PresseBLICK-Rezensionen Geschichte (Strom u. a.)



Lutz Pape / Hans Jürgen-Weinert

Bottichwaschmaschine & Haustelegraph - Anfänge der Elektrotechnik im Haushalt

Braunschweig 1993: Georg Westermann Verlag, 147 S., 95 farb. u. zahlreiche s/w- Abb., DM 39.80


Das waren noch Zeiten, als man vor dem Einschalten des Radios erst mal ans Fenster ging, um den Hebel des Schalters zur Hochantenne auf "Ein" umzulegen. Es war nämlich ratsam, die Antenne bei Nichtbenutzung des Radios zu erden, damit der Blitz nicht ins teure Gerät fuhr und alles verschmorte. Aus demselben Grund tat man gut daran, das Radiohören während eines Gewitters zu unterlassen. Ein Ohrenschmaus war es ohnehin nicht, da man damals nur den AM-Empfang im Mittel- und Langwellenbereich kannte, der auch weit entfernte atmosphärische Störungen als Krachen und Prasseln vernehmen ließ.

In solche, noch gar nicht so weit zurückliegende, Kindheitstage der Elektrotechnik im Haushalt führt das vorliegende Buch. Der Verfasser Hans-Jürgen Weinert leitete das Elektrotechnische Museum der HASTRA in Hannover, dem auch die zahlreichen farbigen Abbildungen von Haushaltsgeräten entstammen. Mit Sinn fürs Wesentliche präsentiert er eine Auswahl der Schätze seines Museums, die dem Technik-Freak wie dem Nostalgiker das Herz höher schlagen lassen. Der leicht verständliche, keinerlei Fachkenntnisse voraussetzende Text und die von Lutz Pape akkurat fotografierten Haushaltsgeräte ergänzen sich in der glücklichsten Weise.

Wer kennt noch die Nernst-Lampe oder das Hupfeld-Klavier?

Viele der dargestellten Geräte sind der heutigen Generation nur noch vom Hörensagen bekannt: Die Differentialbogenlampe, die Nernst-Lampe, der Detektor-Empfänger, die ersten elektrischen Tonköpfe fürs Grammophon, das Hupfeld-Klavier, die Laterna magica, der elektrische Haustelegraph und anderes mehr. Endlich sieht man mal, wie so etwas ausgesehen hat, und erfährt dazu, wie es funktionierte.

Daneben lernt man die Urahnen solcher elektrischen Geräte kennen, die heute in keinem Haushalt fehlen dürfen: Das elektrische Bügeleisen etwa, zu dem es einen speziellen "Vergütungszähler" gab, damit beim Anschluß an die "Lichtleitung" nur der günstigere "Kraft"-Tarif berechnet werden konnte. Oder die Vorläufer unserer heutigen Waschmaschinen, Kühlschränke, Küchenmaschinen und Staubsauger. Weibliche Leser wird vielleicht besonders die elektrische Brennschere interessieren, die dann von der klobigen Dauerwellen-Haube abgelöst wurde. Oder die Entwicklung des "Föns", der ursprünglich ein geschütztes Markenzeichen der AEG war, bevor er zum gebräuchlichen Synonym für jede Art von Haartrockner wurde.

Noch unterhaltsamer machen den Museums-Spaziergang allerlei Spielzeug und Skurrilitäten, die ebenfalls mit Strom betrieben wurden. Etwa die köstliche Reklame "Ich bin geheilt durch Wohlmuth!": Ob Kreuzschmerzen, Herzneurose, Impotenz oder Hämorrhoiden ? es gab angeblich kein Wehwehchen, das mittels des elektrogalvanischen Apparats der Firma Wohlmuth nicht geheilt werden konnte.

Der Verfasser selbst läßt es nicht an jenem trockenen Humor fehlen, den Museumsbesucher an einem routinierten Führer zu schätzen wissen. So, wenn er die "Treppenhausautomaten" erläutert, mit denen sparsame Hauswirte die Lichtrechnung möglichst klein halten wollten: "Die Automatik besteht darin, daß sie grundsätzlich dann das Licht ausschalten, wenn man sich zwischen zwei Etagen befindet. Fluchend muß man sich im Dunkeln zum nächsten Lichtschalter vortasten."

Ja, so woarns, die alten Elektrogeräte, möchte man frei nach Karl Valentin sagen und sich verstohlen eine Träne der Rührung aus dem nostalgiefeuchten Auge wischen. Mitunter kommt aber auch so etwas wie Bestürzung auf, wenn man ein Gerät, das man selbst einmal in jüngeren Tagen als High tech-Produkt benutzt hat, nun schon im Museum wiederfindet: Das "3-D-Radio" zum Beispiel, das oft kombiniert war mit einem Plattenspieler oder einem Mittelding zwischen Platte und Tonband, das "Tefifon" hieß. ? Das war jenes Radio, mit dem man damals, so Ende der fünfziger, die Eltern zur Verzweiflung trieb und die Nachbarn rebellisch machte, weil sie Elvis oder Little Richard partout nicht ausstehen konnten...

Tempus fugit! Bald wird die HASTRA auch die heutige Elektrotechnik ihrem Museum einverleiben können. Dann stehen einmal die heutigen Computer-Kids mit Tränen der Rührung vor dem dann vorsintflutlichen, ehemals hochmodernen 10 Megabyte-Prozessor...

(PB 4/93/*leu)