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Diese Anlage in Neustadt-Glewe versorgt seit 1994 mehr als 1300 Wohnungen und zwei Dutzend Gewerbekunden mit Fernwärme aus zwei Kilometer Tiefe. Außerdem beliefert sie ein Lederwerk mit Prozeßwärme. Seit Ende 2003 kann die Erdwärme auch zur Stromerzeugung verwendet werden. Es handelte sich um die erste derartige Anlage in Deutschland. Das Kleinkraftwerk mit einer Leistung von 115 Kilowatt befindet sich in dem Container rechts neben den beiden Industriekühltürmen. 

(Foto: Erdwärme Kraft GbR)

Erdwärme in Deutschland

Die direkte Nutzung für Heizzwecke ist erprobte Technik

Die Verwendung von Thermalwasser für Heiz- oder Bäderzwecke hat auch in Deutschland bereits Tradition und kann sich auf erprobte Technik stützen. In Betracht kommen vor allem das Oberrheintal, das Gebiet zwischen Donau und Alpen sowie die norddeutsche Tiefebene. Dies sind nämlich Gebiete, in denen sich wasserführende heiße Gesteinsschichten (Aquifere) in relativ geringer Tiefe anbohren lassen. Bis 1990 entstanden in der alten Bundesrepublik 15 geothermische Heizzentralen, die meistens in Süddeutschland angesiedelt waren und eine Leistung von insgesamt elf Megawatt aufwiesen.

Etwas weiter voran war die ehemalige DDR: Bei der Suche nach Erdöl hatte man dort im Bereich des norddeutschen Tiefbeckens beiläufig Thermalwasser entdeckt. Aufgrund der chronischen Energieknappheit der DDR-Wirtschaft wurde beschlossen, diese Vorkommen für die Fernheizung zu verwenden. In den achtziger Jahren entstanden so drei geothermische Heizzentralen in Neubrandenburg, Waren (Müritz) und Prenzlau, die mit einer Gesamtleistung von 22 Megawatt die bundesdeutsche Erdwärme-Leistung um das doppelte übertrafen. Weitere Heizzentralen waren in Neustadt/Glewe und Neuruppin geplant. Nach der Wiedervereinigung gerieten aber beide Projekte in finanzielle Schwierigkeiten, weshalb am Ende nur Neustadt/Glewe mit einer Leistung von 6,5 MW verwirklicht wurde.

Salzgehalt wie am Toten Meer

Derzeit gibt es in Deutschland etwa zwei Dutzend solcher geothermischer Anlagen mit Heizleistungen zwischen 100 Kilowatt und 20 MW. In der Regel ist das Thermalwasser allerdings stark mit Salzen belastet. Beispielsweise hat es in Neustadt-Glewe einen Salzgehalt, der nicht weit unter dem des Toten Meeres liegt. Das aus der Tiefe geförderte Wasser kann deshalb nicht direkt in den Heizkreislauf eingespeist oder für andere Zwecken verwendet werden. Man leitet es vielmehr in korrosionsgeschützten Rohren durch einen Wärmetauscher, in dem es seine Energie an den eigentlichen Heizkreislauf abgibt. Anschließend wird es durch ein zweites Bohrloch wieder in den Untergrund gepreßt (im Fachjargon wird diese Zwei-Löcher-Anordnung als "Dublette" bezeichnet).

Erding kommt mit einem Bohrloch aus

Lediglich in Süddeutschland ist es möglich, das Thermalwasser nicht nur zum Heizen, sondern anschließend auch als Trinkwasser zu verwenden. Dies geschieht beispielsweise in Erding bei München, wo man 1983 bei der Suche nach Ölvorkommen in einer Tiefe von 2350 Metern eine 65 Grad heiße Quelle entdeckt hatte. Das Erdinger Thermalwasser wird zuerst über einen Wärmetauscher für die Fernwärmeversorgung herangezogen und anschließend als Trinkwasser sowie für eine Thermalbad verwendet. Praktischerweise kommt man so mit nur einem Bohrloch aus und spart die Kosten für die "Injektionsbohrung".


Auf der Suche nach Thermalwasser wird man in Deutschland am ehesten im Alpenvorland, im Oberrheintal und in der norddeutschen Tiefebene fündig. Wenn es kein oder nicht genügend Thermalwasser im Untergrund gibt, lassen sich mittels tiefer Sonden oder der "Hot-Dry-Rock"-Technik auch künstliche Wasserkreisläufe zur Nutzung der Erdwärme erzeugen.


