Oktober 2001

011005

ENERGIE-CHRONIK


Österreich hat seinen Strommarkt vollständig liberalisiert

Als fünftes EU-Land nach Großbritannien, Schweden, Finnland und Deutschland hat Österreich zum 1. Oktober 2001 seinen Strommarkt vollständig liberalisiert. Grundlage ist ein Gesetz, das der Nationalrat Anfang Juli 2000 mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und SPÖ beschlossen hatte. Damit können in Österreich, wie bereits seit 29. April 1998 in Deutschland, alle Stromkunden vom industriellen Großverbraucher bis zum Haushalt ihre Lieferanten frei wählen.

Die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Öffnung der Strommärkte (960601) war in Österreich zunächst eher zögerlich erfolgt (990207). Auch das im Februar 1999 in Kraft getretene Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) setzte nur Mindestanforderungen der EU-Richtlinie um. Mit der rascheren Liberalisierung entsprach die Politik den Wünschen des maßgeblichen Teils der Elektrizitätswirtschaft.

Regulierungsbehörde überwacht den Wettbewerb

Im Unterschied zu Deutschland entschied sich Österreich - nach anfänglichem Liebäugeln mit dem Alleinabnehmer-Modell (980303) - für das System des regulierten Netzzugangs: Die oberste Aufsicht und Richtlinienkompetenz liegt beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Die Wettbewerbsaufsicht ist Aufgabe einer neu eingerichteten Elektrizitäts Control GmbH (www.e-control.at). Als Schlichtungs- und Genehmigungsinstanz fungiert eine Elektrizitäts-Control Kommission.

Sonderbestimmungen zu Ökostrom, Kleinwasserkraft und KWK

Eine weitere Besonderheit ist die Verpflichtung der Verteilnetzbetreiber zur Abnahme von "Ökostrom" aus Biomasse, Deponiegas, Wind, Sonnenstrahlung oder Erdwärme. Die Mindestmenge von derzeit 1 Prozent steigt bis 1. Oktober 2007 stufenweise auf vier Prozent. Zusätzlich schreibt ein Kleinwasserkraft-Zertifikatsystem den Stromanbietern vor, mindestens 8 Prozent des Verbrauchs aus Kleinwasserkraftanlagen (bis 10 MW) zu decken. Das Gesetz eröffnet den Ländern ferner die Möglichkeit, die Betreiber von Verteilnetzen zur Abnahme von Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung zu verpflichten.

Rechnerisches Unbundling genügt

Den österreichischen Strommarkt teilen sich derzeit rund 160 Unternehmen. Die größten sind die Österreichische Elektrizitätswirtschafts AG (Verbundkonzern) und die neun Landesgesellschaften. Außerdem gibt es zahlreiche landeshauptstädtische, kommunale, private und genossenschaftliche Stromversorger. Die  Landesgesellschaften sind Wienstrom GmbH, EVN (Energieversorgung Niederösterreich), BEWAG (Burgenländische Elektrizitätswirtschafts-AG), ESTAG (Energie Steiermark AG), Salzburg AG, KELAG (Kärntner Elektrizitäts-AG) Energie AG (Oberösterreich), TIWAG (Tiroler Wasserkraftwerke AG) und VKW (Vorarlberger Kraftwerke-AG). Der Verbundkonzern ist größter Erzeuger und beliefert über das von ihm betriebene Hochspannungsnetz die Landesgesellschaften.

Diese historisch entstandene Struktur der österreichischen Stromversorgung wird vom Liberalisierungsgesetz nicht unmittelbar angetastet. Die Unternehmen genügen den neuen gesetzlichen Anforderungen, wenn sie Erzeugung, Verteilung und Vertrieb rechnerisch trennen. Wie in Deutschland gehen schon jetzt verschiedene Unternehmen über diese Mindestanforderungen hinaus, indem sie einzelne Geschäftsbereiche juristisch selbständigen Unternehmen unter dem Dach einer Holding übertragen. Zum Teil kooperieren sie auch mit anderen Unternehmen und gründen spezielle Stromvertriebsgesellschaften wie EVN, Wienstrom, Linz AG und Bewag, die unter großem Reklameaufwand den Stromvertrieb "Switch" gestartet haben.

Standardisierte Lastprofile für Kleinkunden

Bei Großkunden mit einer Anschlußleistung von mindestens 50 kW und einem Jahresverbrauch von mindestens 100.000 kWh erfolgt die Netznutzung mittels Fahrplänen und Leistungsmessung. Für Kleinkunden sind, ähnlich wie in Deutschland, standardisierte Lastprofile (991003) vorgesehen. Ferner können sich die Marktteilnehmer wie in Deutschland zu Bilanzgruppen (010411) zusammenschließen. Als Regelzonen-Führer fungieren die Austrian Power Grid GmbH (990819) für Ost-Österreich, die TIWAG für Tirol und die VKW für Vorarlberg.

Ausländische Beteiligungen

Schon im Vorfeld der Liberalisierung haben sich ausländische Unternehmen auf dem österreichischen Strommarkt engagiert. Die Electricité de France besitzt eine Sperrminorität an der Energie Steiermark AG (971208) und gilt als aussichtsreicher Anwärter auf weitere Anteile, die das Land Steiermark privatisieren will. Der RWE-Konzern hat vor einigen Monaten 49 Prozent an der Holding des Landesversorgers KELAG übernommen (010510). Die E.ON Energie und die Österreichische Elektrizitätswirtschafts AG (Verbundkonzern) betreiben momentan die Gründung einer gemeinsamen Wasserkraftgesellschaft (010702). Die Energie Baden-Württemberg bestätigte inzwischen den Besitz einer fünfprozentigen Beteiligung am Verbundkonzern.

Info-Links

Die einschlägigen Gesetze können auf der Website des Bundesministeriums für Arbeit (www.bmwa.gv.at) heruntergeladen werden. Eine vollständige Liste der Verteilnetzbetreiber und der Endlieferanten, die die Kunden mit elektrischem Strom versorgen, steht auf der Website der Energie Control GmbH (www.e-control.at) als PDF-Datei zur Verfügung. Eine Übersicht der Stromanbieter bietet ferner die Website der Wirtschaftskammern (http://wko.at) unter "Stromhandel".