PresseBLICK-Rezensionen Geschichte (Strom u. a.)



Manfred Ragati, Harald Wixforth (Hg.)

Wirtschaft und Energie im Wandel der Zeit - Die Geschichte der Elektrizitätsversorgung in Ostwestfalen und Schaumburg-Lippe

345 S., DM 38.00, Böhlau Verlag Köln 1999


Das Elektrizitätswerk Minden-Ravensberg (EMR) versorgt seit neunzig Jahren den nordöstlichen Zipfel Westfalens zwischen Herford und Steinhuder Meer mit Strom. Sein Netz liegt im Regelbereich der PreussenElektra. Im Unterschied zu den meisten Regionalversorgern ist EMR aber keine Konzern-Tochter, sondern gehört den kommunalen Körperschaften des Versorgungsgebiets. Der Gesellschaftervertrag vom 4. März 1909 beschränkt den Kreis der Gesellschafter sogar ausdrücklich auf Länder, Kreise, Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstige Gebietskörperschaften.

Dank seiner Beteiligungen am Kernkraftwerk Grohnde und am Steinkohlekraftwerk Weser steht EMR auch bei der Stromerzeugung auf eigenen Füßen: Von den 2,7 Milliarden Kilowattstunden, die das Unternehmen 1998 absetzte, kamen über 90 Prozent aus diesen beiden Gemeinschaftskraftwerken. Nur etwa vier Prozent stammten aus dem Verbundnetz. Den Rest deckten das eigene GuD-Kraftwerk in Kirchlengern und Blockheizkraftwerke.

Als eigenständiges Unternehmen braucht EMR nicht zu befürchten, von einer Konzernmutter "heimgeholt" zu werden - so wie dies unlängst dem im Norden angrenzenden Nachbarn HASTRA geschah, den die PreussenElektra mit drei anderen Töchtern zur neuen Avacon zusammenlegte. Dennoch gehen auch die EMR-Beschäftigten mit etlicher Ungewissheit ins neue Jahr, denn es hat sich herumgesprochen, dass zumindest einige der kommunalen Eigentümer ihre Beteiligungen verkaufen wollen. - Als Menetekel steht allen der östliche Nachbar Elektrizitätswerk Wesertal vor Augen, der bis vor kurzem ebenfalls zu hundert Prozent kommunalen Eigentümern gehörte. Noch Anfang 1999 suchten die vier Landkreise Lippe, Hameln-Pyrmont, Holzminden und Schaumburg lediglich nach einem finanzstarken Partner für Wesertal. Am Jahresende war das Unternehmen dann komplett an den finnischen Fortum-Konzern verkauft, der von dieser Bastion aus nun in den deutschen Strommarkt einsteigt und vor allem die Kommunen umwirbt.

Die vorliegende Geschichte des ostwestfälischen Energieversorgers EMR könnte somit zugleich den Schlussstrich unter neunzig Jahre Eigenständigkeit darstellen. Sie verdeutlicht aber auch, dass geschichtliche Entwicklungen offen sind und keinen vorherbestimmten Zwängen unterliegen. Es kommt immer darauf an, ob die sich jeweils bietenden Chancen erkannt und genutzt werden.

Unternehmensgeschichte vor dem Hintergrund der gesamten regionalen und nationalen Entwicklung

Von den üblichen firmengeschichtlichen Darstellungen unterscheidet sich das Werk dadurch, dass es sich nicht auf die Entwicklung des Unternehmens beschränkt, sondern die einzelnen Kapitel der Firmengeschichte vor dem Hintergrund der jeweiligen nationalen und regionalen Entwicklungen darstellt. Dieses Konzept folgt den Ansätzen der neueren Unternehmensgeschichte. Es hilft dem Leser, die Elektrifizierung im östlichen Zipfel Westfalens als Bestandteil und Spiegelbild der allgemeinen Entwicklung und nicht nur als lokales Ereignis zu verstehen.

