März 2003 |
030306 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die von der EU-Kommission gewünschte Aufstockung der Euratom-Anleihen (021103) ist am 13. März vom Bundestag abgelehnt worden. Mit den Stimmen der Regierungsparteien billigte das Parlament einen entsprechenden Antrag, der von beiden Koalitionsfraktionen eingebracht worden war und der die Bundesregierung auffordert, dem Vorhaben ihre Zustimmung zu verweigern. Die Kommission hatte am 6. November 2002 vorgeschlagen, das Limit für Euratom-Anleihen von bisher vier auf sechs Milliarden Euro zu erhöhen und zugleich den Anwendungsbereich für Euratom-Darlehen zu erweitern.
Zur Begründung des Bundestagsbeschlusses heißt es, daß sämtliche der seit 1994 bewilligten oder beantragten Euratom-Kredite Kernkraftwerke in Osteuropa betroffen hätten, wobei die "Sicherheitswirkung" dieser Nuklearprojekte zweifelhaft sei. Die im Dezember 2000 bewilligten Gelder für zwei neue Kernkraftwerke in der Ukraine (001215) seien bisher nicht abgeflossen, da die Ukraine die geforderten Sicherheits- und Wirtschaftlichkeitsauflagen nicht erfüllt habe. Zur Zeit sei bei Euratom lediglich ein Kreditantrag anhängig, der sich auf den Bau eines zweiten Blocks im rumänischen Kernkraftwerk Cernavoda (960406) bezieht. Auch dieser Kredit führe nicht zur Erhöhung der nuklearen Sicherheit in Osteuropa, da im Gegenzug kein älterer Reaktor abgeschaltet werde. Noch mehr gelte dies für die Überlegung, den Weiterbau der russischen Kernkraftwerke in Kalinin, Balokov, Kursk und Rostov durch Euratom-Kredite zu ermöglichen. Diese Projekte förderten den Ausbau der Atomenergie in Europa und führen zu einer Steigerung des nuklearen Risikos. Besonders problematisch sei das Vorhaben in Kursk, da es sich hier um einen Reaktor des Typs Tschernobyl handele, den auch die Kommission als nicht verbesserungsfähig eingestuft habe.
Auch aus Wettbewerbsgründen lehnt der Bundestag jede Euratom-Hilfe für bestimmte Kernkraftwerksprojekte ab: "Es würde den Wettbewerb im europäischen Strommarkt zu Lasten der Stromverbraucher in Deutschland verzerren, wenn kerntechnische Investitionen in anderen Ländern durch günstige Euratom-Kredite subventioniert würden." Im Zusammenhang mit den Beratungen über eine europäische Verfassung verweist das Parlament auf seinen Beschluß vom 15. Mai 2002, wonach die Förderung der Atomkraft durch den Euratom-Vertrag beendet und das Euratom-Budget der Kontrolle des Europäischen Parlaments unterstellt werden soll.
Die FDP hatte einen entgegengesetzten Antrag vorgelegt. Danach ist der Euratom-Vertrag "heute in Inhalt und Aussage aktueller denn je". Die Forschung auf dem gesamten Gebiet der friedlichen Kernenergienutzung müsse weiter gefördert werden. Insbesondere gelte es, die hohen europäischen Standards bei der nuklearen Sicherheit auch in den Beitrittsländern in Mittel- und Osteuropa zu verwirklichen. Der FDP-Antrag wurde auch von den Unionsparteien unterstützt.
Das Präsidium des Europäischen Konvents beschloß am 14. März, den aus dem Jahr 1957 stammenden Euratom-Vertrag nicht in die geplante europäische Verfassung einzubeziehen. Notwendige Anpassungen des Vertrags sollen durch ein Protokoll erfolgen, das dem Verfassungsvertrag beigefügt wird. Die Rechtsnatur des Vertrags würde dadurch nicht verändert, stellte das Präsidium fest. Eine Verschmelzung der Rechtspersönlichkeiten der Europäischen Atomgemeinschaft und der Europäischen Union bleibe dennoch möglich. Nach Zustimmung durch den Konvent wird der Europäische Rat über den Vorschlag des Präsidiums entscheiden.
Die Konventsarbeitsgruppe zur Vereinfachung der europäischen Vertragsstrukturen hatte zunächst für die Einbeziehung des Euratom-Vertrags plädiert. Sie war damit aber auf den Widerstand Frankreichs gestoßen, das um die Alleinverfügung über seinen Nuklearkomplex fürchtet.