August 2003

030810

ENERGIE-CHRONIK


Netzbetreiber haben kein Privileg für Netzerweiterungen

Nach Meinung des Bundeskartellamts können Netzbetreiber keinen Anspruch darauf erheben, Erweiterungen des Stromversorgungsnetzes, wie sie für den Anschluß von Neubaugebieten notwendig sind, in eigener Regie vorzunehmen. Vielmehr kann die Netzerweiterung auch durch andere Betreiber in Form eines separaten "Arealnetzes" erfolgen. Der angestammte Netzbetreiber ist in diesem Fall verpflichtet, das Arealnetz an sein eigenes Netz anzuschließen. Diese Verpflichtung gilt nicht nur für die Niederspannungs-, sondern auch für die Mittelspannungsebene.

Das Amt hat deshalb am 4. August 2003 die Frankfurter Mainova AG abgemahnt, die der GETEC net GmbH (Hannover) und der Energieversorgung Offenbach AG (EVO) den Anschluß ans Mittelspannungsnetz verweigert. Die beiden Unternehmen wollen auf eigene Kosten innerhalb des traditionellen Versorgungsgebiets der Mainova AG ein Verteilnetz für ein neu erschlossenes Areal errichten. Die Mainova lehnte den Anschluß dieses Arealnetzes an ihr Mittelspannungsnetz mit der Begründung ab, daß die Arealnetzbetreiber sich nur wirtschaftlich attraktive Gebiete heraussuchen würde, die bei geringen Netzkosten über eine hohe Versorgungsdichte verfügen. Dadurch würden die Netznutzungsentgelte der Mainova vergleichsweise teurer und die nicht an ein Arealnetz angeschlossenen Netzkunden belastet.

Das Bundeskartellamt bezeichnete diese Argumentation als "nicht nachvollziehbar", da der Mainova keine zusätzlichen Netzkosten entstünden und auch keine Verschlechterung der Kundenstruktur stattfinde. Im übrigen unterliege der Betreiber des neuen Arealnetzes genauso der allgemeinen Anschluß- und Versorgungspflicht nach Paragraph 10 des Energiewirtschaftsgesetzes wie die etablierten Netzbetreiber.

Mainova warnt vor "Fragmentierung der Netze"

Die Mainova hält dagegen die Rechtslage zumindest für unklar. Auf der Bilanzpressekonferenz seines Unternehmens am 26. August forderte der Mainova-Vorstandsvorsitzende Heinrich Stiens die Bundesregierung auf, im Energiewirtschaftsgesetz eine eindeutige Regelung zu treffen. Andernfalls drohe "das Ende des allgemeinen Stromtarifs". Es entstünden erst "fünf, dann fünfzig, dann fünfhundert" lokale Stromnetze. Diese "Fragmentierung der Netze" sei verbunden mit "massiven Eigentumseingriffen". (FR, 27.8.)

Die Mainova gehört mehrheitlich der Stadt Frankfurt sowie der E.ON-Tochter Thüga als einflußreichem Großaktionär (980708). Die Energieversorgung Offenbach AG, die zusammen mit der GETEC das Arealnetz im Bereich des konkurrierenden Versorgers errichten möchte, gehört mehrheitlich der Mannheimer MVV (000604). Die mündliche Verhandlung des Streitfalls wurde vom Bundeskartellamt auf den 2. September anberaumt.