Udo Leuschner / Geschichte der FDP (47) |
15. Bundestag 2002 - 2005 |
Von einer "Partei der Besserverdienenden", wie sich die FDP einmal kurze Zeit selber bezeichnet hat, könnte man eigentlich erwarten, daß sie auch überdurchschnittlich hohe Mitgliedsbeiträge bekommt. Bei der FDP verhielt es sich allerdings keineswegs so. Wie aus den amtlichen Angaben für das Rechnungsjahr 2000 hervorging, zahlten Mitglieder der Grünen mit durchschnittlich 203 Euro den höchsten Beitrag, gefolgt von solchen der PDS mit 108 Euro und der SPD mit 105,60 Euro. Die FDP lag mit 89,99 Euro fast gleichauf mit der CDU (89,94 Euro). Lediglich die CSU-Mitglieder waren mit 57,94 Euro noch knausriger.
Dafür waren bei der FDP als einziger Partei die Einnahmen aus Spenden höher als das Aufkommen aus Mitgliedsbeiträgen. Im Rechnungsjahr 2002 war das dann auch bei der CSU der Fall, aber die FDP schoß mit einem Missverhältnis von 19,9 Prozent Mitgliedsbeiträgen gegenüber 43,6 Prozent Spendeneinnahmen weiterhin den Vogel ab. Den Rest des offiziell dargelegten FDP-Budgets für das Jahr 2002 in Höhe von insgesamt 31,5 Millionen Euro bildeten staatliche Mittel (26,3 Prozent) und sonstige Einnahmen (10,2 Prozent).
Das enttäuschende Ergebnis der Bundestagswahlen im September 2002 brachte die FDP in verschärfte Geldnot, denn sie hatte mit etwa zehn Prozent der Stimmen und entsprechenden Zuweisungen aus der Staatskasse gerechnet, erzielte aber tatsächlich nur 7,4 Prozent. Der Spendenfluß war ebenfalls weit unter den Erwartungen geblieben. Laut Rechenschaftsbericht für das Jahr 2003 mußte sie mehr als zwei Millionen Euro an Schuldzinsen zahlen. Die Höhe aller Verbindlichkeiten wurde mit 33,5 Millionen Euro angegeben. Mit einer Unterdeckung von 242.954 Euro verzeichnete die FDP als einzige der Bundestagsparteien in ihrer Bilanz ein Minus.
Die Möllemann-Affäre war ein weiterer Schlag ins Kontor, denn aufgrund der gefälschten Spendeneinzahlungen kamen auf Bundes- und Landespartei hohe Strafzahlungen und Rückforderungsanprüche für unberechtigt kassierte Staatsmittel zu. Unmittelbar nach Bekanntwerden von Möllemanns Finanzierungspraktiken forderte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse die FDP auf, bis zum 15. November 2002 den Betrag von 839.000 Euro an das Bundestagspräsidium abzuführen. Er stützte sich dabei auf Paragraph 23 a des Parteiengesetzes, demzufolge rechtswidrig angenommene Spenden an das Bundestagspräsidium abzuführen sind. Darüber hinaus mußte die FDP mit Sanktionen nach dem Parteiengesetz rechnen.
Um ihrer Finanznot abzuhelfen, wollte die FDP sogar von Gästen und Beobachtern des Bundesparteitags im Mai 2003 in Bremen eine "Tagungsgebühr" von 30 Euro verlangen. Nach einem Protestschreiben der Bundespressekonferenz verzichtete sie aber darauf. Der Tagungsbeitrag sei nicht als "Zwangsspende" an die FDP gedacht gewesen, versicherte Bundesgeschäftsführer Beerfeltz schlitzohrig. Man habe vielmehr den Eindruck vermeiden wollen, daß Pressevertreter durch kostenlose Inanspruchnahme von Dienstleistungen "in den Ruch einer Abhängigkeit von dieser Partei geraten".
Im Oktober 2004 forderte der Ältestenrat des Bundestags den FDP-Bundestagsabgeordneten Dirk Niebel auf, unverzüglich seine Spendenaufrufe über Parlamentseinrichtungen einzustellen. Niebel hatte jeweils am Schluß seiner offiziellen E-Mails aus dem Bundestag um Überweisung von Spenden auf das Wahlkampfkonto der FDP gebeten.
