Die revolutionären Umwälzungen in den linksrheinischen Gebieten bescherten der Quadratestadt, die damals etwa 18000 Einwohner zählte, neben der "Mannheimer Zeitung" eine zweite Zeitung mit politischem Charakter. Es handelte sich um die "Gazette universelle de politique et de litterature des Deux-Ponts", die seit 1769 in Zweibrücken erschien und weite Verbreitung an den Höfen und bei den Gebildeten Süddeutschlands genoß. Das Blatt erschien seit I786 täglich. Sein Herausgeber war Jean Pierre Solome, Geheimer Rat des Herzogs Karl-August von Zweibrücken. Der "verkommene Lüstling" Karl-August gehörte zu jenen Potentaten, die vor den Revolutionssoldaten das Weite suchten. Im Februar 1793 setzte er sich auf das rechte Rheinufer ab und hoffte bei seinem Verwandten, dem ebenfalls revolutionsgeschädigten Kurfürsten von der Pfalz, auf bessere Zeiten. Sein Zeitungsmacher Solome folgte ihm ein halbes Jahr später. Am 6. November 1793 beantragte Solome das Privileg für die weitere Herausgabe der "Gazette des Deux-Ponts" in Mannheim. Schon neun Tage später wurde dem Antrag stattgegeben. Seit Januar 1794 wurde die "Gazette des Deux-Ponts" von Mannheim aus verschickt.
Die Belagerung Mannheims durch die kaiserlichen Truppen verhinderte vom 13. bis zum 25. November 1795 das Erscheinen der Zeitung, "parce que les nouvelles nous ont totalement manque" (weil uns die Nachrichten völlig gefehlt haben). Weitere Gründe für das Nichterscheinen dürften das mörderische Bombardement gewesen sein, das die Stadt in Schutt und Asche legte, und die Blockade des Vertriebs, denn die wenigsten Leser des Elite-Blattes saßen in Mannheim. Am 11. September brachte die "Gazette des Deux-Ponts" nachträglich ein "Supplement" mit solchen Nachrichten, "die uns während des Aufenthalts der Franzosen in Mannheim nicht erreichen konnten".
Die "Gazette des Deux-Ponts" war anspruchsvoller, aber nicht minder fürstentreu als die "Mannheimer Zeitung". Bei den Franzosen erfreute sich das französischsprachige Blatt vielleicht der Beachtung, aber keiner Beliebtheit. Sie witterten in ihm nicht zu Unrecht den Anwalt legitimistischer Interessen. Als Solome 1797 den Markgrafen von Baden darum ersuchte, den Verlag nach Kehl verlegen zu dürfen - die Druckerei und die Redaktion sollten sich sogar in Straßburg befinden - lehnte die markgräfliche Regierung kategorisch ab. Baden wollte seine Beziehungen zu Frankreich nicht unnötig durch Begünstigung eines solchen Blatts belasten. Ein Jahr später wurde die "Gazette des Deux-Ponts" in Straßburg verboten, weil sie angeblich schweizerische Interessen vertrat und unter dem Namen einer französischen Stadt erschien (Deux-Ponts = Zweibrücken war 1798 mit dem österreichischen Verzicht auf die linksrheinischen Gebiete an Frankreich gelangt). Solome änderte deshalb den Titel im Juli 1798 in "Journal politique de l'Europe, faisant suite a la Gazette des Deux-Ponts".
Solome wohnte zu dieser Zeit nicht mehr in Mannheim, sondern war nach Heidelberg gezogen. Er dürfte sich in der Stadt, in der seine Zeitung erschien, nie sonderlich heimisch gefühlt haben: Der Standort zweier fürstentreuer Blätter war eine Hochburg der Rebellion. Ende Januar 1798 geriet die Stimmung in der Stadt auf den Siedepunkt. Die leitenden Behörden rieten dem Kurfürsten zu militärischen Maßnahmen, um "der täglich auch hier zweideutig werdenden Stimmung der Bürgerschaft" notfalls mit Waffengewalt entgegentreten zu können. Als es am 25. Januar so aussah, als wollten die Franzosen erneut zum Sturm auf die Festung Mannheim antreten - sie hatten es in Wirklichkeit nur auf die Rheinschanze am anderen Ufer abgesehen - schrie die Bevölkerung in den Straßen der Stadt bereits begeistert "Ca ira!"
