PresseBLICK-Rezensionen Natur- und Geisteswissenschaften



Klaus Plitzner (Hg.)

Elektrizität in der Geistesgeschichte

239 S., GNT-Verlag, ISBN 3-928186-36-1, DM 50.-


Die Elektrizität ist zunächst mal eine Angelegenheit von Naturwissenschaften und Technik. Sie hat aber auch Wirkungen auf unser Denken und Handeln, die mit dem Instrumentarium der exakten Wissenschaften nicht zu erfassen sind. Das beginnt schon mit den "Fluidum"-Vorstellungen des 18. Jahrhunderts, die in der Elektrizität eine Art Lebenselixier sahen und bis heute im Dunstkreis der Esoterik fortleben. Im Idealfall lassen sich die Spuren der Elektrizität bis in die Philosophie verfolgen. So interpretiert Hegel in seiner "Phänomenologie des Geistes" die entgegengesetzten Ladungen der Elektrizität als Beleg für die dialektische Einheit der Gegensätze. - Und das zu einer Zeit, als Volta eben erst die Batterie erfunden hatte.

Die meisten ideengeschichtlichen Bezüge der Elektrizität sind nicht so eindeutig festzumachen. Sie finden sich eher diskret in ganz alltäglichen Dingen und Begebenheiten. - Etwa in der Entwicklung der elektrischen Beleuchtung, deren geistesgeschichtliche Seite Wolfgang Schivelbusch in seinem Buch "Licht, Schein und Wahn" (siehe PB 3/93) zu erfassen versucht hat. Oder in solchen Kleinigkeiten wie den stilisierten Blitzen für Hochspannung, die ursprünglich die Elektrizität in einem durchaus positiven Sinne symbolisierten, bevor sie zum Warnsignal wurden. Victor Klemperer vertritt in seiner "Lingua Tertii Imperii" übrigens die Ansicht, daß die roten Blitze an den Hochspannungshäuschen die eigentliche Vorlage für das gezackte Emblem von Himmlers SS geliefert hätten und daß dessen Ableitung von der altgermanischen Siegrune eher formaler Natur gewesen sei.

Das vorliegende Buch will, wie der Herausgeber im Vorwort schreibt, "einige jener geschichtlich wirksamen Ideen und geistigen Strömungen vorstellen, die durch die Elektrizität ausgelöst bzw. beeinflußt wurden". Dabei geht es allerdings nur um eine Epoche von etwa fünfzig Jahren um die letzte Jahrhundertwende herum. Der Leser darf auch keine zusammenhängende oder gar umfassende Darstellung erwarten, wie sie der Titel suggeriert. Vielmehr handelt sich um einen Sammelband mit den überarbeiteten und teilweise stark erweiterten Beiträgen eines gleichnamigen Symposions, das vom 17. bis 20. November 1996 in Schloß Hofen bei Bregenz (Österreich) stattfand. Die insgesamt 14 Referate - drei davon in englischer Sprache - widmen sich ausschließlich sehr speziellen Themen. Die durch Elektrizität ausgelösten oder beeinflußten geistigen Strömungen, deren Darstellung das Ziel dieses Symposions war, lassen sich dabei manchmal nur mit einiger Mühe erkennen.

Der technische und politische Systemstreit bei der Elektrotechnischen Ausstellung 1891

Der vermutlich gelungenste Beitrag stammt von dem Frankfurter Historiker Jürgen Steen, der sich durch die Kataloge zur Ausstellung "Frankfurt und die Elektrotechnik 1800 - 1914" sowie zum hundertjährigen Jubiläum der Elektrotechnischen Ausstellung von 1891 auch außerhalb von Fachkreisen einen Namen gemacht hat. Steen untersucht die mit der Elektrizität eng verbundenen Vorstellungen von einer "neuen Zeit", die um die Jahrhundertwende durch die Köpfe geisterten, und deutet sie als eine Form der Kritik an der industriellen Revolution. Seine Belege findet er am Beispiel Frankfurts und hier wieder hauptsächlich bei der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung des Jahres 1891, die wegen der damals vorgeführten ersten Drehstromübertragung über eine Strecke von 175 Kilometern in die Technikgeschichte eingegangen ist.

