PresseBLICK-Rezensionen PR, Werbung, Medien



R. Anderson, W. Bruhns, E. Eckardt u.a.

Medienmacher - Journalisten beschreiben die Herrscher der vierten Gewalt

235 Seiten, DM 32.-, Rasch und Röhring 1996


Sogar Axel Cäsar Springer hat unter seiner "Bild-Zeitung" manchmal "gelitten wie ein Hund". Dies behauptete er jedenfalls einmal, als er für ein Blatt interviewt wurde, das den besseren Geschmack bedient. Ähnlich scheint es Rudolf Augstein mit dem "Spiegel" zu gehen. Wenn man Christoph Scheuring Glauben schenken darf, der im vorliegenden Buch das Porträt des "Spiegel"-Herausgebers zeichnet, hat Augstein ein recht distanziertes Verhältnis zu seinem eigenen Blatt: "Manchmal läßt er sogar noch auf dem Weg zum Büro den Wagen umdrehen und mauert sich dann mit einem Kasten Bier in der Wohnung ein, weil er das ganze Blatt nicht mehr ertragen kann."

Damit ist eine Zwiespältigkeit angedeutet, unter der Verleger wie Journalisten von Berufs wegen leiden: Wer Erfolg haben will, muß sich den Zwängen eines Marktes unterwerfen, der vom Massengeschmack diktiert wird. Das heißt, man muß viel Können und Scharfsinn darauf verwenden, um das unumgängliche Maß an marktgängigem Stumpfsinn zu erzeugen. So entsteht täglich die "Bild-Zeitung" als Gesamtkunstwerk einer hochkultivierten Geschmacklosigkeit für Lieschen Müller und andere medialen Prolos. So entsteht aber auch wöchentlich "Der Spiegel" als Blatt für die vermeintlichen Schlaumeier und Durchblicker - eben für "Dr. Lieschen Müller", wie schon Konrad Adenauer einmal den Unterschied treffend charakterisiert hat.

Info-Alete für eine angebliche Info-Elite - der erstaunliche Erfolg von "Focus"

Irgendwo dazwischen liegt neuerdings "Focus". Reinhard Hesse schildert den Herausgeber und Chefredakteur Helmut Markwort als Blattmacher, dessen Produkt - ähnlich wie beim "Spiegel" - in kongenialer Weise der Persönlichkeit seines Schöpfers entspricht. Allerdings sind hier Schöpfer und Produkt von schlichterem Naturell. Dem Leser - den die Verlagswerbung als "Info-Elite" umschmeichelt - wird eher "Info-Alete" geboten. Die Edelfedern von der "Süddeutschen Zeitung" bescheinigten dem Nachbarn aus dem Münchener Arabella-Park neulich sogar, nichts weiter als ein "glänzendes Käseblatt" zu sein. - Helmut Markwort und sein Verleger Hubert Burda werden derartige Kritik so gelassen ertragen wie die Aktionäre von McDonalds, wenn sich wieder mal die Feinschmecker erregen. Denn letztlich zählt der Erfolg, und der ist ihnen genauso reichlich wie unerwartet zugefallen: Fast alle hatten geglaubt, ein neues Nachrichtenmagazin müsse dem "Spiegel" zumindest einigermaßen das Wasser reichen können, um ihm Anzeigen und Leser abspenstig zu machen. "Wer kauft schon Luft in Tüten?", höhnte noch mancher angesichts der ersten Ausgaben - bis "Focus" endgültig bewies, daß die Tüte nur schön bunt sein muß.

Für Hubert Burda bedeutet "Focus" zugleich einen persönlichen Erfolg: Einfühlsam beschreibt Roger Anderson, wie sich der jüngste der drei Burda-Sprößlinge vom übermächtigen Einfluß des Vaters - eines eitlen Patriarchen, der großen Wert auf den Titel "Senator" legte - freigeschwommen hat. Das "Hubertle" hatte schon immer einen Hang zum Höheren und studierte so brotlose Fächer wie Kunstgeschichte und Archäologie. Als er 1965 mit dem Doktortitel heimkehrte, konnte der Vater bei allem Stolz das übliche Genörgel nicht lassen: "Der Hubert ist ja ein ganz gescheites Bürschle. Wenn er bloß nicht so akademisch daherschwätze tät...". Maliziös merkt Anderson an: "Die Meinungen, ob diese Eigenschaft eine Stärke oder Schwäche Hubert Burdas ist, halten sich die Waage."

