PresseBLICK-Rezensionen Erneuerbare Energien



Wilhelm Stahl, Adolf Goetzberger, Karsten Voss

Das energieautarke Solarhaus: Mit der Sonne wohnen

146 S., DM 58.-, C.F. Müller Verlag 1997


Von 1992 bis 1996 testete das Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg ein "energieautarkes Solarhaus", das weder Strom- noch Gasanschluß besaß. Es handelte sich um ein Demonstrations- und Forschungsprojekt. Die Bau- und Unterhaltungskosten hätten jeden normalen Bauherrn überfordert. Auch war der Energieaufwand für die Errichtung des Gebäudes mehr als doppelt so groß wie bei einem normalen Haus, das dem neuesten Stand der Wärmeschutzverordnung entspricht.

Daß sich der Aufwand dennoch gelohnt hat, belegt die vorliegende Veröffentlichung. Drei ISE-Mitarbeiter beschreiben darin detailliert, wie das Projekt geplant und verwirklicht wurde, welche Ergebnisse und Erfahrungen aus drei Jahren Meßbetrieb vorliegen, wie es sich mit der Gesamtenergiebilanz verhält und welche Perspektiven sich aufzeigen lassen. Einer der Verfasser, Wilhelm Stahl, hat mit seiner Familie selber zwei Winter und zwei Sommer lang in dem Haus gelebt. Das einleitende Kapitel über "Sonnenenergie im Wohnungssektor" stellt das Freiburger Forschungsprojekt in den größeren Rahmen der Bemühungen um Energieeffizienz und zeigt diverse Möglichkeiten auf, wie sich der Energiebedarf von Häusern minimieren läßt.

Wichtigste Voraussetzung für alle sogenannten Niedrigenergiehäuser ist zunächst eine hervorragende Wärmedämmung und Luftdichtheit des Gebäudes. Das Freiburger Solarhaus ist darüber hinaus ein "Passivhaus", das zusätzlich die Sonnenenergie nutzt und deshalb mit einem Heizenergiebedarf von jährlich nur 10 Kilowattstunden pro Quadratmeter auskommt.

Das Haus im Christaweg 40 steht auf einem sonnigen, schattenfreien Grundstück. Die Südfassade wendet sich mit viel Fensterflächen der Sonne zu und ist mit einer transparenten Wärmedämmung versehen. Die Nordseite ist dagegen fast fensterlos und sorgfältig gegen Wärmeverluste gedämmt. Auf dem Dach befinden sich Sonnenkollektoren für die Warmwasserbereitung und Solarzellen für die Stromerzeugung. Um Energieverluste durch Öffnen der Fenster zu vermeiden, verfügen die Wohnräume über ein ausgeklügeltes Lüftungssystem, das die Erdwärme zur Vorerwärmung der Frischluft nutzt und die in der Abluft enthaltene Wärme zurückgewinnt.

Die zur Verfügung stehende elektrische Energie aus Solarzellen (4,2 kW Peak-Leistung) wurde zu 56 Prozent unmittelbar genutzt oder für kurze Zeit in einer Bleibatterie (20 kWh) zwischengespeichert. Die restlichen 44 Prozent dienten zur Erzeugung von Wasserstoff, der in einem Tank gespeichert wurde. Mit dem Wasserstoff wurde gekocht und der minimale Restwärmebedarf des Hauses gedeckt. Außerdem konnte er per Brennstoffzelle (1kW) wieder in Strom verwandelt werden, falls Solarzellen und Batterie überfordert waren.

Rückverstromung per Brennstoffzelle klappte nicht: Zum Glück war der Netzanschluß noch da

Die anfangs eingesetzte Flüssig-Brennstoffzelle versagte allerdings. Die Bewohner mußten deshalb häufig auf das Netz umschalten, wenn die Batterie erschöpft war (der Netzanschluß des Gebäudes war eigentlich nicht vorgesehen, aber der Baustromanschluß zum Glück noch vorhanden). Erst mit einer neu angeschafften Membran-Brennstoffzelle, die ab Oktober 1994 in Betrieb ging, klappte die Rückverstromung des Wasserstoffs tatsächlich und wurde die Abhängigkeit vom Stromnetz beendet.