Anlaß dieser Ausstellung war, daß das bürgerstolze Frankfurt seine Innenstadt nicht durch fabrikähnliche Elektrizitätswerke verschandeln wollte. Die bis dahin üblichen Gleichstrom-Zentralen konnten nur einen Radius von etwa 600 Metern mit Strom versorgen. Eine Wechselstrom-Zentrale hätte dagegen außerhalb der Stadt errichtet werden können. Es waren also eher ästhetische als technische Gründe, welche die Frankfurter Kommunalpolitiker auf die noch unerprobte Wechselstrom-Technik setzen ließen. Da fast die gesamte Industrie, von Siemens bis Edison, hartnäckig die Gleichstrom-Technik verfocht, sollte die Elektrotechnische Ausstellung des Jahres 1891 der Wechselstrom-Technik zum Durchbruch verhelfen. So war es kein Zufall, daß die Firma Helios, die als einziges deutsches Unternehmen den Wechselstrom favorisierte, den schönsten Platz in der Ausstellungshalle erhielt und daß Oskar von Miller just aus diesem Anlaß die erste Drehstromübertragung vom Neckar an den Main inszenierte. Die erfolgreiche Durchführung der Ausstellung legitimierte die Frankfurter Stadtväter, den Widerstand der Gleichstrom-Lobby zu ignorieren und die Errichtung eines Wechselstrom-Elektrizitätswerkes zu beschließen.

Die Ausstellung von 1891 diente aber nicht nur der Propagierung des Wechselstroms. Unabhängig vom technischen Systemstreit und vom Gezänk der kommerziellen Interessen brachte sie zugleich einen politisch-kulturellen Systemstreit zum Ausdruck: Sie symbolisierte das Aufbegehren des liberalen Bürgertums gegen den deutschen Obrigkeitsstaat, wie er nach der Niederschlagung des Revolutionsversuchs von 1848/49 unter der Fuchtel Preußens entstanden war.

Das kam bereits im Ausstellungskatalog zum Ausdruck, dessen historische Einleitung abrupt mit dem Jahr 1866 endete, als preußische Truppen Frankfurt besetzten und der "Freien Stadt" das Ende bereiteten. - In der Sicht von Steen ein Kunstgriff, mit dem sich das Ausstellungsprojekt "gleichsam wortlos in die Tradition städtisch-bürgerlicher Autonomie" gesetzt habe.

Präsident der Ausstellung war der Frankfurter Verleger Leopold Sonnemann, der die liberale "Frankfurter Zeitung" herausgab und in Frankfurt wie in ganz Deutschland als Galionsfigur des demokratischen Bürgertums galt. So geriet es zu einer hochpolitischen Angelegenheit, als Kaiser Wilhelm II. sich gegen Ende der Ausstellung doch noch zu einem Besuch entschloß: Der "Frankfurter Zeitung" zufolge "führte" Sonnemann den Kaiser und sein Gefolge über das Gelände. Die ultrakonservative preußische "Kreuzzeitung" beharrte indessen darauf, daß Sonnemann hinter Ihrer Majestät "hergelaufen" sei.

Sowohl die Schwerindustrie als auch die SPD polemisierten gegen die Frankfurter Ausstellung

Die Elektrizität repräsentierte in den Augen der Demokraten die "neue Zeit", die sachte, aber unaufhaltsam den alten politischen Verhältnissen die materielle Grundlage entzog. Die Überhöhung der Elektrotechnik zum Symbol der Modernität kommt im Plakat der Ausstellung zum Ausdruck, dessen "Befreiungsmetaphorik" Steen ausführlich analysiert - bis hin zum Turm der Paulskirche, der ziemlich genau im Schnittpunkt der Diagonalen des Plakats zu sehen ist und an die Nationalversammlung von 1848 erinnert.