Tiefe Erdwärmesonden

Wenn es an natürlichen Thermalwasservorkommen mangelt, können kleinere Heizleistungen bis zu einigen hundert Kilowatt auch mit Erdsonden erschlossen werden: Dabei handelt es sich um Tiefbohrungen in heiße Gesteinsschichten, durch die man Wasser zirkulieren läßt, um die Wärme nach oben zu fördern und an den Ort des Verbrauchs zu bringen. Der Vor- und Rücklauf des Wassers erfolgt also durch dasselbe Bohrloch, wobei das umgebende Gestein als Wärmetauscher fungiert. Das Prinzip solcher tiefen Erdwärmesonden (>400 m) wurde Anfang der neunziger Jahre erstmals in der Schweiz erprobt. Man nutzte auf diese Weise bereits vorhandene Bohrungen, die bei der Suche nach Erdöl und Erdgas entstanden waren. In Deutschland wurde in Prenzlau eine bereits seit 1988 vorhandene Bohrung auf knapp 2800 Meter vertieft und zur Erdwärmesonde ausgebaut, die seit 1994 ins städtische Fernwärmenetz einspeist. Die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) in Aachen plant eine 2500 Meter tiefe Bohrung, die 80 Prozent des Wärme- und Kühlungsbedarf ihres neuen Studentischen Servicecenters decken soll. In Arnsberg im Sauerland soll eine rund drei Kilometer tiefe Sonde etwa 75 Prozent des Wärmebedarfs für ein Freizeitbad und eine benachbarte Sporthalle liefern.

Diese tiefen Sonden zapfen tatsächlich die Erdwärme an können sie unmittelbar für Heizzwecke bereitstellen. Davon zu unterscheiden sind oberflächennahe Erdwärmesonden, die allenfalls bis zu 400 Meter unter die Erdoberfläche reichen und das dort herrschende Temperaturniveau, das im wesentlichen von der Sonneneinstrahlung bestimmt wird, für den Betrieb von Wärmepumpen erschließen. Die normale Tiefensonde ist ferner zu unterscheiden vom Einsonden-Zweischichtverfahren zur Erschließung von Aquiferen.

Mehr Wärme durch "Hot-Dry-Rock"

Erdsonden können zwar je nach Bohrtiefe hohe Temperaturen, aber insgesamt nur bescheidene thermische Leistungen liefern, da sich die Austauschfläche mit dem heißen Gestein auf das Bohrloch beschränkt. Die Universität Bochum erwog deshalb eine andere Möglichkeit, um Erdwärme auch ohne natürliche Thermalwasservorkommen nutzen zu können. Es handelte sich um das "Hot-Dry-Rock"-Verfahren, das ursprünglich mit Blick auf die Stromerzeugung entwickelt wurde (siehe Hei¤es Gestein als W¹rmetauscher). Dabei wird das zwischen zwei Bohrlöchern liegende Gestein wasserdurchlässig gemacht, so daß es als großflächiger Wärmetauscher fungiert, wenn man durch die Bohrungen Wasser zirkulieren läßt. In Bochum sollten im Abstand von 500 Metern zwei vier Kilometer tiefe Bohrungen niedergebracht werden. Man wollte auf diese Weise nicht nur ein Gebäude beheizen, sondern den Grundbedarf an Wärme für die gesamte Universität sicherstellen. Das Projekt mit dem Namen "Prometheus" wurde Ende 2005 angekündigt und sollte vom Energiekonzern RWE unterstützt werden. Es verlief dann aber im Sande, weil offenbar die erforderlichen Mittel fehlten.



Beispiele für Erdwärme-Nutzungen in Deutschland*

H = Heizung        S =Sole/Badewasser      
Land
Ort
Geothermische Leistung in MW
Nutzung
Temperatur in °C
Baden-
Württemberg
Baden-Baden
0,44
H, S
70
Bad Urach
1
H, S
58
Bad Waldsee
0,44
H, S
30
Biberach
1,17
S
49
Buchau
1,13
H, S
48
Konstanz
0,62
H, S
29
Bayern
Birnbach
1,4
H, S
70
Erding
9
H
65
Füssing
0,41
H, S
56
Simbach-Braunau
5,4

80,5
Staffelstein
1,7
H, S
54
Straubing
6
H
36
Unterschleißheim
12
H
81
Weiden
0,2
H, S
26
Brandenburg
Prenzlau
0,5
H

Hessen
Wiesbaden
1,76
H, S
69
Mecklenburg-
Vorpommern
Neubrandenburg
10
H
54
Waren (Müritz)
5,2
H
65
Nordrhein-Westf.
Aachen
0,82
H, S
68

* nach Angaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) in der Broschüre "Geothermie - Energie für die Zukunft" (Stand September 2004)