Trotz der Armut der Partei brauchten aber ihre Mandatsträger keineswegs am Hungertuch zu nagen. Wie üppig die Privatkonten gefüllt sein konnten, hatte soeben Möllemann verdeutlicht, der bei Bedarf eben mal eine Million Euro aus Luxemburg holte. Sein Nachfolger als Fraktionsvorsitzender der Düsseldorfer FDP, Ingo Wolf, kam auf mehr als 200.000 Euro jährlich an Einkünften aus parlamentarischer Tätigkeit und zusätzlicher Beamtenpension.
Auch die Spitzenangestellten der Partei brauchten nicht zu darben. Beispielsweise wurde der Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Manfred Eisenbach, mit rund 11.000 Euro im Monat besser bezahlt als ein Ministerialdirektor. Dennoch besserte der Hochbezahlte seine Einkünfte noch auf, indem er Dienstwagen der FDP-Fraktion, die er mit Sonderrabatten der Hersteller stark verbilligt eingekauft hatte, später zum normalen Listenpreis verkaufte und die Differenz in die eigene Tasche einstrich. Das soll jedenfalls der Grund gewesen sein, weshalb sich die Partei Knall auf Fall von ihm trennte.
Im Zusammenhang mit der Entlassung Eisenbachs stellte sich heraus, daß seit rund zwanzig Jahren ein Bankkonto existierte, das der damalige Fraktionschef Wolfgang Mischnick an seinem Urlaubsort St. Peter Ording angelegt hatte. Es soll für die Altersversorgung von Fraktionsmitgliedern bestimmt gewesen sein, obwohl gerade Bundestagsabgeordnete neben hohen Diäten über eine Pensionsregelung verfügen, um die sie jeder normale Bürger nur beneiden kann. Langjährige Mitglieder der FDP-Fraktion wie Burkhard Hirsch, Gerhart Baum, Irmgard Schwaetzer und Wolfgang Weng versicherten glaubhaft, nie etwas von dieser Vorsorgekasse gehört zu haben. Dennoch sollen bis Mitte der neunziger Jahre mehr als eine Million Mark auf dem Konto eingegangen sein, die angeblich aus vielen kleinen Einzelbeiträgen von Abgeordneten stammten. Wie der parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Koppelin weiter angab, wurde das Geld dann im Jahr 1994 durch einen Fraktionsbeschluß tatsächlich größtenteils für eine zusätzliche Altersversorgung von "Funktionsträgern" der Fraktion bei der Colonia-Versicherung eingezahlt. Der Restbetrag sei dann im Laufe der Jahre auf den jetzigen Kontostand von 180.000 Euro angewachsen und werde künftig im Haushaltsplan der Partei ausgewiesen.
Als die FDP im April 2003 Postenschacher und Korruption witterte, weil der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Werner Müller zum Vorstandsvorsitzenden des staatlich dominierten RAG-Konzerns ernannt worden war, geriet die von ihr beantragte Aktuelle Stunde im Bundestag zum Rohrkrepierer: Als Parallele zum Fall Müller wurde in der Debatte mehrfach der FDP-Politiker Martin Bangemann genannt, der unmittelbar nach seiner Tätigkeit als EU-Kommissar für den Telekommunikationsbereich am 1. Juli 2000 einen hochbezahlten Posten bei der spanischen "Telefonica" angenommen hatte. Der mehr als überversorgte ehemalige Bundeswirtschaftsminister und EU-Kommissar hatte den Hals nicht voll genug kriegen können, obwohl sein ohnehin ramponiertes Ansehen dadurch unter den Nullpunkt sank.
Angriffsflächen bot auch der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt, der als Bundesschatzmeister der FDP die finanziellen Machenschaften Möllemanns durchleuchtet hatte, bevor er im August 2004 einem Herzversagen erlag. "Ich könnte Ihnen lange Storys über Herrn Friderichs, Herrn Bangemann, Herrn Möllemann und Herrn Haussmann erzählen", hielt der SPD-Abgeordnete Wilhelm Schmidt der FDP entgegen, als der Bundestag auf deren Antrag Müllers Wechsel zur RAG debattierte. "Alle sind aus Ihren Reihen. Herr Rexrodt ist sicherheitshalber gar nicht hier, damit er auf seine intensive Verflechtung mit der Wirtschaft nicht angesprochen werden kann." Die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt, warf Rexrodt vor, daß er sich neben seiner Abgeordnetentätigkeit als Mitinhaber einer PR-Agentur betätige, die unter anderem den Stromkonzern E.ON und den Ölkonzern BP berate. Erst unlängst sei er öffentlich für die Ministererlaubnis im Fusionsfall E.ON/Ruhrgas eingetreten und habe im Wirtschaftsausschuß des Bundestag eine kritische Diskussion darüber unterbunden. Sie verwies ferner auf den früheren Düsseldorfer FDP-Landtagsabgeordneten und Möllemann-Mitstreiter Andreas Reichel, der Pressesprecher bei der RAG geworden sei.