Eine Schweizer Zeitung - nicht etwa die "Gazette des Deux-Ponts" oder die ''Mannheimer Zeitung" - brachte am 21. März 1798 eine Meldung aus Paris, wonach Deputierte aus Mannheim beim Direktorium die Republikanisierung der Pfalz und ihre Vereinigung mit Frankreich betrieben. Andere wollten wissen, daß lediglich der Anschluß Mannheims an Frankreich beabsichtigt sei, und daß zu diesem Zweck eine Petition mit 400 Unterschriften nach Paris abgegangen sei. Aktenkundig, da von der Polizei konfisziert, ist eine Flugschrift aus diesem Jahr, in der den Mannheimern der Anschluß an das große fortschrittliche Nachbarland schmackhaft gemacht wurde.
Die großen Erwartungen, die damals der überwiegende Teil der Mannheimer Bürgerschaft in Frankreich setzte, waren freilich von der Entwicklung bereits überholt. Die aufsteigende Phase der Revolution war 1795 mit dem Machtantritt des Direktoriums abgeschlossen worden. Im Direktorium übte jene Teile des Bürgertums den bestimmenden Einfluß aus, die nicht mehr den Umsturz, sondern den Ausgleich mit der europäischen Feudalordnung anstrebte.
Diese Abkehr von den alten revolutionären Zielen wurde offenbar, nachdem die Franzosen am 1. März 1799 durch einen Handstreich wieder in den Besitz der Festung Mannheim gekommen waren. Zwei Tage nach der Einnahme erließ der kommandierende General Bernadotte ein Dekret, das noch recht revolutionär klang. Außerdem stellte er besondere Redner an, um die Bevölkerung mit den Grundsätzen der republikanischen Ordnung vertraut zu machen. Der Kurfürst protestierte in Paris. Das Direktorium beruhigte den pfälzischen Gesandten: Es bestehe "ebensowenig die Absicht, das Land zu revolutionieren, wie es zu erobern". Der französische Außenminister Talleyrand richtete an Bernadotte die Aufforderung, das kurpfälzische Gebiet mit der Achtung und Schonung zu behandeln, "die das Direktorium gegen einen Fürsten beobachten will, den es von seinem Vorgänger zu unterscheiden weiß und von dem es ganz verschiedenes Betragen erwartet".
Diese Erklärung, die zwischen "guten" und "schlechten" Fürsten unterschied, wandte sich von den ursprünglichen Prinzipien der Revolution ab. Wer fortan noch in Mannheim auf die Beseitigung des einheimischen Systems mit Hilfe Frankreichs hoffte, machte sich Illusionen.
Kurfürst Karl Theodor war am 16. Februar 1799 in seiner neuen Residenz München gestorben. Da er keine legitimen Kinder hinterließ, fiel die Kurpfalz an die Zweibrücker Linie des Hauses Wittelsbach. Der geflüchtete Herzog vor Zweibrücken, Karl-August, hatte bereits 1795 das Zeitliche gesegnet. In die Erbfolge trat daher dessen jüngerer Bruder Max Joseph, der schon 1790 beim Ausbruch der Revolution aus Straßburg geflohen war und bis I797 in Mannheim lebte. Es war dieser Max Joseph, der gerade erst den kurpfälzischen Thron bestiegen hatte, auf den sich Talleyrands oben zitierte Worte bezogen.
Solomes "Journal de l'Europe" gewann mit dem Regierungsantritt von Max Joseph noch an Gewicht. Das exilierte Blatt konnte sich jetzt als Regierungsorgan betrachten. Das erlegte freilich auch Verpflichtungen auf. Solange die Kurpfalz einen quasi-neutralen Kurs zwischen Frankreich und dem kaiserlichen Lager beachtete, durfte das "Journal de l'Europe" keine Berichte bringen, die Frankreich verletzen konnten. Auf der anderen Seite verstand es sich von selbst, daß die Zeitung mit den alten Mächten sympathisierte.
