Udo Leuschner / Geschichte der FDP (55)

16. Bundestag 2005 - 2009


15 Prozent in Schleswig-Holstein

Die neue Kieler Regierung steht aber verfassungsmäßig auf dünnem Eis

Bei den fünf Landtagswahlen des Jahres 2009 ging es für die FDP ebenfalls nur noch weiter aufwärts, wie die folgende Übersicht zeigt:

 

Bundesland Landtagswahl am Stimmen in % vorheriges Ergebnis Wählerwanderung von der CDU zur FDP und deren prozentualer Anteil am FDP-Stimmenergebnis
Saarland 30. August 2009 9,2 5,2 12000 (24,5 %)
Sachsen 10,0 5,9 34000 (19,0 %)
Thüringen 7,6 3,6 28000 (34,7 %)
Brandenburg 27. September 2009 7,2 3,3 18000 (18,0 %)
Schleswig-Holstein 14,9 6,6 75000 (31,4 %)

 
Die sicherlich spannendste dieser fünf Landtagswahlen des Jahres 2009 war die in Schleswig-Holstein, die ebenso wie die Wahl in Brandenburg gleichzeitig mit der Bundestagswahl am 27. September stattfand. Die FDP hatte im nördlichsten Bundesland von 1950 bis 1971 in Koalitionen mit der CDU mitregieren dürfen, war aber schon seit 38 Jahren nicht mehr im Kabinett vertreten. Nach der Barschel-Affäre, die mit dem Selbstmord des CDU-Ministerpräsidenten endete, war das Land seit 1988 von der SPD regiert worden, zuletzt zusammen mit den Grünen. 2005 unternahm die SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis den Versuch zu einer Erneuerung der rot-grünen Koalition mit Hilfe der beiden Abgeordneten der dänischen Minderheitsvertretung (SSW), der aber wegen der extrem knappen Mehrheit an einem Abweichler aus den eigenen Reihen scheiterte. Notgedrungen ging die SPD daraufhin eine Große Koalition mit der CDU ein, die im Landtag nur eine Stimme mehr besaß als sie, und überließ dieser auch das Amt des Ministerpräsidenten.

FDP und CDU wollen gemeinsam die Gunst der Stunde durch vorgezogene Neuwahlen nutzen

Eigentlich sollte die Neuwahl des Kieler Landesparlaments erst im Mai 2010 stattfinden. Für die CDU und ihren Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen wiesen aber die Umfragewerte eher nach unten, während gleichzeitig die FDP in einem Bundesland nach dem anderen enorme Wahlerfolge einheimste. Daß diese Wahlerfolge durchweg zu Lasten der CDU gingen, brauchte im Falle Schleswig-Holsteins einem gemeinsamen Erfolg nicht im Wege zu stehen, weil hier die Wähler seit dem Jahr 2000 wie bei der Bundestagswahl über eine Erst- und eine Zweitstimme verfügten. Wenn CDU-Anhänger ihre Erststimme dem Direktkandidaten der eigenen Partei gaben und die Zweitstimme der FDP, war somit beiden geholfen. Denn ihre Direktmandate durfte die CDU in jedem Falle behalten, während die FDP-Kandidaten nur über die Zweitstimmen eine Chance hatten, in den Landtag einzuziehen.

Kurzum: Es lag im Interesse beider Parteien, vorgezogene Landtagswahlen herbeizuführen, bevor die CDU noch weiter absackte und auch die Wahlergebnisse der FDP wieder nach unten gingen, was nach den Bundestagswahlen durchaus zu befürchten war. "Mit vorgezogenen Neuwahlen wäre allen gedient", verkündete der FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki schon Anfang 2009. Er sprach damit aus, was viele CDU-Politiker ebenso dachten, aber mit Rücksicht auf die noch bestehende Koalition mit der SPD nicht offen zu äußern wagten.