Ende 2004 kam ans Tageslicht, daß der CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer und der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Hermann-Josef Arentz, auf der Gehaltsliste des RWE-Konzerns standen, obwohl sie für die üppigen Bezüge keine Gegenleistung erbrachten - jedenfalls nicht solche Gegenleistungen, wie sie normalerweise mit einem Angestelltenverhältnis verbunden sind. Beide mußten zurücktreten. Routinemäßig durchforschten Journalisten daraufhin die Angaben weiterer Mandatsträger und wurden auch bei anderen Parteien fündig. Bei der FDP war es Ulrike Flach, die mit ihrer vagen Auskunft im Bundestagshandbuch, sie sei "seit 1974 bei Siemens" beschäftigt, Neugier und weitere Nachforschungen auslöste. So stellte sich heraus, daß die FDP-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen von der Firma Siemens ein Gehalt von 60.000 Euro jährlich bezog. Ordentliche Gehaltsempfängerin war die FDP-Politikerin aber nur von 1974 bis 1998 gewesen, als sie tatsächlich Handbücher für Kernkraftwerke und ähnliches übersetzte. Danach floß das Geld ohne entsprechende Gegenleistung.
Zunächst behauptete Flach, sie habe neben ihrer umfangreichen politischen Tätigkeit tatsächlich noch für Siemens gearbeitet, indem sie zuhause Übersetzungen anfertigte. Manchmal habe sie sogar "Tag und Nacht" daran gesessen. Mit diesem Märchen konnte sie die Parteifreunde, die so kurz vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen keinen weiteren Skandal wollten, aber nicht lange beruhigen. Die Firma Siemens war nämlich nicht bereit, diese Darstellung zu stützen. Es wäre auch aussichtslos gewesen, denn in der Abteilung, in der Flach früher gearbeitet hatte, feixte man schon lange über das Gratis-Gehalt für die Ex-Kollegin, das zu den sonstigen Sparmaßnahmen der Firma wie die Faust aufs Auge paßte.
Ulrike Flach mußte unter diesen Umständen Ende Januar 2005 als stellvertretende Landesvorsitzende zurücktreten und den Vorsitz des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung abgeben. Auf letzteres legte die Partei auch deshalb Wert, weil gleichzeitig ein Versorgungsposten für die umstrittene Generalsekretärin Cornelia Pieper gesucht wurde. Allerdings eilte der Bildungspolitikerin Pieper ein ähnlich schlechter Ruf voraus wie der Generalsekretärin. Ulrike Flach bekam deshalb schon drei Wochen nach ihrem Rücktritt erneut eine hervorgehobene Position im Bildungsausschuß - diesmal als forschungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion.
Das "Schmieren" von Parteien und Politikern war in Deutschland inzwischen so verbreitet, daß der PR-Berater Moritz Hunzinger sein auf die "Kontaktpflege" zwischen Politik und Wirtschaft spezialisiertes Unternehmen 1998 sogar an die Börse bringen konnte. Dem Aufsichtsrat der Hunzinger Information AG gehörte seit Juli 2001 auch Martin Bangemann an, der ein Jahr zuvor den Beratervertrag mit der "Telefonica" unterschrieben hatte. Hunzinger rühmte sich, im Lauf der Jahre etwa sechshundert Politiker und sonstige Empfänger auf staatlicher Seite mit mehr oder weniger großen Summen bedacht zu haben. Zum Beispiel ließ er im Jahr 2002 den Grünen 7500 Euro dafür zukommen, daß deren Verbraucherministerin Renate Künast einen Vortrag in Hunzingers "Politischem Salon" gehalten hatte. Den Steuerzahler kostete die kleine Spende ein Vielfaches, weil Künast für die Anreise zu dem Vortrag ein Flugzeug der Bundesluftwaffe benutzte.
