PresseBLICK-Rezensionen Klima-Problematik



Wolfgang Thüne

Der Treibhaus-Schwindel

343 S., DM 49,90, Wirtschaftsverlag Discovery Press, Saarbrücken 1998


In der guten alten Zeit der Flimmerkiste, als es nur zwei oder drei öffentlich-rechtliche Programme gab, billigten die Bundesdeutschen dem Fernsehen von allen Medien die größte Glaubwürdigkeit zu. Wie Umfragen ergaben, hielt ein Großteil des Publikums sogar den Sprecher der "Tagesschau" für den Regierungssprecher. Obwohl Regierungssprecher nicht unbedingt die Wahrheit verkünden, läßt sich daraus ersehen, daß das Fernsehen im Vergleich zu heute ein hohes Ansehen genoß.

Von diesem Ansehen profitierte auch Wolfgang Thüne, der von 1971 bis 1986 den Wetterbericht im ZDF moderierte. So wie viele Zuschauer den Nachrichtensprecher für den Regierungssprecher hielten, muß ihnen Thüne, wenn er anschließend vor die Wetterkarte trat, wie der leibhaftige amtliche Wetterverkünder erschienen sein. Zumal Thüne eben nicht bloß ein Sprecher war, der fremde Texte ablas, sondern sich als Diplom-Meteorologe nachweislich für die Deutung der Wetterkarte qualifiziert hatte.

Thüne kokettiert noch heute mit seiner Vergangenheit als ZDF-Wetterfrosch. So zeigt ihn die Rückseite des vorliegenden Buches, wie er in jugendlicher Frische vor der ZDF-Wetterkarte steht, mit der rechten Hand auf ein Tief über dem Nordatlantik deutend.

Doch nicht als Wetterexperte will er sich mit diesem Buch profilieren. Sein Thema ist vielmehr das Klima: Er hält es für ausgemachten Blödsinn, daß eine Zunahme der Kohlendioxid-Emissionen zu einer Verstärkung des Treibhauseffektes und damit zu noch unabsehbaren Folgen führen könne. Dieser "Treibhaus-Schwindel" ist seiner Meinung nach "eine Erfindung der Atom-Lobby, die von den Grünen bereitwillig aufgegriffen und vermarktet worden ist".

Nicht nur, daß Thüne eine drohende Erwärmung des Erdklimas bestreitet. Das läge ja noch einigermaßen im Rahmen des wissenschaftlichen Meinungsstreits, denn die Klimaforscher sind sich keineswegs einig darüber, wieweit die vermehrten CO2-Emissionen den natürlichen Treibhauseffekt verstärken und so von einer Wohltat zur Plage werden lassen könnten. Nein: Thüne bestreitet das Vorhandensein eines Treibhauseffekts überhaupt. Und er beläßt es nicht beim bloßen Leugnen, sondern bemüht die Thermodynamik, das Stefan-Boltzmannsche Gesetz und sonstige physikalische Sachverhalte. Zum Schluß seines Buches bringt er sogar auf sieben Seiten einen Auszug aus einem Lehrbuch der Theoretischen Physik als angeblichen Beleg dafür, daß es so etwas wie einen Treibhauseffekt gar nicht geben könne.

Für die Ohren von Naturwissenschaftlern hört sich das allerdings ungefähr so an, als ob jemand behaupten würde, daß zwei und zwei fünf ergibt, und dies dem staunenden Publikum auch noch mit komplizierten Gleichungen und einem Auszug aus einem mathematischen Lehrbuch beweisen wollte. Denn es gehört seit langem zur gesicherten Erkenntnis, daß ohne den natürlichen Treibhauseffekt der Atmosphäre die mittlere Temperatur an der Erdoberfläche nur minus 18 Grad Celsius betragen würde. Erst durch das Vorhandensein von Wasserdampf, Kohlendioxid und anderen "Treibhaus"-Gasen wird es an der Oberfläche unseres Planeten mit 15 Grad Celsius einigermaßen gemütlich. Auf dem Mond dagegen, der weder Atmosphäre noch Treibhauseffekt besitzt, kommt es an der Oberfläche zu extremen Temperaturschwankungen von plus 130° C tags bis minus 160°C nachts.

