PresseBLICK-Rezensionen Erneuerbare Energien



Holger Krawinkel

Für eine neue Energiepolitik

Frankfurt a. M.: Fischer 1991, 156 S.


Der Ölpreisschock der siebziger Jahre hat Dänemarks Energiewirtschaft nachhaltig beeinflußt. Binnen weniger Jahre wurde die Stromerzeugung von Öl auf Kohle umgestellt, die Kraft-Wärme-Kopplung vorangetrieben, die Fernwärmeversorgung ausgebaut und ein großangelegtes Energiesparprogramm verwirklicht. Hinzu kam die Förderung der Windkraft und anderer regenerativer Energien.

Grund genug also, über den Zaun nach Dänemark zu blicken und sich zu fragen, "was die Bundesrepublik Deutschland von Dänemark lernen kann" - so der Untertitel dieses Buches aus der Reihe "Fischer alternativ", dessen Verfasser als Regionalplaner in der Landesverwaltung Schleswig-Holstein tätig ist.

Dem bunten Cover mit den rotierenden Windkonvertern folgt aber leider eine recht zähe Kost, die weder ein zusammenhängendes Bild der dänischen Energiewirtschaft vermittelt noch einen begründeten Vergleich mit der Bundesrepublik ermöglicht. Man erfährt zwar manche Details über das Energiesparprogramm, Biogasnutzung oder Strohkraftwerke, doch wird vor lauter Bäumen der Wald nicht so recht sichtbar. Hinzu kommt, daß der Sprachstil des Autors eher in ein soziologisches Proseminar passen würde (ein typisches Zitat: "Die Anwendung dieser Politikelemente ist gekennzeichnet durch eine aktive Rolle aller, also einschließlich der staatlichen und kommunalen Akteure mit einer jeweils eindeutigen Zuordnung von Aufgaben und Kompetenzen").

Mangels ausreichender Systematik und Grundinformation entsteht beim Leser z.B. leicht der Eindruck, daß die Dänen bei der Stromerzeugung aus regenerativen Energien führend seien. In Wirklichkeit tragen Windkonverter und andere regenerative Energien in Dänemark derzeit nur knapp 2% zur Stromerzeugung bei. In der Bundesrepublik sind es 4,3%. Das heißt, daß hierzulande mehr Strom aus regenerativen Energien erzeugt wird als im Land der tausend Windmühlen. Der Grund ist, daß die Dänen kaum über Wasserkraftwerke verfügen, die in der Bundesrepublik immerhin 3,6% der Stromerzeugung beisteuern.

Ein schiefes Bild von der tatsächlichen Struktur der dänischen Energiewirtschaft suggeriert auch die Behauptung des Autors, in Dänemark habe man - im Gegensatz zur Bundesrepublik - "eine Infrastruktur aufgebaut, die eine weitere erhebliche Reduzierung des Einsatzes fossiler Energieträger ermöglicht, ohne auf die Nutzung der Atom-energie zurückgreifen zu müssen". Tatsache ist, daß der dänische Strom zu 95% mit Importsteinkohle erzeugt wird. Das heißt, daß die Kraftwerke entsprechende Mengen an Kohlendioxid ausstoßen, das für den Treibhauseffekt verantwortlich gemacht wird. Eine zusätzliche und durchaus vermeidbare Umweltbelastung ergibt sich daraus, daß in Dänemark - anders als in der Bundesrepublik - bisher keine Anlagen zur Entschwefelung und Entstickung des Rauchgases in Betrieb sind.

Selbst die Behauptung, daß Dänemark nicht auf die Nutzung der Kernenergie zurückgreife, hält einer genaueren Überprüfung nicht stand. Es stimmt zwar, daß es in Dänemark keine Kernkraftwerke gibt. Dafür bezieht das Land aber rund ein Drittel seines Strombedarfs aus dem Ausland - aus schwedischen Kernkraftwerken und aus norwegischen Wasserkraftwerken. Da dieser importierte Strom in beiden Fällen ohne Schadstoffbelastung der Luft erzeugt wird, stellt er sogar mit Abstand den wichtigsten Beitrag dar, den die dänische Energiewirtschaft zur Erhaltung der Umwelt leistet.

(PB 9/91/*leu)