PresseBLICK-Rezensionen | Elektrotechnik |
Der Elektromotor ist dem Verbrennungsmotor weit überlegen. Das gilt für Wirkungsgrad, Robustheit, Elastizität, Kompaktheit und andere Parameter. Er wäre deshalb auch der ideale Antrieb für Straßenfahrzeuge. In den Anfängen der Automobiltechnik gab es tatsächlich viele Elektrofahrzeuge. Zeitweilig dominierten sie sogar. Dann aber setzte sich der Verbrennungsmotor durch. Obwohl er den Kraftstoff nicht gerade sparsam nutzte, verhalf ihm die Energiedichte des mitgeführten Benzinvorrats zu unschlagbaren Vorteilen.
Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Die Crux des Elektroautos besteht noch immer darin, daß es zwar über ein ideales Antriebssystem verfügt, aber die dafür notwendige Energie nur sehr begrenzt mit sich führen kann. Im Unterschied zu Schienenfahrzeugen, bei denen der elektrische Antrieb längst die Regel ist, lassen sich Autos nun mal schlecht durch Oberleitungen versorgen.
Das vorliegende Buch stellt deshalb das Problem der "Energie für Elektroautos" zu Recht in den Mittelpunkt. Der Untertitel "Batterien und Brennstoffzellen" verweist auf das Nadelöhr, durch das die Entwicklung des Elektroautos noch hindurch muß. Trotz aller Verbesserungen und neuartiger Technologien können die heute zur Verfügung stehenden Stromspeicher noch lange nicht mit einem Benzintank konkurrieren. Sie ermöglichen dem Elektroauto allenfalls eine Nischen-Existenz als Zweit- oder Drittfahrzeug für kurze Strecken oder für spezielle Anwendungen, bei denen es besonders auf Abgas- und Lärmfreiheit ankommt.
Das könnte sich freilich ändern, wenn eines Tages die Brennstoffzelle zur Marktreife für die Anwendung in Elektroautos entwickelt ist. Brennstoffzellen wandeln chemische Energie unmittelbar in Strom um. Sie stellen eine Art unerschöpflicher Batterie dar, solange die Zufuhr an chemischer Energie anhält. Der Wirkungsgrad der Energieumwandlung ist mit 40 bis 65 Prozent recht hoch. Aufgrund der geringen Leistungsdichten im Bereich von ca. 15 kg je Kilowatt sind aber die alkalischen und phosphorsauren Brennstoffzellen nur in Bussen und Lastwagen einsetzbar. Für den Antrieb von Personenwagen und Kleintransportern werden deshalb große Hoffnungen auf die Membran-Brennstoffzelle gesetzt, die mit hervorragenden Leistungsdaten von bis zu 2 kg je Kilowatt dem Verbrennungsmotor recht nahe kommt.
Auf die Brennstoffzelle wird in dem vorliegenden Buch allerdings nur ein kurzer Ausblick gegeben. Der Schwerpunkt liegt auf den derzeit verfügbaren Batteriesystemen im Nieder- und Hochtemperaturbereich. Man erfährt also einiges über die Vor- und Nachteile der verschiedenen chemischen Stromspeicher: Blei, Nickel-Kadmium, Nickel-Metallhydrid, Zink-Brom, Natrium-Schwefel, Natrium-Nickelchlorid oder Lithium-Eisensulfid. - Die Auswahl ist zwar reichhaltig, aber eine "Wunderbatterie", wie es ein Autorenkollektiv der Firma Varta ironisch ausdrückt, ist beim gegenwärtigen Stand der Technik nicht in Sicht.
Es bleibt offen, ob sich diese Feststellung auch auf die Zink-Luft-Batterie bezieht, mit der die Bundespost versuchsweise eine Flotte von 45 Elektrofahrzeugen betreiben will und mit der auch in Karlsruhe ein Arbeitskreis um das Badenwerk experimentiert. Zu dieser neuartigen Stromquelle, die nicht an der Steckdose aufgeladen, sondern durch Austausch der Elektroden regeneriert wird, finden sich in dem vorliegenden Buch keine Informationen.
Neben dem Problem der Stromversorgung beleuchtet das Buch noch andere Aspekte des Elektroautos. Etwa die Umweltfreundlichkeit: "Vor Ort" erzeugt das Elektroauto überhaupt keine Abgase. Außerdem ist es so geräuscharm, daß es sogar zur Gefahr für Verkehrsteilnehmer werden kann, die gewohnt sind, sich am Lärm herannahender Fahrzeuge zu orientieren. Erst im oberen Geschwindigkeitsbereich, in dem die Roll- und Luftgeräusche überwiegen, gleichen sich die Lärmpegel allmählich an. Im Vergleich mit benzinbetriebenen Vehikeln schneidet das Elektroauto auch dann besser ab, wenn man die bei der Stromerzeugung im Kraftwerk anfallenden Emissionen berücksichtigt.