CDU beendet die Koalition mit der SPD unter einem fadenscheinigem Vorwand

Man brauchte jetzt nur noch einen Vorwand, um die Landtagswahlen früher stattfinden zu lassen, denn die SPD wollte bis zum Ende der Legislaturperiode an der Koalition festhalten. Im Juli brach Carstensen die Sache einfach übers Knie. Es fing damit an, daß er wahrheitswidrig behauptete, eine skandalöse Sonderzahlung von 2,9 Millionen Euro an den Vorstandschef der krisengeschüttelten HSH Nordbank sei im Einvernehmen mit der SPD-Fraktion erfolgt. Tatsächlich war aber nur der SPD-Innenminister Lothar Hay eingeweiht gewesen. Als SPD-Fraktionschef Ralf Stegner empört widersprach, nahm Carstensen dies zum Anlaß, ihm die Koalition aufzukündigen, weil die SPD nicht bereit sei, unpopuläre Entscheidungen der gemeinsamen Regierung mitzutragen. Am 20. Juli entließ Carstensen sämtliche SPD-Minister seines Kabinetts. Im Landtag stellte die CDU stellte den Antrag auf Neuwahlen. Dieser hätte allerdings einer Zweidrittelmehrheit bedurft und scheiterte deshalb an der Ablehnung der SPD. Daraufhin stellte Carstens eine jener unechten Vertrauensfragen, die lediglich den Zweck verfolgen, vorgezogene Wahlen zu erreichen. Hier genügte die einfache Mehrheit der Ja- und Nein-Stimmen. Bei Stimmenthaltung von CDU und SPD hätte diese Mehrheit auch allein von der FDP und den beiden anderen kleinen Parteien hergestellt werden können. Die SPD mußte deshalb die Farce wohl oder übel mitmachen und gegen Carstensen stimmen, während die CDU-Fraktion durch Enthaltung den Erfolg des Mißtrauensvotums in jedem Falle sicherstellte.

Die FDP kommt auf fast 15 Prozent, während die CDU deutlich verliert

So kam es, daß am 27. September 2009 gleichzeitig mit dem Bundestag und der regulären Landtagswahl in Brandenburg auch der Landtag von Schleswig-Holstein schon nach vier Jahren neu gewählt wurde, obwohl die Legislaturperiode auch hier, wie in den meisten Bundesländern, inzwischen auf fünf Jahre verlängert worden war. Es ging CDU und FDP darum, die Gunst der Stunde zu nutzen, ehe die Umfragewerte wieder sanken. Zur Not durften sie darauf hoffen, daß die Grünen zu einer schwarz-gelb-grünen Koalition auf Landesebene bereit waren. Im Unterschied zum Saarland, wo die Grünen erst sechs Wochen nach der Wahl überraschend die "Jamaika"-Karte zogen, hatten sie in Schleswig-Holstein schon vor der Wahl deutlich gemacht, daß sie einem solchen Bündnis nicht abgeneigt waren.

Man brauchte die Hilfe der Grünen indessen nicht. Das Kalkül von CDU und FDP ging auch so auf: Die FDP konnte am Wahltag um 8,3 Prozentpunkte zulegen und einen Zweitstimmenanteil von 14,9 Prozent erreichen. Ihr Landesergebnis bei der Bundestagswahl betrug sogar 16,3 Prozent. Die CDU büßte zwar 8,7 Prozentpunkte ein, verlor aber weniger Sitze im Landtag, als dieser Schwächung entsprochen hätte. Dadurch verfügten die 34 Abgeordneten der CDU und die 15 Abgeordneten der FDP nun zusammen über 49 der insgesamt 95 Sitze im neuen Landtag und damit über eine Mehrheit von drei Stimmen.

Drei Überhangmandate der CDU werden nicht ausgeglichen und verfälschen so das Wahlergebnis

Die Sitzgewinne im Landtag erinnerten allerdings ein bißchen an die wundersame Vermehrung von Brot und Wein in der Bibel, denn aufgrund der Zweitstimmen hätten CDU und FDP nicht die Mehrheit gehabt. Schließlich kamen die Stimmengewinne der FDP nicht aus dem luftleeren Raum. Die Erforschung der Wählerwanderung ergab auch hier wieder, daß sie hauptsächlich von der CDU stammten und fast ein Drittel des Gesamtergebnisses der FDP ausmachten: Von insgesamt 91000 Stimmen, die der CDU abhanden kamen, gingen 75000 aufs Konto der FDP, die dadurch insgesamt 238568 Stimmen erhielt. Mit 31,5 Prozent kam die CDU so auf ihr schlechtestes Ergebnis seit 59 Jahren. Daß der prozentuale Aderlaß nicht noch schlimmer ausfiel, hatte sie nur dem Zustrom von bisherigen Nichtwählern (32000) und aus der SPD (8000) zu verdanken.