Gerade einem kommunalen Unternehmen steht es gut an, den Rückblick auf neunzig Jahre der eigenen Geschichte mit dem Blick aufs gesellschaftliche Ganze zu verbinden. Den Auftakt bildet deshalb eine fünfzehn Seiten lange Betrachtung über "Deutschlands Wirtschaft und Gesellschaft im 20. Jahrhundert". Mit souveräner Sachkenntnis und Distanz bilanziert hier der Bielefelder Emeritus Hans-Ulrich Wehler die Entwicklung Deutschlands von der industriellen Revolution über Gründerjahre, ersten Weltkrieg, Inflation, Wirtschaftskrise, Nazi-Diktatur, Wiederaufbau und Spaltung bis hin zum wieder vereinten Deutschland. Der renommierte Historiker verbindet damit die Warnung, die glücklich erreichte Stabilität nicht durch eine neoliberal gefärbte Rückkehr zum Manchester-Kapitalismus erneut aufs Spiel zu setzen. "Niemand kennt genau die rote Gefahrenzone, an der die mühsame Spannungsmeisterung in einen offenen Konflikt umschlägt", mahnt er zum Schluss seiner Betrachtung. "Es bleibt die unverzichtbare Aufgabe des modernen Sozialstaats, wie immer er problemangemessen umgebaut werden muss, sich diesen Spannungen, die aus dem Schoß der Marktgesellschaft unablässig hervorgehen, rechtzeitig zu stellen und sie politisch klug abzufangen".

Die folgenden Detail-Untersuchungen zur Geschichte des EMR im regionalen und nationalen Kontext stammen von jüngeren Historikern aus dem Umkreis der Universität Bielefeld. Den Anfang macht Ingo Köhler, der den Zeitabschnitt bis zum Ende des ersten Weltkriegs erforscht hat. Darin eingebettet ist ein kurzer Überblick zur Entwicklung der Elektroindustrie und der Elektrifizierung im Kaiserreich, den der EMR-Archivar Philipp von Hugo verfasst hat. Christoph Kaleschke befasst sich dann mit dem EMR während Weimarer Republik, NS-Diktatur und zweitem Weltkrieg. Kirsten Schindler schildert Wiederaufbau und Strukturwandel bis Anfang der siebziger Jahre. Schließlich schlägt Harald Wixforth die Brücke zur Gegenwart, indem er die letzten zweieinhalb Jahrzehnte beschreibt.

Auf den letzten Seiten des Buches wagt der Publizist Theo Sommer einen "Rückblick und Ausblick an der Schwelle zum 21. Jahrhundert". Es versteht sich, dass seine Prognosen sehr vage bleiben. Aber auch er sieht die Gefahr, dass sich der Sieg des Kapitalismus über den Sowjetsozialismus als Pyrrhussieg entpuppen könnte, "wenn ein ungezügelter Kapitalismus im Überschwang seines Triumphes die Idee der Sozialpflichtigkeit des Eigentums beiseitefegte und nur noch vor dem Goldenen Kalb des shareholder value tanzte".

Bei der Gründung der Überlandzentrale war Strom noch ein Luxusartikel

Bei der Gründung des EMR vor neunzig Jahren hätten sich die heutigen Fans des "shareholder value" vermutlich mit Grausen abgewandt, denn das Vorhaben schien mit großen Risiken behaftet und versprach keineswegs eine Goldgrube zu werden. Strom war damals noch ein Luxus, den sich nur Vermögende leisten konnten, und diente fast nur der Beleuchtung. Die Absicht des jungen preußischen Landrats Franz von Borries, auch die ländlich-armen Gebiete um Herford mit elektrischer Energie zu versorgen, musste deshalb mit einem finanziellen Desaster enden. So sahen es jedenfalls zunächst die Gemeinden und Kreise, die das notwendige Kapital zur Errichtung des Überlandwerks aufbringen sollten. Hinzu kam, dass die Städte Minden und Herford bereits seit 1901 bzw. 1902 über eigene städtische Kleinkraftwerke verfügten. Daneben gab es im ostwestfälischen Raum etliche private Betreiber von Blockstationen, die im Radius von einigen hundert Metern Haushalte oder Gewerbe mit Elektrizität versorgten.

Alle diese Kraftwerke hatten aber den Nachteil, dass sie Gleichstrom erzeugten, der für die großräumige Verteilung an eine Vielzahl von Abnehmern ungeeignet war. Als Minden und Herford 1907 vor der Notwendigkeit standen, ihre alten Gleichstrom-Anlagen zu erneuern, ließen sie sich deshalb doch von den Vorzügen einer Drehstromzentrale für den gesamten Minden-Ravensberger Raum überzeugen.

