Mai 2003 |
030504 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Bevölkerung der Schweiz hat am 18. Mai zwei Initiativen zum Ausstieg aus der Kernenergie abgelehnt. Das Votum erfolgte im Rahmen eines Abstimmungspakets, das noch sieben weitere Vorlagen zu anderen Themen umfaßte. Die Schweiz verfügt an den Standorten Beznau, Gösgen, Leibstadt und Mühleberg über insgesamt fünf Reaktoren mit einer Bruttoleistung von 3141 MW, die in den Jahren 1969 bis 1984 ans Netz gingen. Diese Kernkraftwerke decken den Strombedarf des Landes zu rund vierzig Prozent.
Die Initiative "Strom ohne Atom" wurde landesweit mit zwei Drittel der Stimmen (66,3 Prozent) zurückgewiesen und war nur in Basel-Stadt mit 52,1 Prozent mehrheitsfähig. Diese Initiative forderte die Stillegung von Beznau und Mühleberg innerhalb von zwei Jahren sowie die Stillegung von Gösgen und Leibstadt bis 2009 bzw. 2014. Bei der Umstellung auf nicht-nukleare Stromerzeugung sollten fossile Energieträger nur noch in Kraft-Wärme-Kopplung eingesetzt werden dürfen und der Ausstieg ohne Entschädigung der Betreiber erfolgen.
Weniger stark war die Ablehnung der Initiative "Moratorium Plus", die den Betrieb der bestehenden Kernkraftwerke auf vierzig Jahre beschränken wollte und einen zehnjährigen Bewilligungsstopp für neue Reaktoren forderte. Landesweit lehnten 58,4 Prozent der Stimmbürger diese Initiative ab. Mehrheitliche Zustimmung fand sie in Basel-Stadt (57,9 Prozent) und Basel-Land (50,2 Prozent).
Nach dem Volksentscheid vom September 2002, in dem eine Mehrheit von 52,6 Prozent das Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) ablehnte (020904), haben sich die Schweizer damit erneut in einer energiepolitischen Grundsatzfrage gegen einschneidende Veränderungen ausgesprochen. Die Linken, die seinerzeit den Volksentscheid gegen die Liberalisierung erwirkten, sind in diesem Falle allerdings die Verlierer. Nach Ansicht der "Neuen Zürcher Zeitung" (19.5.) haben vor allem wirtschaftliche Gründe das in diesem Ausmaß unerwartete Scheitern der beiden Anti-Kernkraft-Initiativen bewirkt: "Wichtig war die in schwierigen Zeiten überwiegende Abneigung gegen wirtschaftliche Experimente. Sie beruhte auf der Angst vor höheren Strompreisen oder vor neuen Abgaben, die mit der Förderung alternativer Energien verbunden sein könnten. Die zu erwartenden hohen Kosten eines Atomausstiegs haben ihre Wirkung getan. (...) Die Angst vor Experimenten hat sich nun in der Frage des Atomausstiegs gegen die atomkritische Linke (die Grünen eingeschlossen) gewandt, die mit der EMG-Abstimmung selbst das Terrain dafür vorbereitet hatte."