Die großen Erwartungen hinsichtlich der Wasserstoff-Technologie, wie sie noch Anfang der neunziger Jahre herrschten, wurden inzwischen etwas gedämpft. Vielleicht aus diesem Grund betonen die Verfasser, daß Wasserstoff die Forderungen einer künftigen solaren Energiewirtschaft in idealer Weise erfülle. Auch Sicherheitsbedenken stünden dieser nicht entgegen. Im großen und ganzen sei der Umgang mit Wasserstoff nicht riskanter als der Umgang mit Erdgas.

Für ein energieautarkes Solarhaus mit Wasserstoff-Energiespeicher sehen sie allerdings kaum einen Bedarf. Unter anderem deshalb habe man beschlossen, die Wasserstoff-Technologie nach Abschluß des Tests nicht in den Langzeitbetrieb gehen zu lassen. "Ohne Stromanschluß lernt man schnell zu schätzen, welche Aufgaben eine zentrale Stromversorgung täglich übernimmt", resümieren die Autoren. "Die autarke elektrische Energieversorgung eines Einzelgebäudes bleibt auch in Zukunft nur dann sinnvoll, wenn standortbedingt ein Netzanschluß nur zu hohen Kosten möglich ist."

Neue Versuchsreihe testet Wärmepumpen in Verbindung mit dem Lüftungssystem

Das Buch beschränkt sich auf die Darstellung des Projekts "energieautarkes Solarhaus", das 1996 abgeschlossen wurde und während seiner Laufzeit mehr als 5000 Besucher in das Haus am Christaweg 40 lockte. Wie man auf Nachfrage beim Fraunhofer-Institut erfährt, wurde inzwischen die Wasserstoff-Technologie ausgebaut, um an anderer Stelle weiterverwendet zu werden. Das "Solarhaus Freiburg", wie das Gebäude nunmehr offiziell heißt, verzichtet fortan auf das Attribut "energieautark". Es wurde ans Netz angeschlossen und speist den Überschuß aus der Photovoltaik-Anlage in die öffentliche Stromversorgung ein.

Als Forschungs- und Demonstrationsobjekt hat das Gebäude aber noch nicht ausgedient. Zum Beispiel wird die Südfassade jetzt mit einer thermotropen Verglasung ausgerüstet, die sich je nach Lichteinfall selbständig verdunkelt oder aufhellt. Als großflächiger "optischer Schalter" ersetzt sie die aufwendige mechanische Verschattung.

Besonders interessant verspricht eine Versuchsreihe zu werden, die derzeit mit Förderung des Badenwerks läuft. Es geht dabei um die Deckung des Restwärmebedarfs für "Passivhäuser" mit einer Wärmepumpe, die in das Lüftungssystem integriert ist. Das Freiburger Solarhaus bietet für diesen Test ideale Voraussetzungen, da es als Passivhaus bereits einen minimalen Heizbedarf aufweist und die Restwärme schon bisher mit der notwendigen Frischluftzufuhr aus den Lüftungsschlitzen kam. Außerdem wurde schon bisher die angesaugte Frischluft erst durch Rohre im Erdreich geleitet und dadurch vorerwärmt, bevor sie ein Wasserstoff-Brenner auf Raumtemperatur brachte.

Bei dem neuen Lüftungs- und Heizsystem, das vom Fraunhofer-Institut gemeinsam mit dem Badenwerk und vier Herstellern erprobt wird, strömt die kalte Frischluft zunächst durch die Rohre im Erdreich und wird dabei vorgewärmt. Danach passiert sie den Wärmetauscher im Lüftungsgerät und wird durch die Abluft ein weiteres Mal erwärmt. Zum Schluß wird sie durch die Wärmepumpe, welche die Restwärme in der Abluft nutzt, noch ganz auf Raumtemperatur gebracht. Der Vorteil dieser Anordnung liegt darin, daß die Wärmepumpe einen höheren Wirkungsgrad erreicht und unabhängiger von den Schwankungen der Außentemperatur wird. Die Heizung kann bei diesem System völlig entfallen bzw. erfolgt ausschließlich durch die erwärmte Zuluft. Die Wärmepumpe stützt zugleich die Sonnenkollektoren auf dem Dach und sorgt für warmes Wasser, falls die Einstrahlung der Sonne nicht ausreicht.

Wenn sich dieses kombinierte Lüftungs- und Heizungssystem bewährt, hat die strombetriebene, in das Lüftungssystem integrierte Wärmepumpe beste Chancen, künftig auch bei anderen Passivhäusern zur Deckung des Restwärmebedarfs herangezogen zu werden. Denn so umweltfreundlich, komfortabel und preisgünstig zugleich wäre keine andere Lösung.

(PB 2/98/*leu)