Am 4. März 1909 wurde der Gesellschaftsvertrag über die "Elektrizitätswerk Minden-Ravensberg GmbH" unterzeichnet. Am 30. November 1910 fand die Einweihung des Steinkohle-Kraftwerks Kirchlengern statt. Es bestand aus zwei Blöcken mit einer Leistung von 1000 bzw. 700 Kilowatt, die Drehstrom mit einer Spannung von 6000 Volt abgaben. Ein 110 Kilometer langes Netz brachte den vom Kraftwerk erzeugten Drehstrom zu mehr als vierzig Transformatoren- und Schaltstationen, wo er auf 380 Volt für "Kraftstrom" bzw. 220 Volt für "Lichtstrom" heruntergespannt wurde.

Entgegen den anfänglichen Befürchtungen erwies sich die neue Überlandzentrale als äußerst zukunftsträchtig, denn der Strombedarf nahm rasant zu. Schon im März 1911 belief sich der Anschlusswert aller Glühlampen und Motoren auf 3200 kW, während man ursprünglich erst für das Betriebsjahr 1913/14 mit einem Anschlusswert von 1900 kW gerechnet hatte. Die Zahl der versorgten Städte, Landgemeinden und Gutsbezirke erhöhte sich bis zum Sommer 1914 von anfangs 27 auf mehr als hundert. Schon 1912 musste ein dritter Block her, um die Leistung des Kraftwerks auf 3700 kW zu erhöhen. Durch den Beitritt des Fürstentums Schaumburg-Lippe und einiger lippischer Gemeinden erhielt das Versorgungsgebiet des EMR schon vor Ausbruch des ersten Weltkriegs seine bis heute charakteristischen Grenzen.

Die Gründung des EMR erfolgte zu einem Zeitpunkt, als Preußen noch keine eigene Elektrizitätspolitik betrieb, sondern den Aufbau der Stromversorgung kommunaler und privater Initiative überließ. Das überregionale Verbundunternehmen PreussenElektra, in dem Preußen seine diversen Elektrizitätsbeteiligungen zusammenfasste, entstand sogar erst zwanzig Jahre später. Das EMR verdankte seine Eigenständigkeit als kommunaler Regionalversorger also zunächst mal dem frühen Zeitpunkt seiner Gründung. Doch war diese Eigenständigkeit nicht garantiert. Es bedurfte etlicher Anstrengungen, um sie bis heute zu erhalten.

So geriet Ende der zwanziger Jahre das kleine Land Schaumburg-Lippe in große finanzielle Schwierigkeiten, die zu Verhandlungen über seinen Anschluss an Preußen führten. Beim Verlust der staatlichen Selbständigkeit wäre auch Schaumburg-Lippes Beteiligung an EMR dem preußischen Staat zugefallen. Um ein Fußfassen von PreussenElektra im eigenen Unternehmen zu verhindern, übernahmen die EMR-Gesellschafter 1931 vorsorglich die Anteile des notleidenden Partners.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde EMR wie andere Unternehmen politisch "gleichgeschaltet". Die Belegschaft, die nunmehr "Gefolgschaft" hieß, musste sich an Fahnenweihen, Uniformen und Betriebsappelle gewöhnen. Bei Einstellungen hatten "alte Kämpfer" absoluten Vorrang. In den Aufsichtsrat rückten Kreisleiter der NSDAP und sonstige Chargen des Regimes ein. Bei der späteren Entnazifizierung stellte sich heraus, dass die Angestellten der Herforder Hauptverwaltung zu sechzig Prozent Mitglieder der NSDAP waren. Es überrascht nicht weiter, dass EMR damals so braun wurde wie das gesamte Umfeld, zumal es als kommunales Unternehmen direkt dem staatlichen Zugriff unterlag. Bemerkenswert ist eher, dass dieser unerfreuliche Zeitabschnitt inzwischen auch in firmengeschichtlichen Darstellungen nicht mehr verschwiegen oder beschönigt wird. Aufschlussreich für die Verblendung konservativer Kreise gegenüber Hitler ist ferner, wie der EMR-Gründer Franz von Borries die politische Gleichschaltung des Betriebs zu seiner letzten Aufgabe machte, bevor er Ende 1933 den Vorsitz des Aufsichtsrats abgab.