Außer Vorträgen, auf deren Substanz es nicht weiter ankam, bezahlte Hunzinger auch für die bloße Gelegenheit zur Teilnahme am Mittagessen mit Politikern. Wie er im April 2005 das Magazin "Focus" wissen ließ, hat er dem damaligen FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle zwischen 1995 und 1998 drei Schecks mit einer Gesamtsumme von 29.999,99 Mark ausgestellt. Ein Scheck habe mit 9999,99 Mark genau einen Pfennig unter der Grenze gelegen, ab der Abgeordnete Spenden für ihre politische Tätigkeit beim Bundestagspräsidenten anmelden müssen. Insgesamt habe sich Westerwelle "zwanzig- bis dreißigmal" im Auftrag seiner PR-Firma mit Kunden getroffen.
Während Westerwelle die vielen Begegnungen mit Hunzinger unbeschadet überstand, mußte Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) im Juli 2002 seinen Hut nehmen, weil er als Minister von Hunzinger eine sechsstellige Summe empfangen hatte und sich auf Kosten der PR-Firma sogar bei einem Herrenausstatter einkleiden ließ. Zur selben Zeit gab der grüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir sein Mandat zurück, obwohl er von Hunzinger lediglich einen günstigen Kredit angenommen hatte. Die Grünen demonstrierten damit, daß sie doch auf etwas strengere Sitten hielten als die FDP, für die selbst eine jährliche Gratis-Zuwendung von 60.000 Euro durch Siemens kein hinreichender Grund zu sein schien, eine Volksvertreterin ins Volk zurückzubeordern...
Der Kontakt mit Hunzinger wurde Anfang 2004 auch dem baden-württembergischen Wirtschaftsminister Walter Döring zum Verhängnis, der bis dahin als südwestdeutscher Landesvorsitzender und stellvertretender Bundesvorsitzender zu den einflußreichsten FDP-Politikern gehörte. Die Geschichte begann damit, daß Hunzinger dem Wirtschaftsminister am 6. Mai 1999 in einem persönlichen Gespräch anbot, bei einer der Meinungsumfragen des Infas-Instituts, das mit der Hunzinger Information AG verflochten war, kostenlos ein paar Fragen mitanzuhängen. Döring biß sofort an und übersandte Hunzinger schon am nächsten Tag per Fax aus seinem Ministerium eine längere Reihe von in Frage kommenden Themen. Wenige Tage später, am 11. Mai 1999, übersandte das Infas-Institut ein Angebot über 34.6550 Mark zuzüglich Mehrwertsteuer. Das bedeutete Gesamtkosten von 40.190 Mark. Der zunächst so großzügige Hunzinger wollte davon jedoch nur 30.000 Mark übernehmen. So verfiel man auf den Ausweg, die Differenz von 10.000 Mark mit einer Scheinrechnung auszugleichen, die das Infas-Institut an die Firma Flowwaste schickte. Denn dort saß als Geschäftsführerin die Parteifreundin Bettina Morlock - eine Nichte des baden-württembergischen FDP-Ehrenvorsitzenden Jürgen Morlock - und hatte sich bereiterklärt, den Betrag in Form einer steuerlich absetzbaren Betriebsausgabe zu spenden.
Die Meinungsumfrage wurde pünktlich zum vereinbarten Termin am 27. Mai 1999 fertig. Am folgenden Tag begann der Bundesparteitag der FDP in Bremen, auf dem Döring zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt wurde. Vor der Wahl ließ er schnell noch eine Kurzfassung der für ihn günstigen Meinungsumfrage an die Delegierten verteilen.