Die Zahl der Sitze im Landtag hing aber nicht nur von den Zweitstimmen ab. Das geltende Wahlrecht ermöglichte es, daß sogenannte Überhangmandate das Ergebnis verfälschten. Viele Anhänger von schwarz-gelb hatten nämlich taktisch klug gewählt, indem sie ihre Erststimme dem jeweiligen CDU-Direktkandidaten und die Zweitstimme der Landesliste der FDP gaben. So errang die CDU trotz der gleichzeitigen Zweitstimmen-Verluste an die FDP nicht weniger als 34 der insgesamt vierzig Direktmandate. Da sie diese in jedem Falle behalten durfte, ergaben sich elf sogenannte Überhangmandate. Nach dem Wahlgesetz waren diese Überhangmandate zwar durch Mandate für die anderen Parteien auszugleichen und die Gesamtzahl der Sitze im Landtag entsprechend zu erhöhen. Der Wortlaut des Wahlgesetzes war aber in dieser Hinsicht mehrdeutig. Wenn man ihn so interpretierte, wie dies der Landeswahlausschuß tat, durfte die normale Anzahl von 69 Sitzen im Landtag auf maximal 95 erhöht werden. Das bedeutete, daß drei Überhangmandate der CDU nicht ausgeglichen wurden und der schwarz-gelben Koalition zur Mehrheit verhalfen.

Die Regierungsmehrheit aus CDU und FDP litt so von Anfang an unter dem Vorwurf, nicht das Wahlergebnis widerzuspiegeln und auf verfassungswidrige Weise zustandegekommen zu sein. Noch vor dem Zusammentritt des neuen Landtags reichten die Grünen und der SSW am 15. Oktober beim Landesverfassungsgericht in Schleswig eine gemeinsame Normenkontrollklage zum Landeswahlgesetz ein. Die neuen Regierungsparteien ließen vorsorgllich schon mal etwas Luft aus der Debatte, indem sie ankündigten, die seit langem bekannte Tücke des Wahlgesetzes endlich beseitigen zu wollen.

Die beiden wichtigsten FDP-Politiker des Landes verzichten auf Ministerposten in der neuen Regierung

Am 27. Oktober 2009 trat die neue Regierung von Peter Harry Carstensen ihr Amt an. Die FDP erhielt drei von sieben Ministerposten: Heiner Garg übernahm das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit sowie die Stellvertretung des Ministerpräsidenten. Ekkehard Klug wurde Minister für Bildung und Kultur. Als Justizminister benannte die FDP den bisherigen Präsidenten des Landgerichts Kiel, Emil Schmalfuß, der kein Parteibuch besaß.

Die beiden wichtigsten FDP-Politiker des Landes, die auch im kleinsten Kreise mit der CDU den Koalitionsvertrag ausgehandelt hatten, standen nicht auf der Ministerliste. Der eine war der Spitzenkandidat Jürgen Koppelin, der seit 1993 den Landesverband leitete. Da er soeben erneut in den Bundestag eingezogen war, fühlte er sich mit seinen 64 Jahren wohl schon hinreichend ausgelastet. Immerhin ließ er sich am Tag vor dem Amtsantritt des neuen Kabinetts in Kiel zusätzlich noch zum stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion wählen. Der andere und noch wichtigere war Wolfgang Kubicki, der seit 13 Jahren die Fraktion im Kieler Landtag führte. Kubicki war 1993 als Landesvorsitzender zurückgetreten, weil ihm die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern vorwarf, sie als Rechtsanwalt falsch beraten zu haben und die Sanierung der Giftmülldeponie Schönberg zur finanziellen Sanierung von Partei- und Geschäftsfreunden verwendet zu haben. Im Grunde war er aber neben und noch vor Koppelin der heimliche Chef der Landes-FDP geblieben. Ein Amt als Minister und Stellvertreter des Ministerpräsidenten hätte für ihn eine hervorragende Bühne abgegeben, denn er verfügte wie sein ehemaliger Freund Möllemann über ein ausgeprägtes Talent zur Selbstdarstellung. Kubicki verzichtete aber – sicher schweren Herzens –, weil er sonst seine Tätigkeit in der Anwaltskanzlei hätte aufgeben müssen. Und die brachte ihm zumindest finanziell mehr ein als ein Ministeramt.

In Brandenburg geht eine fünfzehnjährige Durststrecke zu Ende

In Brandenburg wurde der Landtag wie in Schleswig-Holstein gleichzeitig mit dem Bundestag gewählt. Die FDP durfte hier hoffen, nach vier vergeblichen Anläufen endlich wieder in den Landtag zu gelangen. Ähnlich wie in den anderen ostdeutschen Bundesländern war ihr das bisher nur 1990 gelungen, bei der ersten Wahl nach der "Wende". In einer Ampelkoalition mit SPD und Bündnis 90 stellte sie damals mit dem "West-Import" Hinrich Enderlein den Wissenschaftsminister. Bei den folgenden Wahlen stürzte sie jedoch von von 6,6 auf bis zu 1,9 Prozent ab. Seit 1994 agierte sie nur noch auf kommunaler Ebene und mußte damit zufrieden sein, landesweit über ein gutes Dutzend Bürgermeister zu verfügen. "Wir haben kontinuierlich Kärrnerarbeit von ganz unten geleistet", rühmte sich Generalsekretär Hans-Peter Goetz, den die Parteitagsdelegierten im Dezember 2008 zum Spitzenkandidaten gekürt hatten.

