PresseBLICK-Rezensionen Erneuerbare Energien



Erich Hau

Windkraftanlagen - Grundlagen, Technik, Einsatz und Wirtschaftlichkeit

Heidelberg 1996: Springer-Verlag, 665 S., 460 Abb., DM 260.-


Bei diesem Buch braucht man über den Preis erst gar nicht zu reden. Seine Anschaffung ist für den Käufer entweder purer Luxus oder pure Notwendigkeit. Es ist allerdings zu befürchten, daß kaum einer um diesen tiefen Griff ins Portemonnaie herumkommt, der sich eingehender mit der Technik und Wirtschaftlichkeit von Windkraftanlagen befaßt. Dafür bekommt er ein solide gebundenes, auf gutem Papier gedrucktes, mit zahlreichen hervorragenden Abbildungen versehenes und mit solidem Fachwissen gespicktes Werk.

"Wer in diesem Buch Bastelanleitungen zum Selbstbau von Windrädern sucht - so interessant dieses Hobby ist - wird enttäuscht werden", warnte der Autor bereits in der 1988 erschienenen ersten Auflage. "Es wendet sich in erster Linie an Personen, die sich mit der Forschung, der Entwicklung, dem Bau und dem Betrieb von Windkraftanlagen beruflich zu befassen haben."

Ein Kompendium der Windkraft-Technik

Die nunmehr vorliegende zweiten Auflage behält den grundsätzlichen Aufbau des Buches bei. Den Anfang machen zwei sehr interessante Kapitel über die Geschichte der Windkraft und die ersten Versuche, sie für die Stromerzeugung zu verwenden. Die folgenden Kapitel beleuchten technische Einzelaspekte: Bauformen von Windkraftanlagen, physikalische Grundlagen der Windenergieumwandlung, Aerodynamik des Rotors, Belastungen und Strukturbeanspruchungen, Rotorblätter, mechanischer Triebstrang und Maschinenhaus, elektrisches System, Regelung und Betriebsführung, Schwingungsprobleme, Turm, Leistungsabgabe und Energielieferung, Aufstellung und Betrieb. Zum Schluß geht es um Anwendungskonzeptionen und Einsatzbereiche, Umweltverhalten, Kosten und Wirtschaftlichkeit.

Bei der Überarbeitung galt das besondere Augenmerk des Autors den technischen Neuerungen sowie dem Einsatz und der Umweltverträglichkeit von Windkraftanlagen. So wurden inzwischen leistungsfähige Frequenzumrichter entwickelt, bei denen die früher gefürchteten Netzrückwirkungen durch Oberwellen weitaus geringer sind. Damit eröffnen sich neue Chancen für eine elastischere Kopplung der Anlagen mit dem Netz. Bisher wurden für die Netzeinspeisung fast nur Asynchrongeneratoren verwendet, die mit ihrem bauartbedingten "Schlupf" die Leistungsschwankungen des mechanischen Antriebs zum großen Teil abzufedern vermögen. Dagegen kamen Synchrongeneratoren für die Netzeinspeisung kaum in Betracht. Nach Darstellung des Autors hat sich das geändert: Zumindest im mittleren Leistungsbereich gehöre inzwischen der drehzahlvariable Synchrongenerator mit Gleichstromzwischenkreis und Frequenzumrichtung zur ersten Wahl. Namentlich erwähnt er die E-40 von Enercon mit einer Nennleistung von 500 kW, die sich vor allem durch den völligen Wegfall des Getriebes auszeichnet, weil der direkt vom Rotor angetriebene Synchrongenerator mit 84 Polen einen Durchmesser von fast fünf Metern besitzt. Die Großwindanlage WKA 60 mit einer Nennleistung von 1,2 MW im Kaiser-Wilhelm-Koog verfügt ebenfalls über einen Synchrongenerator, allerdings ohne Gleichstromzwischenkreis und mit einem statischem Frequenzumrichter, womit sie sich besonders für den Inselbetrieb empfiehlt.

Apropos Inselbetrieb: Bei der Beschreibung der Schwesteranlage, die auf der Insel Helgoland zusammen mit zwei Dieselaggregaten die Stromversorgung sichern sollte, vermißt man einen Hinweis auf den inzwischen erfolgten Abbau. Auch im Abschnitt über den notwendigen Blitzschutz von Windkraftanlagen werden die Probleme mit der Helgoländer WKA 60 nicht erwähnt.

Wieweit können Windkonverter Kraftwerkskapazitäten ersetzen?

Im Abschnitt "Windkraftanlagen im Kraftwerkverbund der Energieversorgungsunternehmen" vertritt der Autor die Ansicht, daß Windkraftanlagen im Zusammenwirken mit den konventionellen Kraftwerken neben der Vermeidung von Brennstoffkosten auch beachtliche Kapazitäten einsparen helfen. Und zwar könne unter den Bedingungen des westeuropäischen Verbundnetzes der Beitrag der Windkraftanlagen zur gesicherten Leistung ungefähr gleichgesetzt werden mit dem Wert ihrer Verfügbarkeit. Am Beispiel der WKA 60 errechne sich so ein Kapazitätsfaktor von nicht weniger als 30 Prozent. Oder anders gesagt: 1 kW Windstrom ersetze 0,30 kW konventionelle Kraftwerksleistung.

Da dürfte wohl mancher andere Experte ein bißchen anderer Meinung sein. Dennoch wird er dieses hervorragende Fachbuch in seinem Regal nicht missen mögen.

(PB 11/95/*leu)