Im Verbund mit Wesertal und Bielefeld behauptete EMR seine Selbständigkeit

Als amerikanische Truppen im April 1945 das EMR-Versorgungsgebiet besetzten, waren das Kraftwerk Kirchlengern und der größte Teil des Netzes noch intakt. So konnte die Stromversorgung ohne größere Einbrüche aufrechterhalten werden. Allerdings hatte ein Bombenangriff das Gebäude der Hauptverwaltung in Herford schwer beschädigt. Ein großer Teil des Netzes war - wie schon während des ersten Weltkriegs - durch Eisendrähte ersetzt worden, um das Kupfer für die Rüstung verwenden zu können. Kohle war knapp. Anfang 1947 drohte dem EMR sogar eine existenzielle Krise, als die englische Besatzungsmacht die erhalten gebliebenen Kraftwerksanlagen demontieren wollte.

Der nächste Angriff auf die Eigenständigkeit kam von der nordrhein-westfälischen Landesregierung, die das EMR 1948 bewegen wollte, das Kraftwerk Kirchlengern stillzulegen und stattdessen Strom vom Kraftwerk Lahde der PreussenElektra zu beziehen. EMR wehrte sich erfolgreich gegen diesen Plan. Neben den noch immer vorhandenen Engpässen bei der Stromversorgung kam ihm dabei zustatten, dass kein anderes Kraftwerk die Magerfeinkohle aus der Zeche Ibbenbüren so frachtgünstig verwerten konnte.

Parallel zum Ausbau des eigenen Kraftwerks verstärkte EMR in den fünfziger Jahren die Zusammenarbeit mit den Nachbarn Elektrizitätswerk Wesertal und Stadtwerke Bielefeld. Im Februar 1952 gründeten die drei kommunalen Stromversorger eine Interessen- und Arbeitsgemeinschaft (Interargem) und im Juni 1959 die Gemeinschaftskraftwerk Weser GmbH (GKW) mit Sitz in Veltheim. In den nächsten zehn Jahren entstand in Veltheim ein modernes Steinkohlekraftwerk mit einer Gesamtleistung von 500 MW.

Gemeinsam umschifften die drei Partner den "300-Megawatt-Erlass", mit dem das Bundeswirtschaftsministerium im Juli 1964 die Konzentration der deutschen Stromerzeugung und -verteilung voranzutreiben gedachte. Das Gemeinschaftskraftwerk Weser verfügte bis dahin über zwei 100-MW-Blöcke, die durch zwei 150-MW-Blöcke ergänzt werden sollten. Um den Vorgaben des Bundeswirtschaftsministeriums zu genügen, errichtete man nun zwei weitere 300-MW-Blöcke, die 1970 und 1975 in Betrieb gingen und so den Strombedarf der drei Partner sicherstellten.

Das Kraftwerk Kirchlengern, mit dem die Geschichte des EMR begonnen hatte, verlor unterdessen immer mehr an Bedeutung. Die steigenden Steinkohle-Preise machten es unwirtschaftlich, das Kraftwerk weiterhin in der Grundlast einzusetzen. Auch kam es zu Klagen wegen der Emissionen, die noch nicht den heutigen strengen Vorschriften unterlagen. In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre wurden deshalb die Blöcke in Kirchlengern sukzessive von Kohle auf Gas umgerüstet und trugen seit Mitte der siebziger Jahre nur noch in geringem Umfang zur Stromerzeugung bei.

Aber auch das neue Gemeinschaftskraftwerk Weser konnte die steigende Grundlast der drei kommunalen Stromversorger auf Dauer nicht befriedigen. So wagten sie den Einstieg in die Kernenergie und beteiligten sich 1970 über die Gemeinschaftskraftwerk Weser GmbH mit einem Anteil von 26 Prozent an der Betreibergesellschaft für den geplanten Hochtemperaturreaktor in Hamm-Uentrop.

Bekanntlich stand dieses Forschungsprojekt unter keinem guten Stern (siehe PB 2/92). Wegen der Verzögerungen bei Planung und Bauausführung dauerte es fünfzehn Jahre, ehe der Hochtemperaturreaktor 1985 erstmals ans Netz gehen konnte. Zugleich verteuerte er sich enorm. Die kommunalen Eigner des Gemeinschaftskraftwerks Weser sollten deshalb schon 1982 ihre Beteiligung erhöhen. Sie lehnten dies aber ab, froren ihre Kapitalbeteiligung ein und überließen das ursprünglich vorgesehene Stromkontingent den VEW. Auch den übrigen Partnern wurde das Projekt am Ende zu teuer: Im November 1989 besiegelte ein Vertrag zwischen Bund, Land und Betreibergesellschaft das endgültige Ende des Hochtemperaturreaktors.