Zu dieser Kärrnerarbeit gehörte Anfang 2007 der Antrag der FDP in der Stadtverordnetenversammlung von Brandenburg, Otto Graf Lambsdorff die Ehrenbürgerschaft wegen seiner Verdienste um die Erhaltung des Brandenburger Doms zu verleihen. Der Antrag verfehlte knapp die erforderliche Zweidrittelmehrheit, da Lambsdorffs eventuelle Verdienste um den Dom von der Frage überschattet wurden, ob man einen Vorbestraften zum Ehrenbürger machen soll. Schließlich war Lambsdorff eine Hauptfigur des Flick-Skandals gewesen und 1987 wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 180000 Mark verurteilt worden. Natürlich ging es Gegnern wie Befürwortern des Antrags letztendlich nicht um Lambsdorffs Verdienste bzw. seine Vorstrafe, sondern um Propaganda für die FDP bzw. deren Verhinderung. Aber die Vita des Grafen war tatsächlich nicht so lupenrein, wie man es sich für einen Ehrenbürger wünschen wurde. Und obwohl sich der frühere brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) für Lambsdorff mächtig ins Zeug gelegt hatte, waren es nicht nur Abgeordnete der PDS, die den FDP-Antrag ablehnten. Lambsdorff meinte diese Abweichler aus den anderen Parteien, als er höchst selbstbewußt erklärte: "Das ist keine Blamage für mich, sondern für die Stadtverordneten demokratischer Parteien, die nicht dafür gestimmt haben."

Rot-rot in Brandenburg als Antwort auf schwarz-gelb-grün an der Saar

Am Tag der Bundestagswahl konnte dann auch die Brandenburger FDP einen für ihre bescheidenen Verhältnisse großen Erfolg feiern, indem sie ihren Stimmenanteil von 3,3 auf 7,2 Prozent mehr als verdoppelte und mit sieben Abgeordneten in den neuen Landtag einzog. Ähnlich wie in Thüringen wurde sie aber nicht als Koalitionspartner benötigt, da für die Regierungsbildung nur SPD, Linke und CDU in Frage kamen. Der SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck und sein Vorgänger Stolpe hatten seit Oktober 1999 mit der CDU regiert. Wahrscheinlich wäre es dabei geblieben, wenn es im Saarland, wo bereits im August gewählt worden war, zu der erwarteten Koalition aus SPD, Linken und Grünen gekommen wäre. Sechs Wochen nach den Wahlen vollzogen aber dort die saarländischen Grünen plötzlich den Schwenk zu einer "Jamaika"-Koalition mit CDU und FDP. Es war wohl eine Art Revanche für die Ausbootung an der Saar, daß die SPD in Brandenburg nun auf eine Koalition mit der Linken zusteuerte. Nach der Neuwahl durch den brandenburgischen Landtag stellte Platzeck am 6. November 2009 sein drittes Kabinett vor, in dem vier von neun Ministern der Linken angehörten.

Die FDP vertrat im Brandenburger Landtag künftig gemeinsam mit CDU und Grünen die Opposition. Noch vor der Regierungsbildung hatte sich ihr Generalsekretär Goetz über den Koalitionsvertrag ereifert: "Ausgerechnet 20 Jahre nach dem Mauerfall wird der Brandenburger Landtag wieder zum Kreml." – Anscheinend hatte Goetz bei diesem genauso drastischen wie abwegigen Vergleich vergessen, daß seine Partei zum Großteil aus ehemaligen "Blockflöten" bestand. Er selber war zu DDR-Zeiten Mitglied der SED gewesen.