Am 1O. August 1799 erhielt Solome von Max Joseph ein neues Privileg für die Herausgabe seiner französischsprachigen Zeitung mit dem Titel "Journal politique de Mannheim". Solomes Absicht, eine eigene Druckerei und einen Verlag zur Herausgabe der Zeitung und anderer Werke zu gründen, stieß auf den Widerstand der eingesessenen Drucker. Sie erinnerten den Kurfürsten daran, daß auf dem Höhepunkt der Residenz drei Buchhandlungen und eine Druckerei für die Bedürfnisse der Stadt genügt hätten. Heute teilten sich dagegen sieben Buchhandlungen und zwei Druckereien in den kleiner gewordenen Kuchen. Sie warfen Solome ferner vor, daß er Ausländer sei, keine Lehre absolviert habe und Verachtung für Mannheim bezeugt habe, indem er die Zeitung an anderen Orten zu etablieren versuchte. Die kurpfälzische Regierung forderte darauf Solome zu einer Stellungnahme auf. Insgeheim dürfte die Entscheidung schon festgestanden haben; nicht umsonst verfügte Solome über die besten Beziehungen zu dem neuen Fürsten. Am 2. Februar 1801 erging denn auch ein kurfürstlicher Beschluß, der Solome sowohl den Druck und Verlag seiner "mit Beifall zum Vortheile des Staates" erscheinenden Zeitung als auch anderer Werke in eigener Regie gestattete.
Solome kam nicht mehr dazu, von dieser Erlaubnis Gebrauch zumachen. Er starb im gleichen Jahr. "In Erwägung der allgemein anerkannten Verdienste, dann der unserem Hause in vorigen Zeiten geleisteten Dienste des Rats Solome" gewährte der Kurfürst seiner Witwe und den Kindern die Fortführung des Blattes.
Bei der Entschädigung der deutschen Fürsten für die Verluste auf linksrheinischer Seite durch den Reichsdeputationshauptschluß wurde der größte Teil der restlichen Kurpfalz mit den Städten Mannheim und Heidelberg am 3. November 1802 dem Großherzogtum Baden zugeschlagen. Der ehemalige Kurfürst Max Joseph durfte sich mit der neuen Würde eines Königs von Bayern schmücken.
Außer völlig zerrütteten Finanzen brachte Mannheim einen Aktivposten in das neue Großherzogtum Baden ein, nämlich zwei tonangebende politische Blätter in Gestalt des "Journal politique de Mannheim" und der "Mannheimer Zeitung", denen sich 1808 die "Rheinische Bundes-Zeitung" zugesellte. Nicht die Residenz Karlsruhe, sondern die kurpfälzische Ex-Residenz an Rhein und Neckar beherbergte die führenden Zeitungen Badens und des deutschen Südwestens. Am Journal politique wirkte zur Unterstützung der Witwe Solome seit 1801 Ernst Andreas Lamey, der Sohn des kurpfälzischen Hofrats und Begründers der "Mannheimer Zeitung". Dem Redakteur Lamey war noch zu kurpfälzischen Zeiten die Anstellung und Versorgung im Staatsdienst versprochen worden, wahrscheinlich im Hinblick auf bessere Tage, denn der Großteil der kurpfälzischen Beamtenschaft nagte damals infolge zu geringer oder ausbleibender Bezüge am Hungertuch. Der badische Großherzog als neuer Landesherr entschädigte Lamey dann, indem er ihm 1806 die Fortführung der "Mannheimer Zeitung" seines Vaters übertrug, der 1802 gestorben war. 1807 erhielt Lamey das Verlagsrecht der Zeitung für weitere dreißig Jahre und außerdem den Titel eines großherzoglichen Rats.
Lamey scheint einen gesunden Appetit auf Pfründen entwickelt zu haben. Erfolglos bemühte er sich darum, das ausschließliche Privileg für die Herausgabe einer deutschsprachigen politischen Zeitung zu erhalten, was die Ausschaltung der "Rheinischen Bundes-Zeitung" bedeutet hätte. 181O versuchte er, sich das Druck-Privileg zu sichern, wogegen jedoch die Druckerei Kaufmann und die Hospitaldruckerei auftraten.