Die dubiose Spende wäre wohl nie ans Licht gekommen, wenn die Firma Flowwaste nicht eine Tochter der FlowTex Technologie GmbH & Co. KG gewesen wäre. Diese betrieb ein scheinbar florierendes Geschäft mit sogenannten Horizontalbohrmaschinen und galt als baden-württembergisches Vorzeigeunternehmen. Aber schon ein Jahr später entpuppte sich der Firmeninhaber Schmider als Wirtschaftskrimineller erster Güte, der mit Luftgeschäften einen Milliardenschaden verursacht hatte. Bei der Aufarbeitung des Flowtex-Skandals gerieten auch Politiker und Behörden ins Visier. Zum Beispiel soll der FDP-Ehrenvorsitzende Jürgen Morlock, der als Vorstandsvorsitzender der Baden Airpark AG ein mit Flowtex verbundenes Unternehmen leitete, Schmider salonfähig gemacht und ihm als Türöffner zur Landespolitik gedient haben. Konkrete Hinweise darauf, daß Politiker und Behörden bewußt ihre schützende Hand über einen Milliardenbetrüger gehalten hatten, ergaben sich allerdings nicht. Das handgreiflichste Ergebnis war die Flowwaste-Spende für Döring, die in Form einer Scheinrechnung für eine angebliche Analyse zu Rohstoffen in Ägypten von der Steuer abgesetzt worden war und damit den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllte.
Gegen Döring ermittelte nun die Staatsanwaltschaft wegen Vorteilsannahme und beantragte die Aufhebung seiner Immunität als Landtagsabgeordneter. Indessen beteuerte der Minister Anfang Mai 2004 im Landtag, "in dieser Angelegenheit ein absolut reines Gewissen" zu haben. Mit den Details der thematischen Gestaltung und finanziellen Abwicklung der Umfrage habe er nichts zu tun gehabt. Pathetisch rief Döring: "Sie können mich nicht treffen, sie können mich nicht brechen, ich werde weitermachen."
Das Leugnen half nichts: Am 18. Juni 2004 erklärte Döring seinen Rücktritt als Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident sowie als Landesvorsitzender und stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP. Das Landtagsmandat behielt er allerdings, weshalb am 17. Februar 2005 der Landtag erst die Aufhebung seiner Immunität beschließen mußte, um den Weg für die strafrechtliche Verfolgung frei zu machen. Inzwischen hatten nämlich die Ermittler bei der Durchsuchung von Dörings Ministerbüro und dem Privathaus seiner ehemaligen Büroleiterin Margot Haussmann - der Frau des früheren Bundeswirtschaftsministers Helmut Haussmann - genug belastendes Material gefunden, das seine Aussagen vor dem Flowtex- Untersuchungsausschuß des Landtags im März 2004 Lügen strafte. Die Vernehmung von Margot Haussmann hatte ebenfalls ergeben, daß Döring durchaus mit den Details der Umfrage und ihrer finanziellen Abwicklung befaßt war.
Ende März 2005 erließ das Amtsgericht Stuttgart gegen Döring einen Strafbefehl über neun Monate Haft zur Bewährung wegen uneidlicher Falschaussage vor dem Flowtex-Untersuchungsausschuß. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hatte er sich außerdem der Vorteilsannahme schuldig gemacht. Wegen Ablaufs der fünfjährigen Verjährungsfrist wurde dieses Verfahren jedoch eingestellt.
Der Peinlichkeit nicht genug: Wenige Wochen nach Döring mußte auch die FDP-Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck zurücktreten, weil sie den Parteifreund mehrmals telefonisch über den Stand der staatsanwaltlichen Ermittlungen informiert hatte. So soll sie ihm vorab mitgeteilt haben, daß bei Margot Haussmann belastende Unterlagen gefunden wurden. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren wegen der Verletzung von Dienstgeheimnissen ein.
Justizminister wurde nun der als integer geltende Ulrich Goll, der das Amt bereits von 1996 bis 2002 innegehabt hatte. Die Nachfolge Dörings als Wirtschaftsminister trat der bisherige Fraktionsvorsitzende Ernst Pfister an. Neue Landesvorsitzende der baden-württembergischen FDP wurde die Bundestagsabgeordnete Birgit Homburger. Zu ihrer Stellvertreterin wählten die Delegierten des Landesparteitags im Juli 2004 die noch amtierende Justizministerin Werwigk-Hertneck, obwohl deren Rücktritt nur noch eine Frage von Tagen war und bereits feststand, daß sie nicht zwischen Staatsamt und Partei zu unterscheiden wußte.
Trotz des tiefen Sturzes fiel Döring weich: Neben seinen Einkünften als Landtagsabgeordneter und Unternehmensberater erhielt er nun eine Ministerpension von monatlich rund 4300 Euro.