PresseBLICK-Rezensionen Energie und Umwelt



Gerd Michelsen (Hg.)

Der Fischer Öko-Almanach 91/92

Frankfurt am Main 1991: Fischer Taschenbuch Verlag, 456 S.


Nach mehrjähriger Pause legt das Freiburger Öko-Institut zum zweitenmal seinen Öko-Almanach vor. Im Untertitel werden "Daten, Fakten, Trends der Umweltdiskussion" versprochen. Wie es im Vorwort heißt, soll damit "keine wissenschaftlich umfassende Umweltbilanz vorgelegt werden, sondern vielmehr ein kritischer Leitfaden zur aktuellen Ökologiediskussion". Das Buch ist in drei Teile gegliedert: Der erste und weitaus umfangreichste befaßt sich mit Gegenwartsproblemen. Ein zweiter gilt den Perspektiven der Zukunft. Den Schluß bilden Adressen von umwelt-relevanten Organisationen, Verbänden und Publikationen.

Die über 50 Autoren haben den Bogen der Öko-Diskussion sehr weit gespannt, wie ein Blick über die Gliederung des ersten Teils zeigt: Auf zwei einführende Grundsatzartikel (25 S.) folgen die Kapitel "Gesellschaft, Wirtschaft, Umwelt" (81 S.), "Landschaft und Natur" (51 S.), "Verkehr" (44 S.), "Energie" (52 S.) und "Chemie" (62 S.). Jedes Kapitel gliedert sich wiederum in diverse Subthemata, die stichwortmäßig behandelt werden. Diese Stichwörter beschränken sich keineswegs auf reine Umwelt-Themen, sondern reichen weit bis in Bereiche der Lebenshilfe- und Ratgeber-Literatur. Zum Beispiel vermitteln sie auch Orientierungshilfe hinsichtlich Streß, Schmerz, Schwangerschaftsabbruch oder diversen Erkrankungen.

Beim anschließenden Blick in die Zukunft werden, neben naheliegenden Themen wie Treibhaus-effekt und Öko-Steuern, auch die Zukunft der Religion oder die "Technisierung der Sprache" behandelt. Die Prognose lautet, daß eine diffuse, privatistische Religiosität auf dem Vormarsch sei, wogegen der Einfluß der tradierten Religionsgemeinschaften weiter schwinde. Der Anspruch der Öko-Bewegung, eine neue, ganzheitliche Lebensauffassung jenseits tradierter Verhältnisse und Denkweisen zu vertreten, wird hier besonders deutlich.

Es versteht sich, daß der gesamte Inhalt dieses Öko-Almanachs von grün-alternativen Positionen bestimmt wird. Dazu gehört die entschiedene Ablehnung der Kernenergie. Selbst den Treibhaus-effekt wollen die Autoren nicht als Argument für eine Neubewertung dieser Energiequelle gelten lassen. Sie sehen darin vielmehr den Versuch, "die Pest mit der Cholera auszutreiben". Aber auch die Wasserkraft, die als besonders umweltfreundlich gilt, ist ihnen nicht recht geheuer: Neue, leistungsfähige Laufwasserkraftwerke verfallen dem Verdikt, daß "nur kleine, dezentrale Wasserkraftanlagen ergänzend in die renegerative Energieversorgung einzubeziehen" seien, und auch das nur "nach Ausschöpfen der Möglichkeiten der sparsamen und rationellen Energienutzung". An den Pumpspeicherkraftwerken wird kritisiert, daß sie Strom aus Kohle- und Kernkraftwerken nur "zeitlich verlagern" und "ökonomisch veredeln" (über die Notwendigkeit der Spitzenlast-Abdeckung im Verbundsystem erfährt der Leser nichts).

Über die Auswahl - und manchmal auch die Stichhaltigkeit - der hier angeführten Fakten kann man sicher verschiedener Meinung sein (z.B. wird die Rhein-Regulierung, die Anfang des 19. Jh. erfolgte, ins 16./17. Jh. verlegt). Ihrem Anspruch, die aktuellen Trends der Umweltdiskussion wiederzugeben, werden die Autoren aber zweifellos gerecht. Dies macht den Öko-Almanach auch für solche Leser interessant, die in der umwelt- und energiepolitischen Diskussion allzu rigiden Positionen der Öko-Bewegung widersprechen möchten.

(PB November 1991/*leu)