Dezember 2001

011224

ENERGIE-CHRONIK


Liberalisierung verstärkte Konzentration auf dem deutschen Strommarkt

Die Liberalisierung des deutschen Strommarktes hat die Konzentration in der Elektrizitäts- und Gaswirtschaft erhöht. Sie bewirkte deutliche Preissenkungen für industrielle Stromverbraucher. Die Haushalte bezahlen dagegen heute mehr als vor Inkrafttreten der Liberalisierung. So lauten die wesentlichen Schlußfolgerungen aus einer Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI-Papiere Nr. 173), die im Dezember veröffentlicht wurde.

Nach Feststellung von Ullrich Heilemann und Bernhard Hillebrand, die als Verfasser des Papiers zeichnen, konzentriert sich die Stromerzeugung inzwischen zu mehr als die Hälfte auf die Unternehmen RWE und E.ON. Bei Strom aus Kernenergie und Braunkohle) ist der Konzentrationsgrad noch höher. RWE und E.ON bestreiten die Grundlast zu mehr als 60 Prozent und die Mittellast knapp zur Hälfte. Ähnliche Konzentrationsgrade gelten für das Transportnetz. Hier kontrollieren E.ON und RWE/VEW rund 43 Prozent des Hoch- und Höchstspannungsnetzes

RWE und E.ON kontrollieren drei Viertel der Regional- und Kommunalversorger

Weiterhin verweisen die Autoren auf die vielfältigen Kapitalverflechtungen der etablierten Verbundunternehmen mit Regional- und Kommunalversorgern, was letztere bei der freien Wahl des Lieferanten erheblich einschränke: Vor der Liberalisierung (1997) kontrollierten die beiden größten Unternehmen (RWE und PreussenElektra) weniger als die Hälfte (45,5 Prozent) der Stromabgabe von Regional- und Kommunalversorgern. Inzwischen aber (Stand Mitte 2000) kontrollieren RWE und E.ON knapp drei Viertel (73,1 Prozent) der Stromabgabe der Regional- und Kommunalversorger. Diese marktbeherrschende Stellung werde sich im nationalen Rahmen - etwa durch den Zusammenschluß von HEW, Bewag und Veag zu einer "vierten Kraft" am deutschen Strommarkt - nicht mehr korrigieren lassen, denn mit einer mittelbaren Stromabgabe von 7,5 Terawattstunden erreiche die "vierte Kraft" nur einen Bruchteil der 170,1 Terawattstunden, die RWE und E.ON auf sich vereinigen.

Die kartellbehördlichen Genehmigungen für die beiden Großfusionen von Veba und Viag zu E.ON und von RWE und VEW (000603) erscheinen den Autoren angesichts dieser Konzentrationstendenzen "nur im Hinblick auf den anvisierten europäischen Binnenmarkt nachvollziehbar".

Industrie und Gewerbe zahlen weniger - die Haushalte mehr

Die Stromverbraucher haben nach Feststellung der Autoren in sehr unterschiedlichem Maße von der Liberalisierung profitiert, wobei allerdings auch die sehr unterschiedliche Belastung durch die neu eingeführte Stromsteuer (991104) eine wesentliche Rolle spielte.

Für die Industrie sind die Preise seit der Liberalisierung trotz Stromsteuer (0,6 Pf/kWh seit 1.1.2001) um mehr als 25 Prozent gesunken. Auch bei Gewerbe und Landwirtschaft haben Preissenkungen die Zusatzbelastung durch die Stromsteuer (3,0 Pf/kWh seit 1.1.2001) mehr als kompensiert. Dagegen zahlten die privaten Haushalte Mitte 2000 mit 24,15 Pf/kWh etwa denselben Strompreis wie vor der Liberalisierung. Seite Anfang 2001 liegt der Strompreis für Haushalte mit durchschnittlich 25,50 Pf/kWh sogar deutlich höher (siehe Diagramm). Die stärksten Preissenkungen ergaben sich erst nach Verabschiedung der zweiten Verbändevereinbarung (991201), die das Durchleitungsverfahren vereinfachte.

Zu Beginn der Liberalisierung wurden die Strompreissenkungen durch sinkende Brennstoffkosten erleichtert (siehe Diagramm). Der Preisauftrieb für Steinkohle und besonders für Gas hat diese Spielräume inzwischen beseitigt und die Brennstoffkosten insgesamt ansteigen lassen.

Gaspreise orientieren sich unverändert am Ölpreis

Im Gegensatz zum Strommarkt hat die Liberalisierung auf dem Gasmarkt bisher zu keinen Preissenkungen geführt. Seit Beginn des Jahres 1999 sind hier sogar die Preise für alle Verbrauchergruppen deutlich angestiegen und liegen je nach Anpassungsklauseln in den Gasbezugsverträgen um bis zu 60 Prozent über denen zu Beginn des Jahres 1999. Überraschend sei dies allerdings kaum, bemerken die Autoren, denn die gesetzlichen Neuregelungen für den Gasmarkt wiesen gegenüber jenen für den Strommarkt einen Rückstand von zwei Jahren auf, und die Preise für den Gaseinkauf orientierten sich unverändert am Ölpreis.