PresseBLICK-Rezensionen Energie und Umwelt



Gerd Rosenkranz

rororo special: Energie

189 Seiten, DM 14.90, 1995 Rowohlt Taschenbuch Verlag


Im "Spiegel" wurde neulich wieder mal das Energiewirtschaftsgesetz von 1935 als typisches NS-Gesetz dargestellt. Zugleich war von der "bis heute weitgehend unbekannten Deutschen Verbundgesellschaft" die Rede, "die erfolgreich das Nazi-Erbe in die neue Bundesrepublik hinüberrettete" - gerade so, als ob die technische Koordinationsstelle der Verbundunternehmen in Heidelberg eine bräunlich-klandestine Organisation mit mächtigem politischem Einfluß sei.

Der Journalist Gerd Rosenkranz gehört ebenfalls zu den Kritikern der Stromwirtschaft. In dem vorliegenden Buch will er sich aber nicht an der Mystifizierung des Energiewirtschaftsgesetzes zum verdächtigen Relikt aus NS-Zeiten beteiligen. Statt dessen stellt er ganz sachlich fest: "Das gegenwärtige Energiesystem garantiert seit Jahrzehnten eine sichere und preiswerte Versorgung mit Wärme, Licht und Kraft. Ganz so, wie es das Energiewirtschaftsgesetz von 1935 verlangt."

Aus der Sicht von Rosenkranz ist das allerdings ein zweifelhaftes Kompliment. Für ihn liegt gerade darin das Problem: Billige Energie verleite zu verschwenderischem Verbrauch. "Wenn alle so leben wie Nordamerika und Westeuropa, ist der blaue Planet schnell am Ende", schreibt er im Vorwort. Die Kernenergie, die in den fünfziger und sechziger Jahren als Lösung aller Probleme euphorisch begrüßt worden sei, habe die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen können. So bleibe aus heutiger Sicht als einzig tragfähige Alternative für die Zukunft die Sonnenenergie. Zugleich müsse eine "Effizienzrevolution" die allgegenwärtige Energieverschwendung beenden. Und zwar gegen den Widerstand der "mächtigen Energiekonzerne", die in Deutschland und anderswo den notwendigen Wandel des Energiesystem behinderten. Auf die Politiker sei auch kein Verlaß, weil diese die "ökonomischen Brüche des Übergangs" fürchteten und sich deshalb ängstlich-unentschlossen verhielten.

Diese Marschrichtung, wie sie das Vorwort weist, wird auch im Buch als ganzem beibehalten. Rosenkranz beleuchtet zunächst die grundsätzliche Bedeutung der Energie und ihrer Umwandlungen als "Stoff des Lebens" und Basis der Zivilisation. Dann befaßt er sich mit dem "Energiehunger der Welt" und kommt schließlich zur Energiepolitik in Deutschland, die er als "festgefahren" charakterisiert. Hinter den verbalen Gemeinsamkeiten bezüglich der Notwendigkeit einer "nachhaltigen Entwicklung" würden sich in Wirklichkeit zwei Lager verbergen. Das eine bildeten diejenigen, die sich tatsächlich zum Grundsatz der "Suffizienz" und "Effizienz" im Umgang mit Energie und Ressourcen bekennen. Im anderen fänden sich jene, die das Wachstumsproblem auf die "Bevölkerungsexplosion" reduzieren wollten und ansonsten "Wachstum der Grenzen statt Grenzen des Wachstums" propagierten. Rosenkranz sieht in diesem Lager auch alle führenden Vertreter der Stromwirtschaft. Ironisch spricht er von den "Modernisierern", die lediglich Altes in neuer Aufmachung präsentieren würden. Die gegenwärtige Verfassung der Energiewirtschaft sei das "wohl größte Hindernis für eine Energiewende".

Gerd Rosenkranz verfügt sicherlich über einen Sachverstand, wie ihn sonst nur wenige Kritiker der Stromwirtschaft haben. Und als Journalist verfügt er über die Begabung, komplizierte Sachverhalte auf das Wesentliche zu reduzieren und in allgemeinverständlicher Weise darzustellen. Dies kommt ihm bei dem vorliegenden Taschenbuch besonders zustatten, da es im weitesten Sinne um das Thema Energie geht. So fügen sich für den Leser des hier entworfenen Energie-Panoramas Fakten und Wertungen durchaus flüssig und scheinbar auch schlüssig aneinander.

Mitunter findet man neben Fakten und zweifelhaften Wertungen aber auch Falsches. Dazu gehört die Behauptung, die VDEW würden den Begriff "Negawatt" scheuen, weil er für Energieeinsparung stehe, und statt dessen den Begriff "Ökowatt" propagieren, um so "unter neuem Label ihr altes Konzept der Marktausweitung" weiter zu verfolgen. In Wirklichkeit haben beide Begriffe im Vokabular der deutschen Stromversorger ihren festen und wohldefinierten Platz. Rosenkranz könnte sich davon leicht überzeugen, wenn er zum Beispiel einen Blick auf Seite 28 ff der IZE-Broschüre "Vom Wirkungsgrad zur Energievernunft" werfen würde: Mit "Negawatt" wird dort die Energieeinsparung bezeichnet, die z.B. der Austausch einer 75 Watt-Glühlampe durch eine 15 Watt-Energiesparlampe gleicher Helligkeit bewirkt. Unter "Ökowatt" wird dagegen der Aufwand an elektrischer Energie verstanden, mit dem sich ein höherer Ertrag an Nutzenergie erzielen läßt, wie bei der Wärmepumpe.

(PB Januar 1996/*leu)