Völlig emissionsfrei wären solche Elektroautos, die den Strom für den Antrieb entweder aus mitgeführten Solarzellen beziehen oder ihre Batterien ausschließlich mit Strom aus regenerativen Energien aufladen. Die erstgenannte Stromversorgung kommt freilich höchstens für superleichte Experimentalfahrzeuge in Betracht. Eine Perspektive für den praktischen Einsatz von reinen "Solarfahrzeugen" bietet sie nicht. Die zweite Variante ist nur dann sinnvoll, wenn die "Solartankstelle" nicht exklusiv für das Aufladen von Elektroautos reserviert bleibt, sondern den Strom direkt ins Netz einspeist. Der fürs Laden von Elektroautos benötigte Strom aus dem Netz kann dann im Rahmen des regenerativ erzeugten Äquivalents als frei von Emissionen gelten. Generell verbessert jede Veränderung des Energie-Mixes hin zu abgasfreien Energien - anstelle der Photovoltaik könnte da genauso die Wasserkraft oder die Kernenergie treten - die an sich schon günstige Schadstoffbilanz des Elektroautos.
Bei der Antriebstechnik für Elektroautos hat die moderne Elektronik neue Möglichkeiten eröffnet. Wie bei den schienengebundenen Fahrzeugen geht der Trend zum drehstrombetriebenen Asynchronmotor, der nicht nur besonders leistungsfähig und robust ist, sondern auch eine schaltungsfreie Übertragung des Drehmoments auf die Achsen ermöglicht. Beim Bremsen läßt sich der Asynchronmotor als Generator verwenden und so die Bremsenergie zurückgewinnen. Allerdings ist der Stromsteller erheblich aufwendiger als bei Gleichstrommotoren, da der von der Batterie gelieferte Strom erst in Drehstrom der jeweils benötigten Frequenz umgewandelt werden muß.
Neuerdings wird sogar versucht, das Prinzip des Linearmotors für den Antrieb von Elektroautos nutzbar zu machen. Möglicherweise eine zukunftsträchtige Entwicklung. Sie scheint aber noch weit von der praktischen Anwendbarkeit entfernt zu sein, denn in dem vorliegenden Band wird darauf nicht eingegangen.
Angesichts des noch fortbestehenden Handikaps bei der Energieversorgung dürfte die nahe Zukunft des Elektroautos erst einmal den Kompromißlösungen gehören. Das heißt, daß die Elektroautos vorerst nur bestimmte Nischen des Individualverkehrs besetzen werden. Das sind jene Fälle, in denen regelmäßig nur kürzere Strecken zurückgelegt werden müssen und besonders hohe Anforderungen an die Umweltfreundlichkeit vor Ort gestellt werden. Das Elektroauto könnte dann eine sinnvolle Ergänzung zum herkömmlichen benzinbetriebenen Fahrzeug bilden. Recht aussichtsreich scheint aber auch das "Hybrid-Auto", das beide Antriebsarten enthält: Einen Benzinmotor für den Langstreckenbetrieb und einen Elektromotor für die Stadtfahrt. Beide Versionen sind bereits in den verschiedensten Ausführungen käuflich zu haben. Noch sind sie recht teuer oder mit technischen Unzulänglichkeiten behaftet. Der mangelnde Absatz steht wiederum einer Massenproduktion und damit einer Verbilligung im Wege. Das könnte sich aber ändern, falls etwa der Ölpreis wieder anzieht oder drastisch verschärfte Anforderungen an die Emissionsfreiheit vor Ort gestellt werden.
In den USA planen inzwischen 13 Bundesstaaten, die Einführung von Elektroautos durch Gesetz zu regeln. Mit solchem Rückenwind könnte das Elektroauto, das heute noch als Exot bestaunt wird, auch bei uns sehr schnell zum vertrauten Anblick im Straßenverkehr werden.
Soweit die wichtigsten Aspekte, die von den 16 Autoren dieses Buches in insgesamt elf Beiträgen beleuchtet oder zumindest angerissen werden. Wie fast immer, wenn ein Verlag die Fachaufsätze verschiedener Autoren zu einem Sammelband vereinigt, wird man an sprachlichen Stil, Kohärenz der Darstellung und Lesevergnügen keine hohen Ansprüche stellen dürfen. Bei einem der Texte hat sich der Verlag sogar nicht einmal die Mühe gemacht, ihn aus dem Englischen zu übersetzen, sondern lediglich eine deutsche Zusammenfassung vorangestellt. Wer sich jedoch als Fachmann oder technisch interessierter Laie intensiv mit dem Elektroauto beschäftigt, dürfte hier manchen nützlichen Hinweis finden.
(PB 3/94/*leu)