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Mannheim 1945: Zwischen Rhein und Neckar dehnt sich eine einzige Trümmerlandschaft. Am Horizont erkennt man die ausgebrannten Ruinen des Schlosses, die sich über die gesamte Bildbreite erstrecken. Im Vordergrund die Straße zwischen den Quadraten Q 1 und Q 2, welche zuerst die "Freßgass" und dann die "Planken" kreuzt. Links an den "Planken" die Ruine des Hauptpostamtes. Rechts dahinter, am Paradeplatz, die Ruine des Rathauses.

Kuhhandel mit der NSDAP

Wie sich Bode und Bauser mit dem "Hakenkreuzbanner" einigten

Insgeheim scheint Huck die Hoffnung gehegt zu haben, die "Neue Mannheimer Zeitung" eines Tages zurückerwerben zu können, als er sie 1933 den neuen Besitzern Bode und Bauser überließ. Dafür spricht der Umstand, daß er lediglich das Inventar und die Verlagsrechte veräußerte, nicht aber Grundstück und Gebäude, für die ein Pachtverhältnis vereinbart wurde.

Angesichts der bereits skizzierten Pressepolitik der NSDAP mußte sich diese Hoffnung als trügerisch erweisen. Im Dezember 1935 mußte Huck seine Anteile am Stuttgarter Zeitungsverlag an die "Vera", eine Pressegesellschaft der NSDAP, übertragen. Dann mußte er den "Stettiner Generalanzeiger", die "Breslauer Neueste Nachrichten" und die "Kasseler Neueste Nachrichten" an dieselbe Gesellschaft verkaufen. Er selbst durfte nur noch die "Dresdener Neueste Nachrichten" behalten, das feinste Blatt seines ehemaligen Konzerns. Immerhin gelang es ihm, die "Hallischen Nachrichten" und die "Münchener Zeitung" auf zwei minderjährige Neffen übertragen zu lassen. (106)

Am wenigsten dürfte es Huck noch geschmerzt haben, als er zum 1. Januar 1939 auf Grundstück und Gebäude der "Neuen Mannheimer Zeitung" zugunsten der NSDAP verzichtete. Jeder Hoffnung, den Zeitungsbetrieb zurückerwerben zu können, war inzwischen die Grundlage entzogen worden.

Umso härter traf die Grundstücksübertragung Bode und Bauser, die neuen Besitzer der "Neuen Mannheimer Zeitung". Noch im selben Monat erhielten sie Besuch von zwei Beauftragten der Reichspressekammer. Die Herren aus Berlin eröffneten den Verlegern, daß Grundstück und Gebäude ihres Betriebs nunmehr dem "Hakenkreuzbanner" gehörten.

Wie schon mehrfach erwähnt, hatte sich das "Hakenkreuzbanner" Anfang 1933 in den Räumen der ehemaligen "Volksstimme" eingenistet. Seine Auflage hatte sich binnen kurzer Zeit vervielfacht. Wurde sie vor der Machtergreifung noch schamhaft verschwiegen, so betrug sie jetzt über 60000 Exemplare Dagegen druckte die "Neue Mannheimer Zeitung" täglich nur 23000 und das "Mannheimer Neue Tageblatt" nur 15000 Exemplare. Die zweimal täglich erscheinende Zeitung firmierte als "das nationalsozialistische Kampfblatt Nordwestbadens". Von ihren 60000 Exemplaren (Stand Mitte 1939) wurden 7700 in Schwetzingen und 4450 in Weinheim abgesetzt.

Noch immer aber hauste das "Hakenkreuzbanner" in den geraubten Räumen der ehemaligen "Volksstimme" in R 3 und druckte auf einer über 50 Jahre alten Rotationsmaschine, die nur einen Umfang von 32 Seiten erlaubte. Die weitaus auflagenschwächere "Neue Mannheimer Zeitung" saß dagegen nach wie vor in dem prachtvollen Bassermann-Palais am Marktplatz, in erstklassiger Lage, mit erstklassigen Gebäuden und modernsten Maschinen. Zum Beispiel war die Rotationsmaschine der "Neuen Mannheimer Zeitung" gerade 10 Jahre alt und druckte in einem Produktionsablauf doppelt soviele Seiten wie die des "Hakenkreuzbanners".

Nach Meinung der NSDAP war es deshalb an der Zeit, den Besitzstand beider Zeitungen zu vertauschen: Die "Neue Mannheimer Zeitung" sollte in die Räumlichkeiten in R 3, das "Hakenkreuzbanner" ins Bassermann-Palais einziehen. Zudem sollte das amtliche Parteiorgan zur Hälfte an Druckerei und Verlag der "Neuen Mannheimer Zeitung" beteiligt werden - Grundstück und Gebäude gehörten ja ohnehin bereits der NSDAP.

Für den Fall, daß sich die Geschäftspartner widerspenstig zeigen sollten, hielt die NSDAP ein Druckmittel bereit: Sie drohte, das "Mannheimer Neue Tageblatt" so stark zu machen, daß Bode und Bauser bald in die roten Zahlen geraten würden.

Es blieb bei der Drohung. Man einigte sich gütlich. Bode und Bauser rückten die gewünschte Beteiligung an ihrem Betrieb heraus; die Nazi-Partei opferte dafür das "Mannheimer Neue Tageblatt".

