PresseBLICK-Rezensionen | PR, Werbung, Medien |
Glaubwürdigkeit ist das wichtigste Kriterium von PR-Arbeit. Und um glaubwürdig zu sein, bedarf es anderer Mittel als der simplen Propaganda oder des Beschönigens von Fakten. Darin sind sich alle PR-Fachleute einig. Dennoch wird in der Praxis sehr oft gegen diese Einsicht verstoßen, weil sich der Erfolg von PR-Arbeit schwer in Mark und Pfennig ermitteln läßt. Ein altes Theatermotto lautet: "Was gestrichen ist, kann nicht durchfallen!" Schlichte Reklame nach außen und Gesundbeterei nach innen scheint dem Management deshalb oft der risikolosere Weg zu sein.
Solche PR-Arbeit, die im Grunde keine ist, fördert wiederum das Mißverständnis, daß "public relations" eben doch nur in Schönfärberei, Drumherumreden und Irreführung des Publikums bestehe. Ein gutes Beispiel für dieses Mißverständnis bietet die Umweltorganisation Greenpeace, die am laufenden Band erfolgreiche PR-Arbeit leistet, ohne sich dies selber eingestehen zu wollen. "Greenpeace tut zwar all die Dinge, die eine gute PR-Arbeit ausmachen, will das aber unter keinen Umständen als PR-Arbeit sehen", konstatiert der Autor des vorliegenden Buches. Man scheue den richtigen Begriff für das eigene Erfolgsrezept wie der Teufel das Weihwasser, da er durch negative Assoziationen diskreditiert erscheine. Dabei sei Greenpeace "gerade in Sachen âPRÔ am allerbesten". Für den Autor steht fest, "daß die Umweltorganisation ohne die in der Praxis hervorragend geleistete, aber strukturell eben nicht erfaßte PR-Arbeit nichts von dem wäre, was sie heute ist, und vermutlich überhaupt nicht mehr existieren würde".
Das wahre"Geheimnis von Greenpeace", wie der Titel des Buches lautet, enthüllt sich dem Leser als intuitiv-richtiges Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit, nämlich die Fähigkeit der Greenpeacer, sich als kompetenter, vertrauenswürdiger Partner eines um die Umwelt besorgten Publikums darzustellen. Diese Fähigkeit kommt nicht von ungefähr: Organisationen wie Greenpeace haben eben nichts anderes zu verkaufen als die Botschaft, daß sie für eine bessere Welt kämpfen und daß die dafür gespendeten Gelder gut angelegt seien. Jeder Verlust an Glaubwürdigkeit wirkt sich deshalb sofort und existenzbedrohend aus. Zum Beispiel mußte Greenpeace aus Finanznot seine Aktivitäten einschränken und einen Großteil des Personals entlassen, nachdem 1991 eine internationale Medien-Attacke das Image beschädigt hatte.
Die Vorwürfe, die damals "Der Spiegel" in Deutschland sowie "Forbes" in den USA und die "Herald Sun" in Australien erhoben, waren nach Ansicht des Autors reichlich dünn und im Falle von "Forbes" sogar schlicht lächerlich. Ihre magere Substanz habe letztlich darin bestanden, daß die Umweltorganisation hierarchisch statt basisdemokratisch gegliedert sei (was nie in Abrede gestellt worden sei), daß sie PR in eigener Sache betreibe (was sonst?) und daß ihr hohes Spendenaufkommen zu Lasten anderer Umweltorganisationen gehe (ähnlich müsse sich dann der "Spiegel" vorhalten lassen, daß sein Anzeigenaufkommen andere Publikationen beeinträchtige). Bei dem hohen Ansehen von Greenpeace berge jede Art von negativer Berichterstattung ein "immenses Überraschungspotential". Für Medien wie der "Spiegel", die ihren Markterfolg zum großen Teil jener journalistischen Masche verdanken, die in den USA als "debunking" bezeichnet wird, sei deshalb eine derartige Attacke auf Greenpeace einfach fällig gewesen.
Die historischen Wurzeln der Umweltorganisation liegen in der Protestbewegung am Ende der sechziger Jahre. Daraus entstand eine Gruppe kanadischer Atomtest-Gegner, die sich 1971 den Namen Greenpeace zulegte und hauptsächlich gegen die französischen Atomtests in der Südsee protestierte. Ab 1975 startete man spektakuläre Schlauchboot-Aktionen gegen Walfangschiffe, um die vom Aussterben bedrohten Meeressäuger zu retten. 1977 wurden die ersten Greenpeace Büros in Europa eröffnet. Man protestierte nun auch gegen die Versenkung nuklearer Abfälle im Meer, gegen die "Verklappung" von Dünnsäure, die Abschlachtung von Robben, die Ausbeutung der Antarktis, die Emissionen von Kraftwerken und die Verschmutzung von Flüssen. 1985 wurde dann das Greenpeace-Schiff "Rainbow Warrior" im neuseeländischen Hafen Auckland vom französischen Geheimdienst versenkt, wobei ein Fotograf zu Tode kam. Dieser Coup, der offenbar von höchster Stelle in Paris aus angeordnet worden war, bescherte der Handvoll Umweltschützer weltweite Publizität und eine immense Flut an Spenden, die sie schlagartig von allen finanziellen Sorgen befreiten. Heute unterhält Greenpeace in 30 Ländern Hauptbüros. Die Koordination besorgt das Hauptbüro von Greenpeace International mit Sitz in Amsterdam. Etwa tausend Personen sind hauptberuflich angestellt, mehrere zigtausend arbeiten freiwillig oder ehrenamtlich mit. Die Organisation ist hierarchisch gegliedert und wird an relativ kurzem Zügel geführt.