Die "neue Zeit" stand aber nicht nur für die Überwindung des ancien régime in Deutschland. Die Demokraten verbanden mit ihr auch die Hoffnung auf eine Überwindung der sozialen Spannungen und Wiedereingliederung der Arbeiterschaft ins bürgerlich-liberale Lager. Schließlich war es erst zwei Jahrzehnte her, seitdem sich die "Eisenacher" unter Führung von Wilhelm Liebknecht und August Bebel von Sonnemanns Demokratischer Volkspartei getrennt und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei gegründet hatten. Bei einem Großteil der politischen Forderungen blieben sich beide Parteien zum Verwechseln ähnlich, doch trennte sie ganz klar die unterschiedliche Haltung zur "sozialen Frage". Die bürgerlichen Demokraten litten so durch die Nationalliberalen von rechts und die Sozialdemokraten von links gleich zweifach unter Schwund. Um politisch wieder auf einen grünen Zweig zu kommen, mußten sie sozialdemokratische Wähler zurückgewinnen.

In teilweise metaphorisch verschlüsselter Form brachte die "Frankfurter Zeitung" alle diese Hoffnungen zum Ausdruck, wenn sie am 16. Mai 1891 schrieb: "Im Dienste der Maschine wird der Mensch selbst zur Maschine und eine Sklaverei geschaffen, die in manchen Punkten schlimmer ist wie die vorige (...) Es bricht die Zeit an, wo die Maschine nicht mehr der unumschränkte Herrscher ist, der von einem einzigen Punkte aus Alle zum Gehorsam zwingt; die Elektrizität wird jedem Einzelnen das Quantum Kraft liefern, das er für seine Zwecke braucht, und dadurch befreit sie ihn aus der drückenden Knechtschaft des Großbetriebes und der Schablone."

In anderen Lagern wurde diese Botschaft sehr wohl verstanden. Als potentielle Opfer der "neuen Zeit" durften sich neben den alten Gewalten vor allem die alten Industrien von Kohle und Stahl fühlen, deren Organe gereizt gegen den Frankfurter "Ausstellungsschwindel" polemisierten, als gelte es eine subversive Aktion zu entlarven. Aber auch der Sozialdemokratie mußte ein Konzept mißfallen, das die Befreiung der Arbeiterklasse eher durch die Elektrizität als von der SPD erwartete. Der sozialdemokratische "Vorwärts" polemisierte deshalb ebenfalls gegen die Ausstellung. Gegen das Konzept einer Individualisierung der Produktion durch den Elektromotor stellte er die fabrikmäßige Massenproduktion als unumkehrbaren Tatbestand moderner Produktionsverhältnisse.

Was der ansonsten instruktive Beitrag von Jürgen Steen vermissen läßt, sind ein paar klärende Bemerkungen zur unterschiedlichen Rezeption der "neue Zeit"-Ideologie durch bürgerliche Demokraten und Sozialdemokratie. Denn auch die Arbeiterbewegung glaubte, mit dem Rückenwind des technisch gedopten Weltgeistes zu marschieren: "Mit uns zieht die neue Zeit" hieß es im Refrain eines bekannten Arbeiterlieds.

Einseitiger Blick auf Ostwalds "Energetik"

Günter Luxbacher vermittelt an ausgewählten Beispielen einen Überblick über unterschiedliche Ansätze auf dem Gebiet der Geschichte der Elektrotechnik im deutschsprachigen Raum zwischen 1875 und 1945. Er unterscheidet den älteren ingenieurgeschichtlichen Ansatz, der sich der Entwicklungs- und Erfindungsgeschichte der technischen Produkte widmete, von den später hinzugetretenen Untersuchungen, für die das wirtschaftliche Wachstum der Elektrizitätswirtschaft oder der Elektroindustrie im Mittelpunkt stand. Ihn interessiert hier vor allem der erste Ansatz, wie er von dem 1879 gegründeten Elektrotechnischen Verein (ETV) und dem 1893 entstandenen Verband Deutscher Elektrotechniker (VDE) als Ingenieurs-Standesvertretungen gepflegt wurde. Der ETV gab ab 1925 die Buchreihe "Geschichtliche Einzeldarstellungen aus der Elektrotechnik" heraus, die nach der 1935 erfolgten Verschmelzung mit dem VDE bis 1941 erschien und als Vorläufer der heutigen VDE-Reihe "Geschichte der Elektrotechnik" angesehen werden kann. Das Glanzstück dieser Buchreihe dürfte die 1940 erschienene "Entwicklung der Starkstromtechnik in Deutschland" bis zum Jahr 1890 gewesen sein, die der langjährige VDE-Vorsitzende Georg Dettmar verfaßt hat und in der heutigen VDE-Buchreihe als Reprint angeboten wird.