Mitte Juli 1939 war der Vertrag perfekt: Das "Mannheimer Neue Tageblatt" stellte ab 1. August sein Erscheinen ein. Seine Leser erhielten fortan die "Neue Mannheimer Zeitung". Im Gegenzug wurde das "Hakenkreuzbanner" mit einem Drittel am Zeitungsbetrieb beteiligt. Jene Teile der Druckerei, die nichts mit der Zeitungsherstellung zu tun hatten (die sogenannte Akzidenz-Druckerei), wurden künftig getrennt geführt und in "Mannheimer Großdruckerei" umbenannt. Das "Hakenkreuzbanner" stellte seine eigene Akzidenzdruckerei ein und wurde dafür zur Hälfte an der "Mannheimer Großdruckerei mbH" beteiligt. Die Rotationsmaschine der "Neuen Mannheimer Zeitung" ging für 180000 Mark in Eigentum des "Hakenkreuzbanner" über; sie verblieb aber am alten Ort und wurde ihren bisherigen Benutzern weiterhin pachtweise überlassen.

Es war für beide Seiten ein gedeihliches Geschäft. Die Auflage der "Neuen Mannheimer Zeitung" wuchs ständig. Bald hatte sie 40000 Abonnenten. Der Reingewinn betrug jährlich 300000 bis 400000 Mark. Spielend konnte nun auch die Abfindung für den ehemaligen Gesellschafter Geisel aufgebracht werden. Im Grunde war das erzwungene Ausscheiden Geisels für die übrigen Teilhaber ein gutes Geschäft, denn alles, was nicht als betriebsbedingte Ausgaben vom Reingewinn abgezweigt werden konnte, mußte in den nun einsetzenden Kriegsjahren zur Finanzierung der faschistischen Rüstungsindustrie abgeführt werden.

Bevor sie das, was in der Bilanz nicht anders unterzubringen war, als Kriegsgewinnabgabe abführten, zogen die Verleger natürlich ab, was zu einer standesgemäßen Lebensführung als Unternehmer erforderlich war. Auch sonst waren sie recht findig. Schon 1935 hatten sie eine vorsorgliche Trennung der Zeitung ("Neue Mannheimer Zeitung Dr. Bode & Co.") vom übrigen Betriebsteil ("Druckerei Dr. Haas GmbH") vollzogen. Dies in der Erwartung, daß sich die NSDAP mit dem Zugriff nach der Zeitung begnügen und den als "Druckerei Dr. Haas GmbH" firmierenden Betriebsteil ihnen überlassen werde. Der treue Gehilfe Christian Kolb erhielt bei dieser Gelegenheit eine Drittelbeteiligung an der "Druckerei Dr. Haas GmbH" und avancierte somit zum Miteigentümer. Als das Arrangement mit der NSDAP dann doch anders verlief, gründeten Bode, Bauser und Kolb die "Verlagsanstalt Dr. Haas", in die sie die ihnen verbliebenen Verlagsobjekte wie das Mannheimer Adreßbuch sowie (1941) ihre Beteiligungen an der "Mannheimer Großdruckerei" einbrachten. Mit den Erträgen dieses Unternehmens kauften sie 1941 das benachbarte Grundstück in R 1, 1. Dennoch warf die "Verlagsanstalt Dr. Haas" 1941 einen Gewinn von 18865 Mark und im folgenden Jahr sogar von 41624 Mark ab.

Während Bode sich als verantwortlicher Redakteur des Wirtschaftsteils betätigte (und ein zusätzliches Einkommen sicherte), rückte Bauser am 20. August 1939 als Hauptmann zur Luftwaffe ein. Als Offizier wurde er in Polen, Holland, Frankreich, Rumänien und in der Sowjetunion eingesetzt. Am Ende des Krieges hatte er als Major eine Sondervollmacht beim Oberkommando der Wehrmacht. (112)

Der Verlauf des Krieges beschleunigte die Endphase der Pressekonzentration in Mannheim. Schon im September 1943 zerstörte ein Bombenangriff das Gebäude des "Hakenkreuzbanners" in R 3 bis aufs Kellergeschoß. Drei Wochen lang erschienen beide Zeitungen mit einer "Gemeinschaftsausgabe". Am 19. Oktober 1944 legte ein Bombenangriff auch das Verlagsgebäude der "Neuen Mannheimer Zeitung" in Trümmer. Nur der rückwärtige Betriebsteil der "Mannheimer Großdruckerei" blieb weitgehend intakt. So konnten dort weiterhin die Durchhalteparolen gedruckt werden, die in den Redaktionen zu Papier gebracht wurden.

Am 31. Dezember 1944 wurden beide Nazi-Blätter "auf Kriegsdauer" zusammengelegt. Das Format schrumpfte. Der Umfang betrug nur noch zwei bis vier Seiten. Die letzte Ausgabe - ein dürftiges Durchhalte-Blättchen von zwei Seiten - erschien für Freitag/Samstag, den 23./24. März 1945. Sie enthielt die Ankündigung, daß die Trägerzustellung in Stadt- und Vorortbezirken eingestellt sei. Die Ausgabe der Zeitung erfolge nunmehr in den für die Ortsgruppen zuständigen Bunkern ...

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