Mehr Freude bereitete dem EMR seine Beteiligung am Leichtwasser-Reaktor Grohnde, dessen Errichtung die drei kommunalen Partner der "Interargem" Anfang 1973 gemeinsam mit der PreussenElektra vereinbarten. Auch hier kam es zu etlichen Verzögerungen, die durch Einsprüche und Prozesse bewirkt wurden. Ab 1985 war Grohnde dann aber in Betrieb und erwies sich mit einer Leistung von 1360 MW als eines der produktivsten deutschen Kernkraftwerke. Die Kernenergie deckte fortan die Grundlast und mehr als die Hälfte bis zwei Drittel des EMR-Strombedarfs. Das kohlebefeuerte Gemeinschaftskraftwerk Weser konnte sich nun auf die Mittellast beschränken, während Spitzenlasten von der GuD-Anlage in Kirchlengern abgedeckt wurden.

Seit Tschernobyl war allerdings auch die Beteiligung an Grohnde keine reine Freude mehr. Die zeitweise sehr hitzig geführte Debatte um die Risiken der Kernenergie veranlasste einige Kommunalpolitiker zu der Forderung, auf Strom aus Grohnde zu verzichten. - Für Geschäftsführer Manfred Ragati ein völlig unzumutbares Ansinnen, aber sicher ein Grund mehr, um in Blockheizkraftwerke und andere Projekte zu investieren, die Gnade vor dem Zeitgeist fanden. 1991 wurde auf der höchsten Erhebung Herfords die erste Windkraftanlage eingeweiht. 1993 erhielt das Freibad Lindhorst eine Solarabsorberanlage. Im selben Jahr verwirklichte EMR in Spenge ein viel beachtetes Projekt zur Abwärme-Nutzung, bei dem das Abwasser eines Industriebetriebs mittels Wärmepumpen zur Heizung einer Siedlung dient. Außerdem engagierte sich EMR in den Bereichen Verkehr, Entsorgung, Gas/Wasser, Telekommunikation und Engineering. Das letzte Kapitel der vorliegenden Firmengeschichte sieht EMR insgesamt auf dem Weg zum "Dienstleistungskonzern".

Spezielle Erwähnung verdient noch der öffentliche Nahverkehr, in dem das EMR fast seit der Gründung tätig ist: Schon 1914 entstand unter seiner Federführung die Straßenbahn Minden GmbH. 1926 folgte der Einstieg in den Linienverkehr mit Omnibussen. In Herford übernahm EMR die dampfbetriebene Kleinbahn, besorgte deren Elektrifizierung und erweiterte das Streckennetz. Der Verkehrsbereich blieb jedoch immer ein Sorgenkind, das vor allem auf Wunsch der kommunalen Eigentümer mit durchgepäppelt wurde. Die heutigen Verkehrsbetriebe Minden-Ravensberg (VMR) sind eine 61-prozentige EMR-Tochter. Die restlichen Anteile halten die Städte Herford und Minden, in denen das Unternehmen jeweils sechzig Busse einsetzt.

Die Karten werden jetzt neu gemischt

Schon seit Mitte der sechziger Jahre erwogen die drei "Interargem"-Partner eine noch stärkere Kooperation. Anfang der siebziger Jahre planten EMR und Wesertal sogar eine Fusion, die es ihnen erlaubt hätte, sich als großer Regionalversorger direkt hinter den Verbundunternehmen zu platzieren. Erneut tauchten solche Pläne im Sommer 1998 auf, als die Liberalisierung in Kraft getreten war und sich damit völlig neue Zwänge abzeichneten. Nachdem Wesertal von Fortum gekauft wurde, sind diese Pläne allerdings überholt und werden die Karten neu gemischt. Am Ende des vorliegenden Werks erhebt sich deshalb die spannende Frage, wie es wohl in Kürze weitergehen wird. - Kommt es vielleicht zu einem ostwestfälischen Stromverbund zwischen EMR, Stadtwerken Bielefeld und Paderborner Pesag, wie ihn die Betriebsräte dieser drei Unternehmen gefordert haben? Bringt PreussenElektra vielleicht mehr als die Pesag ins Spiel? Oder treten andere Akteure aus den Kulissen hervor und sorgen für noch größere Überraschungen?

(PB 12/99/*leu)