PresseBLICK-Rezensionen "Elektrosmog"

Messung von Magnetfeldstärken

Andreas Stamm

Untersuchungen zur Magnetfeldexposition der Bevölkerung im Niederfrequenzbereich

140 S., DM 28.-, 1993 VDE-Verlag

Um Magnetfelder der Stromversorgung zu orten, genügt oft schon ein ganz gewöhnlicher Telefonverstärker. Man braucht ihn nur auf volle Lautstärke zu stellen, während die Induktionsspule, die sonst für kontaktfreies Mithören sorgt, in die Nähe eines stromführenden Leiters oder Geräts gebracht wird - schon brummt und pfeift es mächtig im Lautsprecher. Ähnlich einfach ist die Ortung elektrischer Felder mit Leitungs-Suchgeräten. Wer schon mal beim Aufhängen eines Bildes den Nagel direkt in eine Stromleitung gehauen hat, weiß sie zu schätzen.

Erheblich mehr Aufwand verlangt die exakte Messung von Feldern. Besondere Sorgfalt ist beim elektrischen Feld erforderlich, weil hier schon die Anwesenheit des Messenden die Ergebnisse verfälscht. Beim magnetischen Feld muß entweder die Achse der Meßsonde genau in Richtung des Feldvektors zeigen oder die Feldstärke mittels dreier Meßspulen - eine für jede Dimension des Raums - als vektorielle Summe der drei Meßwerte ermittelt werden.

Die diversen "Elektrosmog-Meßgeräte", wie sie z.B. Elektronik-Versender einem breiten Publikum anbieten, genügen meßtechnischen Ansprüchen in aller Regel nicht. Sie haben eher die Qualität von Telefonverstärkern und Leitungs-Suchgeräten. Wenn sie dann lospfeifen oder wild zu blinken beginnen, glaubt sich so mancher unglückliche Besitzer endgültig vom Elektrosmog umzingelt. Einige für grobe Messungen brauchbare Geräte (wie das "Teslameter TM 50" zum Preis von ca. 150 Mark) täuschen zumindest durch mehrstellige Digitalanzeigen eine Genauigkeit vor, die das Meßwerk in Wirklichkeit gar nicht leistet. Die Möglichkeit der Eichung als Voraussetzung einer exakten Messung ist ohnehin bei keinem dieser Geräte gegeben.

Dissertation über Magnetfeld-Messungen

Das vorliegende Buch widmet sich dagegen ganz der wissenschaftlichen Meßtechnik. Es basiert auf einer Dissertation des Verfassers, die in den Jahren 1988 bis 1992 während seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Hochspannungstechnik der TU Braunschweig entstand. Zur Einführung erläutert es kurz die physikalischen Grundlagen der elektromagnetischen Feldtheorie. Ferner verweist es auf die wichtigsten epidemiologischen Studien, die Laborversuche zu biologischen Wirkungen und die wesentlichen Hypothesen zu den Wirkungsmechanismen von niederfrequenten magnetischen Feldern. Den Hauptteil bilden dann die Darstellung von Meßeinrichtungen und -verfahren, die Ursachen niederfrequenter Magnetfelder im Lebensbereich des Menschen und vor allem die Expositionsmessungen, die der Verfasser persönlich in Braunschweiger und Berliner Wohnungen durchgeführt hat. Zum Abschluß wird noch der Frage nachgegangen, auf welche Weise sich niederfrequente Magnetfelder der alltäglichen Umgebung reduzieren lassen.

