PresseBLICK-Rezensionen Geschichte (Strom u. a.)



Badenwerk / Badisches Landesmuseum

Die elektrisierte Gesellschaft

230 S., DM 28.-, Karlsruhe 1996, erhältlich über den Buchhandel (ISBN 3-923132-52-2)


Ebenso wie das Bayernwerk (siehe PB 5/96) feiert in diesem Jahr das Badenwerk sein 75jähriges Bestehen. Beide Verbundunternehmen wurden einst vom Staat gegründet - wie auch in der Namensgebung bis heute zum Ausdruck kommt -, um landesweit eine sichere und preisgünstige Stromversorgung zu erreichen. Darüber hinaus verbindet die beiden süddeutschen Stromversorger, daß ihre Wiege abseits der großen Kohlereviere stand. - Ein Nachteil, den sie in den Anfängen der Stromversorgung durch die "weiße Kohle" und in neuerer Zeit durch eine besonders intensive Nutzung der Kernenergie ausgeglichen haben. Bis heute bestreitet das Badenwerk etwa zehn Prozent und damit einen überdurchschnittlich hohen Anteil seiner Stromproduktion aus Wasserkraft. Die weitaus wichtigste Rolle spielt freilich mit rund siebzig Prozent die Kernenergie.

Ein Wasserkraftwerk bildete das Grundkapital

In Baden hatte man die Stromversorgung zunächst privater Initiative überlassen, worauf um die Jahrhundertwende am Hochrhein die Grenzkraftwerke Rheinfelden, Wyhlen und Laufenburg entstanden. Die Industrie im Norden des Landes wurde von Dampfkraftwerken versorgt, die ihre Kohle relativ günstig über den Rhein beziehen konnten. Dagegen waren die ländlichen Gebiete Mittelbadens wenig erschlossen, weil hier die Stromversorgung kaum lohnte. Die großherzogliche Regierung und der Landtag in Karlsruhe neigten inzwischen ohnehin dazu, die Nutzung der Wasserkräfte als staatliche Aufgabe anzusehen. So kam es 1912 zum Gesetz über den Bau und Betrieb eines staatlichen Wasserkraftwerks an der Murg bei Forbach im Schwarzwald. Es wurde während des ersten Weltkriegs gebaut und mußte wegen des wachsenden Strombedarfs sogleich um eine zweite Baustufe - das Schwarzenbachwerk - erweitert werden. Dieses sogenannte Murgwerk bildete 1921 das Herzstück und Grundkapital der "Badischen Landes-Elektrizitäts-Versorgungs AG", in die das Land alle ihm gehörenden Anlagen zur Stromversorgung einbrachte und die seit 1938 offiziell als "Badenwerk" firmierte. Der badische Landtag verband damit die Verpflichtung, das gesamte Grundkapital der Aktiengesellschaft stets im staatlichen Besitz zu halten. Erst 1970 hob der baden-württembergische Landtag diese Vorschrift auf. Aber noch immer ist der Südweststaat, der 1953 aus der Vereinigung Badens mit Württemberg entstand, der Hauptaktionär des Badenwerks.

Kataloghandbuch zu einer Ausstellung

Wer wissen will, wie es im einzelnen weiterging mit dem Badenwerk und der Stromversorgung zwischen Mannheim und Konstanz, tut gut daran, sich die vorliegende Schrift zu besorgen. Es handelt sich um das Kataloghandbuch zu der Sonderausstellung "Die elektrisierte Gesellschaft", die derzeit im Badischen Landesmuseum im Karlsruher Schloß zu sehen ist. Als Katalog enthält es die farbigen Abbildungen der meisten Exponate mit den dazugehörigen Texten. Darüber hinaus bietet es als Handbuch ein Dutzend lesenswerter Aufsätze von Mitarbeitern des Landesmuseums, die in die thematischen Schwerpunkte der Ausstellung einführen. So befaßt sich Gisela Grasmück - die auch als Bearbeiterin des Bandes zeichnet - mit der Architektur von Umspannanlagen, mit der Entwicklung des Herdes und den einst für Unterhaltungszwecke beliebten "Elektrisiergeräten". Andere Beiträge behandeln die Themen "Elektrizität und Kunst", "Der elektrische Landwirt" oder "Büroarbeit im Wandel". Sogar eine kurze Geschichte der Elektromedizin und der Einfluß der Elektrizität auf das Musikleben wurden nicht vergessen.

Speziell mit der Geschichte der badischen Stromversorgung befassen sich die beiden ersten Beiträge des Bandes: Uwe Kühl beschreibt "die Anfänge der Elektrifizierung Badens 1880 - 1921". Alexia K. Haus blättert anschließend die Chronik des 75jährigen Badenwerks auf. Ergänzend bietet Friedrich Schumacher vom Badenwerk noch eine tabellarische Übersicht mit den wichtigsten Etappen, die sein Unternehmen zurückgelegt hat, bis hin zu den Fusionsverhandlungen mit der Energie-Versorgung Schwaben (EVS) oder der Entscheidung für das "Thermoselect"-Verfahren zur Müllentsorgung.

Da es bisher keine Gesamtdarstellung der Elektrifizierung Badens gibt, sind diese Beiträge für die Gewinnung eines historischen Überblicks besonders aufschlußreich. Sie enthalten außerdem Hinweise auf Einzelstudien und Quellen, die sonst schwerlich zu finden wären.

Die Ausstellung selbst ist noch bis zum 13. Oktober zu besichtigen: Unter dem Titel "Die elektrisierte Gesellschaft" vermittelt sie eine Vorstellung davon, wie sich die Stromversorgung in Baden entwickelt hat und welche Umwälzung im beruflichen und häuslichen Alltag damit verbunden war. Die rund 130 Exponate müssen sich mit der üblichen Fläche einer Sonderausstellung begnügen, sind aber sorgfältig ausgewählt und gut in Szene gesetzt.

Die Finanzierung wurde vom Badenwerk anläßlich seines Jubiläums übernommen. Unter dem Diktat des Rotstifts, das derzeit vielen Bildungseinrichtungen zusetzt, hätte das Landesmuseum auch kaum die Mittel für ein derartiges Projekt gehabt, obwohl es sich hervorragend in die kultur- und landesgeschichtlichen Dokumentationen der vergangenen Jahre einfügt. Unabhängig von der finanziellen und sonstigen Unterstützung durch das Badenwerk entstanden Ausstellung und Kataloghandbuch aber in der fachlichen Verantwortung des Landesmuseums - eine überzeugende Arbeitsteilung, wie sie in ähnlicher Weise das Bayernwerk praktizierte, indem es die Erforschung seiner Unternehmensgeschichte einem professionellen Historiker übertrug (siehe PB 5/96).

Fusion mit der EVS ist beschlossene Sache

Das Badenwerk liegt heute an siebter Stelle unter den deutschen Energieversorgern. In die Feier seines 75jährigen Bestehens mischt sich für eingefleischte Badener auch Abschiedsschmerz, weil es das Unternehmen in der alten Form nicht mehr lange geben wird: Die Fusion mit der württembergischen EVS ist beschlossene Sache; ebenso die Privatisierung des gemeinsamen Unternehmens, das dann hinsichtlich der Stromabgabe nach RWE Energie, PreussenElektra und VEAG auf den vierten Platz vorrücken wird.

(PB 7/96/*leu)