Ansehen, Einflußmöglichkeiten und Spendenaufkommen von Greenpeace differieren in den einzelnen Ländern stark. Generell bildet Europa die stärkste Bastion. Die deutsche Organisation liegt an der Spitze des Spendenaufkommens und kann ihren Hauptamtlichen stattliche Gehälter (bis zu 10 000 DM) gewähren. Dagegen tut sich Greenpeace in Frankreich noch immer recht schwer. Günstig sind die Verhältnisse auch in Österreich, wo Autor und Verlag des vorliegenden Buches beheimatet sind, und die deshalb besonders ausführlich geschildert werden. Die Büros in Osteuropa und Lateinamerika könnten dagegen nicht ohne finanzielle Unterstützung der Gesamtorganisation auskommen. Sehr unterschiedlich sind auch die Möglichkeiten, mit Aktionen, Verlautbarungen oder Anzeigen in die Medien zu kommen. Während zum Beispiel in Deutschland und Österreich die Medien gern über Greenpeace berichten und kaum eine Anzeige bezahlt zu werden braucht, gibt es in den USA nur wenig Resonanz und so gut wie keine Gratis-Anzeigen. Im übrigen besteht zwischen Spendenstärke, medialen Möglichkeiten und Gehältern kein geradliniger Zusammenhang. Das wohl höchste Ansehen genießt Greenpeace in Neuseeland, wo sich die Organisation als Vorkämpfer gegen die französischen Atomtests und das Ozonloch profilieren konnte. Dennoch erhält der dortige Geschäftsführer weniger als ein Drittel des Gehalts seines deutschen Kollegen.
Die Geschichte von Greenpeace ist zugleich eine Geschichte ständiger innerer Spannungen, Zerwürfnisse und Abspaltungen. Da es in der Organisation kaum jemand länger als zehn Jahre aushält, findet eine ständige personelle Umschichtung statt. "Man muß schon sehr gut aufpassen, nach einem Greenpeace-Leben nicht als psychisches Wrack zu enden", zitiert der Autor den österreichischen Greenpeace-"Trustee" Florian Faber. Viele der Gründer sind inzwischen ausgestiegen oder ihre eigenen Wege gegangen. So hat sich David McTaggart, der die Organisation in den achtziger Jahren als Chairman von Greenpeace International mit Methoden des modernen Managements trimmte, im Herbst 1991 überraschend zurückgezogen. Paul Watson, ein Greenpeace-Aktivist der ersten Stunde, hat seine eigene Artenschutz-Kampftruppe "Sea Shepherd" gegründet. Während Greenpeace die Gewaltlosigkeit hochhält, hat Watson mit einem gepanzerten Spezialboot bisher an die 15 Wal- und Robbenfangschiffe gerammt und versenkt. In Deutschland spalteten sich radikale Naturschützer unter der Fahne von "Robin Wood" ab. Seit jeher gibt es im Schoße von Greenpeace gegensätzliche Tendenzen und Lager. Der Autor nennt die wichtigsten: Natur-Umweltschützer gegen politische Umweltkämpfer, Managertypen gegen Mystiker, jung gegen alt, Aktionsfans gegen Wissenschaftsanhänger, Zentralisten gegen Basisdemokraten. Solcher Zwiespalt diene zwar "auf der einen Seite sicherlich der sozialen und intellektuellen Vielseitigkeit von Greenpeace, bringt aber naturgemäß auch ein nicht ungefährliches Konfliktpotential mit sich".
Inzwischen mehren sich nach Ansicht des Autors die Anzeichen für eine Verschärfung dieses Konflikts und für eine mögliche Spaltung der Umweltorganisation. In den "oberen Etagen" sei bereits die Entscheidung gefallen, den Umweltschutz weiter zu sehen als nur im unmittelbaren gegenständlichen Schutz von Tieren, Pflanzen und Menschen. Auf der Umweltkonferenz von Rio habe man bereits versucht, auf die Verwobenheit von Umwelt, Kultur, Politik und Gesellschaft aufmerksam zu machen. Es soll also künftig intellektueller argumentiert werden. Teil dieser "Professionalisierung" müßte nach Ansicht des Autors auch sein, daß Greenpeace endlich ein unverkrampfteres Selbstverständnis hinsichtlich seiner wichtigsten und erfolgreichsten Tätigkeit - d.h. zum Begriff der "public relations" - entwickelt.
Das Buch ist nicht ohne Sympathie für Greenpeace und speziell für den erwähnten "professionellen" Flügel geschrieben. Es gerät aber nie zur plakativen Werbeschrift, sondern gewährt einen guten Einblick in Geschichte, Struktur und innere Kämpfe dieser Umweltorganisation, die wohl noch für einige Zeit das Interresse der Öffentlichkeit beanspruchen wird.
(PB Mai 1993/*leu)