Von der Fachwelt nicht ernst genommen, aber in den Medien beachtet

Auch Thüne müßte das eigentlich wissen, denn schließlich hat er einmal "Meteorologie und Geophysik sowie Mathematik, Physik und Geographie" studiert, wie er in seinem Buch angibt. Und schon in den sechziger Jahren, als er den Titel eines Diplom-Meteorologen erwarb, hätte er in jedem Handbuch der Geophysik das Stichwort "Treibhauseffekt" nachschlagen können. Die Atomwirtschaft, die seiner Meinung nach das "Treibhaus-Gespenst" erfunden hat, lag damals noch in den Windeln. Außerdem hätte sie es angesichts einer geradezu überschwenglichen Begeisterung für die Kernenergie gar nicht nötig gehabt, sich als Klima-Retter darzustellen.

Kein Wunder, daß die Thesen des ehemaligen ZDF-Wetterverkünders von der Fachwelt belächelt bzw. erst gar nicht zur Kenntnis genommen wurden. Dennoch erlangte er damit in Publikationen, die sich mit der Klimaproblematik eher unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten befassen, einige Aufmerksamkeit. Zum Beispiel konnte er sie im Branchenblatt "Stahl und Eisen" und sogar im "Handelsblatt" verbreiten. Dies wiederum nötigte die Fachwelt dann doch, sich mit Thüne zu befassen und in den Luftballon seiner scheinbar hochwissenschaftlichen Beweisführung zu pieksen. So verfaßte der Klimatologe Christian-D. Schönwiese zu Thünes Auslassungen in "Stahl und Eisen" eine ausführliche Erwiderung, die aber nicht gedruckt wurde. Die Deutsche Meteorologische Gesellschaft (DMG) bezweifelte 1996 in einer Pressemitteilung öffentlich Thünes wissenschaftliche Qualifikation, indem sie feststellte, daß etliche seiner Begriffe und Behauptungen "einer fachlichen Richtigstellung bedürfen".

Wer glaubt, daß Thüne damit Unrecht geschieht, kann sich anhand des vorliegenden Buches selber ein Urteil bilden. Denn so ausführlich hat er seine Thesen noch nie dargelegt. Allerdings sollte man schon über ein paar naturwissenschaftliche Kenntnisse verfügen, um die Kurzschlüssigkeit der Argumentation zu erkennen, wenn sich der ehemalige ZDF-Wetterfrosch in die höheren Sphären der Physik versteigt.

Außerdem benötigen sensible Leser eine dicke Schicht Hornhaut gegenüber dem äußerst rüden Ton, in dem Thüne seine Sichtweise der Dinge vorträgt: Da sind etwa die Warnungen vor einer Klimakatastrophe schlicht "eine Erfindung von Wissenschaftlern, die die Unwissenheit der Journalisten schamlos ausnutzten". Oder er interpretiert und verdreht ein Zitat aus einem der Bücher des renommierten Klimatologen Schönwiese (PB 6/93) so lange, bis er daraus "himmelschreienden Unsinn" herauslesen zu können glaubt. Thünes Polemik gipfelt in der Forderung, daß gegen solches "ideologisches Dunkelmännertum" in der Wissenschaft energisch vorgegangen werden müsse, weil es sonst um die Zukunft des "Wissensstandorts Deutschland" finster aussehe.

Da muß man unwillkürlich an den Witz von den beiden Autofahrern denken, von denen der eine soeben einem Geisterfahrer begegnet ist. Der andere ereifert sich: "Was heißt da einer - mir begegnen ständig Tausende von Geisterfahrern!"

Thüne sieht sich natürlich nicht als Geisterfahrer der Wissenschaft, sondern in guter Gesellschaft mit Kritikern des "Öko-Wahns" wie dem Journalisten Dirk Maxeiner und dem Chemielehrer Heinz Hug). Mit seiner umwerfenden Entdeckung, daß es nicht einmal den natürlichen Treibhauseffekt gibt - vom anthropogenen ganz zu schweigen - setzt er jedoch völlig neue Maßstäbe. Am ehesten fallen einem da noch die ähnlich gearteten Pamphlete aus dem Hausverlag der La-Rouche-Sekte ein (PB 6/93 u. 1/95), die ebenfalls gegen den "Klimaschwindel" zu Felde ziehen und ihn als "Medienpsychose" darstellen. Thüne kann allerdings kein Anhänger La Rouches sein, da er ja die "Atomlobby" verdächtigt, hinter dem ganzen Schwindel zu stecken. Bei der La-Rouche-Sekte ist es umgekehrt: Da haben sich finstere Mächte weltweit verschworen, um die Segnungen der Kernenergie zu hintertreiben. Eher unvermittelt steht daneben die fixe Idee, daß eine Klimaerwärmung, wenn es sie denn schon gäbe, eine prima Sache wäre.

