PresseBLICK-Rezensionen | Energie und Umwelt |
Seitdem 1987 im Saarland die erste Energieagentur gegründet wurde, sind in fast allen Bundesländern ähnliche Einrichtungen entstanden. 1993 beschloß auch die Landesregierung von Baden-Württemberg die Einrichtung einer "Klimaschutz- und Energieagentur" (KEA), um die rationelle Energienutzung bei öffentlichen Einrichtungen und mittelständischen Betrieben zu fördern. Die KEA nahm im Oktober 1994 ihren Betrieb auf. Mit derzeit sechs Mitarbeitern ist sie die kleinste der insgesamt zwölf Energieagenturen in deutschen Ländern. Sie firmiert als privatrechtliche GmbH, an der das Land mit 50,4 Prozent die Mehrheit hält. Weitere Gesellschafter sind mit 25,1 Prozent die leitungsgebundene Energiewirtschaft (Strom- und Gasversorger), mit 16 Prozent die mittelständische Wirtschaft, mit 8 Prozent Landesbank und Bausparkassen sowie mit 0,5 Prozent der Landesnaturschutzbund.
Der vorliegende Ratgeber des KEA-Mitarbeiters Anton Lutz behandelt ein Thema, das seit Gründung der baden-württembergischen Energieagentur besonders häufig nachgefragt wurde. Kein Wunder: Bei der Wärmeversorgung sind die Möglichkeiten zur Energieeinsparung am größten, und ganz besonders gilt dies für Neubaugebiete. Um aber die vorhandenen Möglichkeiten auch tatsächlich nutzen zu können, benötigen die kommunalen Entscheidungsträger zahlreiche Informationen über technische, organisatorische und rechtliche Zusammenhänge. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, die erhaltenen Informationen, die oft einseitig von wirtschaftlichen Interessen oder ideologischen Vorurteilen geprägt sind, richtig zu gewichten und zu verknüpfen. Zum Beispiel kann unkritische Begeisterung für die ökologischen Vorteile von Blockheizkraftwerken mit einer bösen Fehlplanung enden, wenn die Anlage falsch dimensioniert bzw. nicht genügend ausgelastet ist. Auch sollte man wissen, daß BHKW grundsätzlich den Nachteil einer höheren technischen Komplexität haben und infolge der Abhängigkeit von der Preisentwicklung beim Erdgas/Öl erhöhte wirtschaftliche Risiken bergen.
Bei der Beratung auf diesem Gebiet bewegt sich die KEA mitunter auf schwierigem Terrain: Zum Beispiel muß sie darauf achten, daß sie keine staatlich geförderte Konkurrenz für private Planungsbüros darstellt. Ebenso sind ihr laut Gesellschaftervertrag der Vertrieb von Produkten und Contracting-Geschäfte untersagt. Mitunter entsprechen ihre Ratschläge auch nicht den Vorstellungen einzelner Gesellschafter der KEA. Beispielsweise kommt es beim Thema Blockheizkraftwerke immer wieder zu Kontroversen mit EVU.
Anton Lutz, der bei der KEA für "ökologische Energiekonzepte" zuständig ist, ist sich dieser Problematik bewußt und entsprechend bemüht, die Vor- und Nachteile der jeweiligen Energiekonzepte in der notwendigen Differenziertheit darzustellen. Beispielsweise verweist er darauf, daß in Baden-Württemberg etwa 66 Prozent des Stroms CO2-frei erzeugt werden (durch den hohen Anteil von Kernenergie und Wasserkraft). Im Vergleich mit diesem landesspezifischen Strom-Mix wiesen Blockheizkraftwerke sogar höhere CO2-Emissionen auf. Andererseits - so gibt er den Standpunkt der KEA zu bedenken - werde durch die Netzeinspeisung von BHKW im allgemeinen nicht die Grundlast, sondern die Leistung von Kraftwerken der Mittellast reduziert, die überwiegend mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. So gesehen könnten BHKW dennoch die ökologisch günstigere Lösung sein. Langfristig sei es sicher wiederum so, daß die Vorteile von BHKW durch den Einsatz hochefffizienter Kondensationskraftwerke zunehmend geringer würden.
Der Abschnitt "Wärmeversorgung" behandelt neben BHKW die Einzelheizung mit Öl und Gas, Solarkollektoren, Wärmepumpen, Abwärmenutzung, Biogasanlagen und Holzhackschnitzelheizung. Ein weiteres Kapitel erläutert die Möglichkeiten der Energieeinsparung durch besseren Wärmeschutz und Niedrigenergiestandard. Es folgen praktische Hinweise zu Bauleitplanung, rechtlichen Fragen, Realisierung von Nahwärmeprojekten, Stromverbrauch und Verkehrsaufkommen und Kosten der einzelnen Anlagen. Zum Schluß werden neun verschiedene Energiekonzepte vorgestellt, die in Neubaugebieten Baden-Württembergs und anderer Bundesländer bereits realisiert worden sind.
Der Ratgeber bildet den ersten Band einer "KEA-Schriftenreihe zum Klimaschutz". Er wendet sich vor allem an Kommunalpolitiker und kommunale Planungsbehörden, die wissen möchten, welche Handlungsmöglichkeiten sie bei der möglichst umweltfreundlichen Konzipierung von Neubaugebieten haben. Er kann aber auch freien Planern gute Dienste leisten und verdient die Aufmerksamkeit der entsprechenden Abteilungen bei Energieversorgungsunternehmen.
(PB Dezember 1996/*leu)