Besondes handlich, aber nicht der deutschen Norm entsprechend: Die EMDEX-Geräte

Als der Verfasser sich damals anschickte, im Rahmen seiner Dissertation die "Magnetfeldexposition der Bevölkerung im Niederfrequenzbereich" zu untersuchen, gab es noch kein Meßgerät, das den Ansprüchen an die Meßgenauigkeit genügt hätte und zugleich für den vorgesehenen praktischen Einsatz handlich genug gewesen wäre. Er dachte deshalb schon daran, sich ein solches Gerät selbst zu konstruieren. Dann wurde er aber der Mühe des Eigenbaues enthoben, weil in den USA das "EMDEX" auf den Markt kam, das für eine Pilotstudie von amerikanischen Stromversorgern entwickelt worden war. Das EMDEX ermöglicht nicht nur die zeit- und wegabhängige Aufzeichnung von Meßwerten, sondern ist auch besonders handlich, was vor allem durch Verwendung von Meßspulen kleinen Durchmessers mit Ferritkern erreicht wird. Es hat dadurch für deutsche Anwender allerdings den Schönheitsfehler, daß es den in DIN VDE 0848, Teil 4, aufgestellten Vorgaben für die Messung inhomogener Niederfrequenz-Magnetfelder nicht genügt, da hier Luftspulen mit wesentlich größerem Raumbedarf vorgesehen sind. Die Handlichkeit ist jedoch im Zweifelsfall entscheidender, und deshalb wurde ein Gerät dieses Typs z.B. auch bei jener epidemiologischen Untersuchung verwendet, die unlängst der Mainzer Mediziner Prof. Michaelis über einen möglichen Zusammenhang von Kinder-Leukämie mit erhöhten Magnetfeldern in niedersächsischen Wohnungen durchführte (siehe Notiz in dieser PB-Ausgabe).

Ausgerüstet mit diesem Gerät, entwickelte der Verfasser eine Methode, mit der sich niederfrequente Magnetfelder in Wohnungen zuverlässig erfassen lassen: Zunächst wurden inner- und außerhalb von 43 Wohnungen in Braunschweig Kurzzeitmessungen durchgeführt, um die jeweiligen Feldstärken zu ermitteln. Um auch die Schwankungen der Feldstärken im Tagesverlauf erfassen zu können, erfolgten anschließend Langzeitmessungen an exponierten Stellen des Wohnbereichs. Dabei zeigte sich, daß der zeitliche Verlauf der Feldstärken aus einer Überlagerung von kurzzeitigen Schwankungen und einem tageszeitlichen Rhytmus entsteht, der in etwa der Energieverbrauchskurve der Umgebung entspricht. Bei der Hälfte der Wohnungen lag binnen 24 Stunden der Mittelwert der gemessenen Feldstärken unter 60 Nanotesla. Nur bei zwei bis drei Prozent der Wohnungen überschritt er 250 bis 300 Nanotesla. Vergleichsmessungen in Berliner Wohnungen ergaben ähnliche Werte.

Magnetfeldstärken verringern sich mit der zweiten oder dritten Potenz des Abstandes

Aus den zusammenfassenden Bemerkungen des Verfassers verdienen noch folgende Punkte festgehalten zu werden:

- Die höchsten Magnetfeldstärken, denen Menschen in ihrer alltäglichen Umgebung über einen längeren Zeitraum ausgesetzt sind, werden durch Hochspannungsleitungen erzeugt. Im Nahbereich können sie einige zehn Mikrotesla erreichen, und noch in einigen hundert Metern Entfernung können unter Umständen über 100 Nanotesla gemessen werden. Dabei wird jedoch keiner der in nationalen oder internationalen Normen genannten Grenzwerte überschritten.

- Die höchsten Magnetfeldstärken, denen Menschen kurzzeitig ausgesetzt sind, werden durch Arbeitsmaschinen und Haushaltsgeräte erzeugt. Für die Magnetfeldbelastung sind sie aber nur insoweit von Bedeutung, als die Geräte über längere Zeit in unmittelbarer Körpernähe betrieben werden.

- Das Magnetfeld von elektrischen Leitern nimmt mit dem Quadrat der Entfernung ab. Das Magnetfeld von Transformatoren verringert sich dagegen mit der dritten Potenz des jeweiligen Abstandes.

- Bei veralteten Installationen, bei denen der gemeinsame Schutz- und Neutralleiter (PEN) noch über metallische Rohre der Wasser- oder Gasversorgung geerdet wird, können Stromschleifen auftreten und zu erhöhten Magnetfeldstärken führen.

Nach Verlagsangaben wendet sich dieses Fachbuch besonders an Mitarbeiter von Stromversorgern, Elektroindustrie, Behörden und Hochschulen, die mit dem Thema beruflich befaßt sind. Aber auch Ärzte, Arbeitsmediziner, Vertreter der Medien und andere interessierte Laien sollen daraus Nutzen ziehen können. Die zuletzt genannten Leser dürfen sich freilich auf eine recht schwierige Lektüre gefaßt machen. Das Buch verleugnet seine Abstammung von einer Dissertation nicht. Ohne naturwissenschaftliche Grundkenntnisse wird man bei etlichen Fachausdrücken, Formeln, Tabellen und Diagrammen erst mal "Bahnhof" verstehen.

(PB Februar 1996/*leu)