"Doktorspiele in Würzburg"

Vermutlich wird man die eigenartigen Thesen des Diplom-Meteorologen Thüne nur dann verstehen, wenn man auch den Gesellschafts-wissenschaftler Dr. Thüne sieht. Denn neben seiner Tätigkeit als ZDF-Wetterfrosch hat Thüne - wie er den Leser wissen läßt - von 1981 bis 1986 an der Universität Würzburg ein Zweitstudium in den Fächern Soziologie, Politische Wissenschaften und Geographie absolviert und mit der Promotion zum Dr. phil. abgeschlossen.

Genaueres dazu erfährt man aus einem ganzseitigen Artikel in der "Zeit" vom 4.11.1988, der die "Doktorspiele in Würzburg" aufs Korn nahm: Unter den Fittichen eines Prof. Lothar Bossle sei es in der bayerischen Stadt am Main möglich, den zierenden Doktortitel zu erwerben, "ohne sich intellektuell verausgaben zu müssen". Ein Mangel an wissenschaftlicher Qualität schade dabei ebensowenig wie ein Überschuß an konservativer Ideologie. "Jeder Dreck kann hier als Dissertation durchgehen", wurde ein namentlich nicht genannter Bossle-Kollege zitiert. Auch der gelernte Diplompolitologe Bossle habe es nur der Protektion durch die bayerische Landesregierung zu verdanken gehabt, daß er "gegen den Widerstand nahezu der gesamten Alma mater" auf einen zufällig freien Lehrstuhl für Soziologie in Würzburg berufen worden sei.

Speziell zu Thüne hieß es da, daß er bei Bossle über das schöne Thema "Die Heimat als soziologische und geopolitische Kategorie und als Identitätsimpuls in der Dynamik der modernen Industriegesellschaft" promovieren durfte. Die Dissertation scheint allerdings von ähnlicher Güte wie seine jetzigen Thesen zum Treibhauseffekt gewesen zu sein, denn dem "Zeit"-Artikel zufolge hätte sie "auch vom Titanic-Chefredakteur persönlich geschrieben" sein können. So habe es Thüne fertiggebracht, Karl Barth nach Theo Waigel zu zitieren, Franz Kafka nach einem Artikel in der Zeitschrift "Kontinent", Theodor Fontane nach dem einstigen NS-Barden Karl Götz, Karl R. Popper nach Andreas Schumann und Dolf Sternberger nach dem CDU-Politiker Bruno Heck. Der "Unglückswurm" habe sich nicht einmal gescheut, ein Zitat des Philosophen Martin Heidegger mit der stolzen Quellenangabe zu versehen: "Zit. n. Wolfgang Thüne, Hat die synoptische Meteorologie noch eine Zukunft? in: Beilage zur Berliner Wetterkarte 36/71 vom 16.02.1971, S. 3."

Zum Glück ist es im akademischen Betrieb noch nicht zur Regel geworden, daß Parteibuch und politische Protektion wichtiger sind als wissenschaftliche Befähigung. Der Bossle-Schüler Thüne hat jedenfalls keinen Lehrstuhl erklommen - weder einen für Klimaforschung noch einen für Soziologie - , sondern anderweitig Karriere gemacht: Mit dem frischen Dr. phil. in der Tasche wurde er Repräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung in Brasilien. Nach seiner Rückkehr im Jahr 1990 wurde er, wie er in seinem Buch angibt, Referatsleiter "in einem Umweltministerium". Den genauen Arbeitgeber - das Land Rheinland-Pfalz - nennt er seltsamerweise nicht. Ob ihm dienstlich nahegelegt worden ist, das Mainzer Umweltministerium nicht mit seinen Thesen zu kompromittieren?

(PB 8/98/*leu)