"Die Woche" wildert im Gehege der "Zeit"

Etwa zur selben Zeit, als Helmut Markwort und Hubert Burda ihre "Zugmieze" entwarfen - so nannten sie zunächst das Projekt, aus dem dann "Focus" wurde - , tat sich der Journalist Manfred Bissinger mit dem Verleger Thomas Ganske zusammen, um eine neue Wochenzeitung zu konzipieren. Nach den Anfangsbuchstaben der beiden Väter hieß das ungeborene Kind zunächst "Gabi". Später wurde daraus "Die Woche". Marianne Schmidt zeichnet in dem vorliegenden Buch ihren Kollegen Bissinger nicht ohne Sympathie als eine Art Spätentwickler, der sich "ein Niveau erarbeitet hat, das man ihm nicht zutrauen wollte". Früher kannte man Bissinger als Redakteur der Illustrierten "stern". Dann machte er von sich reden, weil ihm als Pressesprecher des Hamburger Bürgermeisters Klose nach nur dreijähriger Tätigkeit eine stattliche Pension zugeschanzt wurde. Bis Anfang 1984 war er Chefredakteur der Linkspostille "konkret". Aber dann, als Chefredakteur von "Natur", begann die Zeit der eher leisen Töne. Als Chefredakteur von "Merian" gelang Bissinger der Relaunch eines genauso altehrwürdigen wie verschlafenen Objektes. Das überzeugte den Verleger Thomas Ganske (Hoffmann und Campe, Jahreszeiten u.a.), das beträchtliche finanzielle Risiko für "Die Woche" einzugehen. Für beide hat dieses Engagement etwas Kompensatorisches und zielt auf Höheres als das alltägliche Geschäft mit dem Massengeschmack (beispielsweise lästern Autoren über den Verlag Hoffmann und Campe, seine letzte verlegerische Großtat sei vor weit über hundert Jahren die Edition der Werke Heinrich Heines gewesen). Vor allem Bissinger will sich mit der Herausgabe einer politisch und kulturell ambitionierten Wochenzeitung ein Stück Selbstverwirklichung leisten.

Fatalerweise ist dieses Niveau, das ihm niemand zutrauen wollte, zugleich aber eine Nivellierung - denn sein Blatt ist angetreten, um mit kurzen, pointierten Texten und bunten Illustrationen im Gehege der "Zeit" zu wildern, die sich mit ihrer bildungsbürgerlichen Betulichkeit an ein Publikum wendet, das es so vermutlich gar nicht mehr gibt. Insofern besteht zwischen der "Woche" und der "Zeit" ein ähnliches Gefälle wie zwischen "Focus" und "Spiegel". Ob es zu einer langfristig tragfähigen Auflage kommt, ist in diesem Falle allerdings noch ungewiß.

Es würde zu weit führen, auf alle Medienmacher näher einzugehen, die dieses Buch vorstellt. Deshalb beschränken wir uns für den Rest auf das Inhaltsverzeichnis: Wibke Bruhns beschreibt den ZDF-Intendanten Dieter Stolte, Emanual Eckardt den "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust, Cornelia Bolesch den Springer-Vorstandschef Jürgen Richter, Ulrike Posche den "Bunte"-Chefredakteur Franz Josef Wagner, Heike Gätjen den Gruner & Jahr-Vorstandschef Gerd Schulte-Hillen, Matthias Matussek den US-Medienmogul Ted Turner, Cord Schnibben die beiden Rivalen Helmut Thoma (RTL) und Fred Kogel (SAT 1), Miklós Pataky den "Milchstraßen"-Verleger Dirk Manthey, Michael Radtke den Filmgroßhändler Leo Kirch und Alexander Osang den "Tango"-Bruchpiloten Hans-Hermann Tiedje. Zu Beginn des Buches trifft Volker Lilienthal einige grundsätzliche Feststellungen zur deutschen Medienlandschaft am Ausgang des Jahrhunderts, die mit "Das Milliardenspiel um die Meinungsmacht" überschrieben sind. Den Abschluß bildet ein Kapitel über "Reporter X", in dem Hans Nogly über sich und seinesgleichen schreibt.

Die genannten Namen lassen erkennen, daß hier die Creme des deutschen Journalismus über die Creme ihrer Kollegen, Partner und Widersacher in den Chefetagen schreibt. Die Porträts sind durchweg vorzüglich. Natürlich werden mitunter Konzessionen gemacht, wird sicher nicht alles ausgebreitet, was man weiß und eigentlich gern los würde. Aber bei keinem hat man den Eindruck, daß es "pro domo" gepinselt worden sei. Vielmehr geht ein erfrischend despektierlicher Zug durch alle Schilderungen. Und diese Despektierlichkeit ist wohl auch angebracht, wenn man sich die deutsche Medienlandschaft ansieht, die einerseits einer unsäglichen Primitivierung unterliegt (z.B. wird RTL im Branchenjargon mit "Rammeln, Töten, Lallen" übersetzt), während andererseits die Machtzusammenballung in den Händen einiger Medienmogule wie Leo Kirch voranschreitet (einen Vorgeschmack, wohin das führen kann, lieferte Kirch, als er den neuen Chefredakteur der "Welt" wegen eines unliebsamen Kommentars zum Karlsruher Kruzifix-Urteil zu kippen versuchte).

Seriöser Journalismus wird es künftig wohl eher noch schwerer haben. Volker Lilienthal macht sich da keine Illusionen: "Heute muß man sich sehr wohl vor Augen halten, daß sich mit dem Geschwätz des straßentauglichen Zeitgeistes Millionen verdienen lassen - während alle textgeronnenen Formen von Erkenntnis wie Wissenschaft, Literatur und ernste Publizistik mehr intrinsische Motivation ihrer Schöpfer voraussetzen, als daß diese Leistungen angemessen honoriert würden oder gar für einen Lebensunterhalt hinreichend wären."

(PB 10/96/*leu)