Solange Lamey beim Journal politique die Feder führte, sind keine Beschwerden von französischer Seite bekannt geworden. Erst nach seinem Weggang 1806 geriet das Blatt ins Visier der napoleonischen Kritik. Im März 1807 beschwerte sich der französische Gesandte in Karlsruhe, der zu den wichtigsten Persönlichkeiten am Hofe gehörte, über einen Artikel, der den Interessen Frankreichs abträglich sei. Dies wiederholte sich im Januar 1808. Der neue Gesandte August Talleyrand (seit März 1808) studierte das führende Blatt des Großherzogtums erst recht mit Argusaugen. Als das Journal politique am 8. Mai ein Rundschreiben des Papstes abdruckte, fand Talleyrand dadurch den Willen Napoleons verletzt, der sich jede öffentliche Erörterung seiner Händel mit der Kurie verbeten hatte. Der badische Minister von Edelsheim beschwichtigte ihn mit der Zusage, das Blatt auf acht Tage verbieten zu lassen, was dann aber offensichtlich doch nicht erfolgt ist. Die Angelegenheit drang bis zu Napoleon, der den Wunsch äußerte, daß entlang der Grenze überhaupt keine Zeitung mehr in französischer Sprache erscheine. Die badische Regierung packte die Franzosen an ihrem bürgerlichen Portepee: Sie rechnete vor, welche Kosten ihr das Verbot einer privilegierten Zeitung durch Entschädigung des Eigentümers bereiten würde. Freilich, falls der Kaiser dennoch auf der Unterdrückung des "Journal politique de Mannheim" bestehe, so werde ihm der Großherzog als erneuten Beweis seiner Ergebenheit auch dieses Opfer bringen...
Zu seinem Pech erschien das Journal politique in französischer Sprache. Wahrscheinlich wäre es sonst nicht so häufig ins Visier der Franzosen geraten. Am Ende mußte es sogar für einen Faux pas büßen, den die am gleichen Ort erscheinende "Rheinische Bundes-Zeitung" beging. Diese hatte am 3. Dezember 1808 einen Artikel über die Schlacht von Eylau verbreitet, der die Bemerkung enthielt, Rußland und Preußen hätten den Vorteil ihres "Sieges" nicht ausgenutzt, und dem Zaren verblümt vorwarf, er habe sein Treuewort gegenüber Preußen nicht gehalten. Der Artikel wurde von anderen Zeitungen aufgenommen und vergrämte sowohl in Paris wie in Petersburg, Die Franzosen verdächtigten sogleich das Journal politique der Urheberschaft und erzwangen dessen Suspension. Nachdem die "Rheinische Bundes-Zeitung" als Sündenbock ermittelt war, wurde auf Betreiben des französischen und russischen Gesandten auch dieses Blatt verboten. Die anfänglich erteilte Erlaubnis zum Weitererscheinen des Journal politique mußte von der badischen Regierung wieder zurückgenommen werden, weil die Franzosen auf der Unterdrückung beharrten. Die badische Regierung wußte sich jedoch zu helfen. Sie tat der Form Genüge, indem sie ihre diplomatische Postille ab 11. März 1809 den Titel "Nouvelles litteraires et politiques" annehmen ließ. Das Blatt war außerdem gehalten, zumindest an den Anfang eine literarische Nachricht zu stellen.
Die Titeländerung scheint einige Leser irritiert zu haben. Die Witwe Solome bat im September 1810 darum, die Bezeichnung "Journal de Mannheim" verwenden zu dürfen. Sie habe wegen des veränderten Titels ein Drittel der Abonnenten verloren, nämlich 200 von insgesamt 600 im Jahre 1806. - Eine recht interessante Mitteilung, die eine Vorstellung von der damaligen Auflagenhöhe und dem Bezieherkreis politischer Blätter vermittelt.
Die Bitte der Witwe Solome um erneute Titeländerung wurde abgeschlagen. Die Tage der Zeitung waren ohnehin gezählt. Kurz darauf erregten einige unvorsichtige, aber durchaus zutreffende Notizen der Freiburger Zeitung über den Kriegsverlauf derart den Unwillen Napoleons, daß er die ganze badische Presse auf einen Schlag verbieten ließ.