskraftwerk tatsächlich gebaut wird, da seine Rentabilität auch vom günstigen Gasbezug sowie von den Absatzmöglichkeiten für Strom und Wärme abhängt. In der Grundlast wäre das GuD-Kraftwerk gegen Strom aus Kohle nicht konkurrenzfähig. Dem Vernehmen nach suchen die Investoren deshalb den Schulterschluß mit Stadtwerken und anderen Großkunden, die Bedarf an Mittel- und Spitzenlast haben.
Die Baugenehmigung für das Projekt in Hürth-Knapsack ist längst erteilt. Für den Investor Intergen - ein Konsortium aus Shell und dem US-Anlagenbauer Bechtel - kann sich das Gud-Kraftwerk aber allenfalls rentieren, wenn es in den Genuß der Steuerbefreiung kommt. Diese Steuerbefreiung war bisher von Clement in Frage gestellt worden, weil die geplante Anlage trotz modernster GuD-Technik aus standortbedingten Gründen wahrscheinlich nicht in der Lage sein würde, den geforderten Wirkungsgrad von 57,5 Prozent exakt zu erreichen.
Clement und sein Staatssekretär Adamowitsch hatten das Projekt bereits zu verhindern versucht, als sie noch Ministerpräsident bzw. Leiter der Staatskanzlei in Düsseldorf waren. Den Hintergrund bildete offenbar, daß sie in der Verstromung von Erdgas eine unerwünschte Konkurrenz für die Braunkohlekraftwerke sehen. Das Thema entwickelte sich dadurch zum Zündstoff zwischen den rot-grünen Koalitionen in Düsseldorf und Berlin. In Düsseldorf wurde der Streit im Juli 2003 beigelegt (030705), doch stand die Landesregierung weiterhin unter politischem Druck von CDU und FDP, die ihr vorwarfen, ein 500-Millionen-Projekt nicht genügend zu unterstützen. In Berlin drohte der Streit zu einer direkten Auseinandersetzungen zwischen den Ministern Clement (SPD) und Trittin (Grüne) zu eskalieren.
Die Steuerbegünstigung für hocheffiziente
GuD-Kraftwerke mit einem Wirkungsgrad von 57,5 Prozent wurde 1999 mit dem
"Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform" eingeführt
(991104). Die Frist für die Inbetriebnahme
solcher Anlagen war 2002 durch das zweite Gesetz zur Änderung des
Mineralölsteuergesetzes verlängert worden.