Beiläufig geht Luxbacher auch auf den Naturwissenschaftler und Philosophen Wilhelm Ostwald ein, der im elektrischen Zeitalter die höchste aller Kulturstufen erblickte. Er hebt dabei auf die skurrilen Seiten von Ostwalds Vorstellungen ab, wie sie sich besonders im "energetischen Imperativ" äußerten. Geistesgeschichtlich interessanter wäre allerdings die Frage, ob und wieweit Ostwald mit seinem energetischen Monismus jenen Umbruch unseres Weltbilds vorbereitet hat, den Einstein dann in die Formel E = mc2 gebracht hat. Es greift zu kurz, wie hier Inhalt und Bedeutung von Ostwalds "Energetik" dargestellt werden. Das ist auch deshalb schade, weil sonst an keiner anderen Stelle dieses Sammelbandes bzw. Symposions der Bogen zur Philosophie geschlagen wird.

Farbige Wasserspiele beeindruckten das Publikum mehr als die gelungene Drehstrom-Übertragung

Ulrike Felber widmet sich "La fée électricité", einer französischen Metapher für die wundersamen Wirkungen der Elektrizität, die Raoul Dufy im Auftrag der Electricité de France in einem monumentalen Gemälde verewigt hat. Bei der Beschreibung der Weltausstellungen in Chicago 1893 und Paris 1900 gelangt sie zu einem Befund, der auch für die bevorstehende Expo 2000 in Hannover noch gültig sein dürfte: "Mehr als um die Repräsentation einer technisch-industriellen Wirklichkeit ging es um das Spiel mit der Wahrnehmung, um die Imagination und Entgrenzung des menschlichen Gesichtsfeldes mit technischen Mitteln sowie um die perfekte Simulation".

Schon damals ging es also bei Weltausstellungen mehr um den Schein als um das Sein. Dazu paßt, daß die eigentliche Sensation der elektrotechnischen Ausstellung des Jahres 1891 in Frankfurt, die in der Drehstromübertragung von Lauffen am Neckar nach Frankfurt bestand, von den meisten Besuchern kaum gewürdigt wurde: Der zehn Meter hohe Wasserfall, der mit elektrischer Energie aus dem 175 Kilometer entfernten Lauffen erzeugt wurde, unterlag in der Publikumsgunst den Wasserspielen, welche die (Gleichstrom-) Firma Schuckert effektvoll auf einer Insel inszenierte.

Klingenberg und die Kraft des Visionären

Norbert Gilson untersucht die Pläne, mit denen Georg Klingenberg nach dem ersten Weltkrieg den Grundstein zum späteren Verbundsystem der deutschen Stromversorgung legte. Er glaubt, daß es vor allem die "visionären Elemente" in Klingenbergs Plan gewesen seien, die das Denken und Handeln der EVU-Verantwortlichen in Richtung Verbundwirtschaft gelenkt hätten. Interessant ist sein Hinweis auf die Überkapazitäten, die sich in der Großstromerzeugung 1928/29 abzeichneten. Die zeitweilige Polarisierung der deutschen Elektrizitätswirtschaft in zwei Lager (EWAG, Bayernwerk und Preussenelektra kontra RWE und Verbündete) glaubt er vor diesem Hintergrund mit dem Bemühen um "Sicherung möglichst großer Gebiete für Fremdstromlieferungen aus den nicht optimal ausgelasteten Großkraftwerken" erklären zu können.

Weshalb hatte Bell mehr Erfolg als Reis?

