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Schematische Darstellung einer "Hot-Dry-Rock"-Anlage (mit zwei Produktionsbohrungen)

Heißes Gestein als Wärmetauscher


Beim "Hot-Dry-Rock"-Verfahren ist man nicht auf Thermalwasser im Untergrund angewiesen


Der größte Teil aller Kosten von Geothermie-Projekten entfällt auf die Bohrungen. Es wäre deshalb schon viel gewonnen, wenn man das beträchtliche Risiko von Fehlbohrungen mindern oder gar beseitigen könnte. Genauer gesagt: Wenn man bei Bohrungen nicht darauf angewiesen wäre, wasserführende Gesteinsschichten mit einer ausreichenden Temperatur und Schüttung zu treffen, sondern heißes Gestein schon genügen würde. Denn was sich beim Vorstoß in die Tiefe mit Sicherheit erzielen läßt, sind höhere Temperaturen. Vor allem gilt dies für die bereits erwähnten Gebiete im Oberrheingraben, im Alpenvorland und in Norddeutschland, wo die Temperatur in der Tiefe besonders schnell ansteigt. Das dort vorhandene heiße Gestein könnte grundsätzlich ebenso als Energiespeicher dienen wie Thermalwasser. Man hat errechnet, daß ein trockener, kristalliner Gesteinsblock von der Größe eines Kubikkilometers ein Kraftwerk dreißig Jahre lang mit einer Wärmeleistung von 300 Megawatt versorgen könnte, wenn er von 200 auf 100 Grad Celsius abgekühlt würde. Oder daß ein Granitblock dieser Größe und Temperatur bei Abkühlung um 20 Grad zwanzig Jahre lang die Energie für eine elektrische Leistung von 10 Megawatt liefern könne.

Aber wie könnte es gelingen, die Wärme aus mehreren tausend Metern Tiefe an die Oberfläche zu bringen? - Die Antwort auf diese Frage kam aus dem US-amerikanischen Atombombenversuchszentrum Los Alamos. Dort hatte man 1970 bei unterirdischen Nukleartests beiläufig entdeckt, daß hoher Druck in festem Gestein genug Spalten und Risse entstehen läßt, um es wasserdurchlässig zu machen. Es lag nahe, diese Erkenntnis für die Geothermie zu nutzen, zumal zwei Jahre später die Ölpreiskrise die Suche nach alternativen Energien beflügelte. Die Idee bestand darin, in festem Gestein zunächst zwei benachbarte Bohrungen niederzubringen. Anschließend wird das zwischen den Enden der beiden Bohrlöchern liegende Gestein durch Einpumpen von Wasser unter hohen Druck gesetzt, so daß künstliche Spalten und Risse entstehen, die es wasserdurchlässig machen. Wenn man nun kaltes Wasser in das eine Bohrloch einspeist, durchläuft es die aufgebrochene heiße Gesteinsschicht wie einen Wärmetauscher und kann am anderen Bohrloch als Heißwasser entnommen werden.

Daß die Sache im Prinzip funktionierte, bewies 1977 eine Testanlage in Los Alamos, die nach einer hydraulischen Sprengung in fünf Kilometer Tiefe 75 Tage lang rund fünf Megawatt Wärme lieferte. Fortan setzte man große Hoffnungen in das neue "Hot-Dry-Rock-Verfahren" (HDR), da es weitgehend unabhängig von geologischen Voraussetzungen eine ergiebige Stromproduktion versprach.

Das Forschungsprojekt Soultz-sous-Forêts

Auch in Deutschland erforschte man das neue "Hot-Dry-Rock-Verfahren" auf seine Brauchbarkeit für die Stromerzeugung aus Erdwärme. Ende der siebziger Jahre starteten entsprechende Projekte in der Oberpfalz (Falkenberg 1977 - 1986) und an der Schwäbischen Alb (Urach 1977 - 1996). Die dabei gewonnenen Erkenntnisse mündeten 1987 in ein deutsch-französisches Forschungsprojekt im elsässischen Soultz-sous-Forêts, an dem sich später auch Forscher aus Großbritannien, Italien, Schweden und der Schweiz beteiligten. Der Ort in den Vogesen wurde deshalb ausgewählt, weil man von vorangegangenen Ölbohrungen wußte, daß hier in tausend Meter Tiefe bereits Temperaturen von 100 Grad statt der üblicherweise zu erwartenden 30 bis 60 Grad herrschen.

Als erstes bohrte man in Soultz zwei Löcher von 3,6 und 3,9 Kilometer Tiefe, die an ihren Enden etwa 450 Meter auseinander lagen. Das kürzere solllte als "Injektions-" und das längere als "Förderbohrung" dienen. Damit der geplante Wasserkreislauf durch das etwa 140 Grad heiße Gestein zustande kommen konnte, wurde durch die beiden Bohrlöcher Wasser mit Drücken bis zu 150 bar in den Untergrund verpreßt. Unter dem hohen Druck öffneten und weiteten sich die bereits im Untergrund vorhandene Risse. So entstand um die beiden Bohrlöcher herum ein geothermischer Wärmetauscher mit einer Fläche von etwa drei Quadratkilometern. 1997 fand ein vier Monate dauernder "Zirkulationstest" statt, bei dem Wasser in die Injektionsbohrung hineingepreßt und durch die Förderbohrung wieder abgesaugt wurde. Er ergab eine Wärmeleistung von 11 Megawatt.

Diese 11 Megawatt Wärmeleistung des ersten Zirkulationstests in Soultz hätte mühelos ausgereicht, um ein größeres Wohngebiet zu beheizen. Das Wasser war aber "nur" etwa 140 Grad heiß. Deshalb wäre bei der Umwandlung in elektrische Energie nur ein Wirkungsgrad von etwa zehn Prozent zu erwarten gewesen. Das heißt, man hätte mit den 11 Megawatt Wärmeleistung ein Kraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 1 Megawatt betreiben können. Außerdem benötigten allein schon die beiden Pumpen eine Leistung von 250 Kilowatt. Nach Abzug des Eigenbedarfs hätte die Leistung des Mini-Kraftwerks deshalb nur noch 750 Kilowatt betragen.

Um höhere Temperaturen und dadurch einen besseren Wirkungsgrad bei der Umwandlung in elektrische Energie zu erreichen, wurde die Bohrung in Soultz-sous-Forêts 1997 auf über 5000 Meter vertieft. Hier stieß man auf eine Temperatur von 200 Grad, was die Möglichkeit eröffnete, ein Kraftwerk mit einer Dampftemperatur von 180 Grad zu betreiben. Zugleich wurden erhebliche Anstrengungen unternommen, um das Volumen des unterirdischen Wärmetauschers und des Wasserkreislaufs zu erhöhen. Ziel ist ein Pilotkraftwerk mit einer elektrischen Leistung von etwa 6 Megawatt, das mindestens zwanzig Jahre lang in Betrieb bleiben könnte. Über eine Injektions- und zwei Förderbohrungen sollen pro Sekunde hundert Liter Wasser durch den unterirdischen Wärmetauscher transportiert werden.