W. Bernard Carlson vergleicht in seinem englischsprachigen Beitrag die Entwicklung des Telefons in Deutschland und USA in den Jahren 1860 bis 1880. Vor allem beschäftigt ihn die Frage, weshalb der Amerikaner Graham Bell, der sein Telefon erst zehn Jahre nach dem Deutschen Philip Reis vorstellte, den Durchbruch schaffte und deshalb außerhalb Deutschlands als Erfinder des Telefons gilt. Carlson führt das Scheitern von Reis und den Erfolg von Bell auf die unterschiedliche Sensibilität zurück, die in beiden Ländern hinsichtlich der kommerziellen Verwertung des neuartigen Instruments zur Nachrichtenübermittlung geherrscht habe. Da ist sicher etwas dran. Allerdings schenkt er der technischen Unterlegenheit des ReisŐschen Telefons gegenüber dem System von Bell zu wenig Beachtung. Es war ja nicht pure Diffamierung, wenn die Anwälte Bells die ReisŐsche Erfindung als nicht funktionsfähig abwerteten, um für Bell die Patentierung zu erlangen. Etwas kühn mutet auch seine These an, der Erfolg des Telefons in den USA sei weniger in wirtschaftlichen oder technischen Aspekten zu suchen als in der Tatsache, daß Bell und sein Kapitalgeber Gardiner Hubbard das Telefon als ein Mittel zur Lösung der zunehmenden Spannungen zwischen Kapitalismus und Demokratie gesehen hätten.

Der Herausgeber Klaus Plitzner vergleicht die Welt der Elektrizität, wie sie sich in der deutschen "Gartenlaube" und im amerikanischen "LadiesŐ Home Journal" bis Mitte der zwanziger Jahre manifestierte. Sein besonderes Interesse gilt dabei der Propagierung des elektrischen Kochens. Wie kaum anders zu erwarten, spielte die Werbung in dem amerikanischen Journal frühzeitiger und stärker eine Rolle als in dem deutschen Gegenstück.

Der Elektromotor als "Retter des Handwerks"

Helmut Lackner geht der Frage nach, ob "Der Elektromotor als Retter des Handwerks" pure Ideologie war oder einen realen Kern hatte. Er stellt fest, daß die Elektromotoren nach zeitweiliger Konkurrenz mit Heißluft- und Verbrennungsmotoren tatsächlich zum konkurrenzlosen Antrieb für das Kleingewerbe wurden und hier eine ähnliche Rolle spielten wie zuvor die Dampfmaschine in der Großindustrie. Freilich blieb auch die Großindustrie nicht auf dem Niveau der Dampfmaschine stehen. Anhand der Zahlen für Österreich belegt Lackner, daß zwischen 1902 und 1930 der Anteil der Kleinbetriebe an der Gesamt-PS-Leistung der verwendeten Elektromotoren von 18 auf 14 Prozent zurückgegangen ist. Per Saldo habe also die Großindustrie mehr vom Elektromotor profitiert als das Kleingewerbe.

Renate Binder beleuchtet "Visionen der elektrifizierten Stadt", wie sie Ende des 19. Jahrhunderts im Schwange waren. Sie macht deutlich, wie etwa in Stuttgart die Ladenbesitzer Druck auf den Gemeinderat ausübten, um wie andere Städte in den Genuß einer elektrischen Beleuchtung zu kommen. Die "Lichterstadt Paris" war dabei das Maß aller Dinge. Allerdings gab es schon damals ästhetische Vorbehalte gegen die Verschandelung von Straßen und Plätzen durch die Leitungen, die für die Zuführung des Stroms benötigt wurden.

Soweit einige der wesentlichen Beziehungen zwischen Elektrizität und Geistesgeschichte, wie sie von den Autoren dieses Sammelbands verstanden und dargestellt werden. Grundlegend neue Erkenntnisse sind sicher nicht dabei. Die Autoren nehmen auch wenig Rücksicht auf ein normales Leserpublikum. Man muß sich durch viel historisches Klein-Klein durcharbeiten, um zu den bescheidenen Früchten der Erkenntnis vorzustoßen. Den Eindruck interessanter Thesen und konziser Gedankenführung erwecken noch am ehesten die Kurzfassungen bzw. "Abstracts", die den deutschen und englischen Referaten in der jeweils anderen Sprache vorangestellt sind. Die Langfassungen befriedigen dann aber selten die geweckten Erwartungen.

Fazit: Das sicher sehr spannungsvolle Thema "Elektrizität in der Geistesgeschichte" harrt der weiteren Bearbeitung und vor allem einer zusammenhängenden, umfassenden und gut lesbaren Darstellung. Es müßte mit seltsamen Dingen zugehen, wenn sich nicht gerade aus dem Zusammentreffen von Elektrizität und Geist jede Menge Geistesblitze erzeugen ließen.

(PB 8/99/*leu)