In Sachsen kann die FDP zum ersten Mal mitregieren

In Sachsen hatte die FDP 1990 bei der ersten Wahl nach dem Ende der DDR noch 5,3 Prozent erhalten, war dann aber 1994 und 1999 auf 1,7 bzw. 1,1 Prozent abgestürzt. Auf dem 1999 erreichten Tiefpunkt übernahm der Inhaber einer Werbeagentur, Holger Zastrow, den Landesvorsitz und 2004 zusätzlich den Fraktionsvorsitz, nachdem die Partei mit 5,9 Prozent wieder den Sprung in den Landtag geschafft hatte. Im Februar 2009 nominierte ihn ein Landesparteitag in Pirna auch zum Spitzenkandidaten für die kommende Landtagswahl am 30. August. "Zwölf Prozent sind mit Sicherheit drin", erklärte Zastrow nach der Nominierung. Sein Ziel sei eine Koalition mit der CDU. Diese hatte in Sachsen bis 2004 allein regieren können, mußte sich aber seitdem auf die SPD stützen, da die sieben Sitze der FDP nicht zur Mehrheit gereicht hätten.

Zwölf Prozent wurden es zwar nicht, aber mit 10,0 Prozent durfte die sächsische FDP auch sehr zufrieden sein. Den Wahlerfolg verdankte sie hauptsächlich einem kräftigen Stimmengewinn zu Lasten der CDU (34000) und der neonazistischen NPD (15000). Die FDP war nun mit 14 Sitzen im Landtag genauso stark wie die SPD. Binnen knapp drei Wochen einigte sie sich mit der leicht geschwächten CDU auf den Koalitionsvertrag, wobei sie allerdings ihre wichtigste Wahlkampfforderung, die Verlängerung der Grundschule auf sechs Jahre, nicht durchsetzen konnte. Am 30. September präsentierte der CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich sein neues Kabinett, in dem die FDP mit Sven Morlok den Wirtschaftsminister und mit Jürgen Martens den Justizminister stellen durfte. Sowohl Morlok als auch Martens stammten aus Baden-Württemberg und waren erst seit Anfang der neunziger Jahre in Sachsen tätig.

Zunächst war erwartet worden, daß Holger Zastrow das Wirtschaftsministerium übernehmen würde, der im Unterschied zu Morlok in der DDR aufgewachsen war. Überraschend erklärte Zastrow dann aber seinen Verzicht, da ihm anscheinend erst jetzt klar geworden war, daß er bei Übernahme eines Ministeramtes die Geschäftsführung und auch alle Anteile an seiner Firma hätte abgeben müssen. Stattdessen ließ er sich wieder zum Vorsitzenden der Landtagsfraktion wählen. Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion wurde der Generalsekretär Torsten Herbst.

Im Saarland kommt es zur ersten "Jamaika"-Koalition auf Landesebene

Im Saarland war die FDP seit 1985 nicht mehr in der Regierung und seit 1990 auch nicht mehr im Landtag vertreten gewesen. Bei den Landtagswahlen 2004 gelang ihr zwar mit 5,2 Prozent die Rückkehr ins Parlament, doch wurde sie als Koalitionspartner nicht gebraucht, da die CDU allein regieren konnte. Das änderte sich mit der Landtagswahl am 30. August 2009, bei der außer der Linken nur die FDP zulegte, während alle anderen Parteien mehr oder weniger große Verluste erlitten. Den Zuwachs von 5,2 auf 9,2 Prozent verdankte sie auch hier hauptsächlich dem Zustrom von früheren CDU-Wählern. Ihre fünf Abgeordneten im Landtag reichten aber nicht aus, um zusammen mit den 19 Abgeordneten der CDU die Mehrheit der insgesamt 51 Mandate zu erreichen. Deshalb kam es nach längeren Verhandlungen im November 2009 zur Einbeziehung der Grünen und damit zur ersten "Jamaika"-Koalition in einem Bundesland.

Möglich wurde diese schwarz-gelb-grüne Koalition nur durch die Grünen, die sich überraschend einer Koalition mit SPD und Linken verweigerten und stattdessen ihre drei Abgeordneten zugunsten von CDU und FDP in die parlamentarische Waagschale warfen. Im Wahlkampf hatte der grüne Partei- und Fraktionschef Hubert Ulrich für eine Koalition mit SPD und FDP plädiert, was allerdings schon damals keine realistische Perspektive war. Vermutlich wollte er sich nur nicht festlegen, denn wenn er sich bereits vor der Wahl für "Jamaika" ausgesprochen hätte, wäre seine Partei deutlich unter den erreichten 5,9 Prozent geblieben und mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr im Landtag vertreten gewesen.

In der neuen saarländischen Landesregierung von Ministerpräsident Peter Müller (CDU), die am 10. November 2009 vereidigt wurde, bekam die kleinen Partner der CDU jeweils zwei und damit die Hälfte der Ministerposten. Für die FDP wurde der bisherige Landes- und Fraktionsvorsitzende Christoph Hartmann Wirtschaftsminister. Das Amt des Gesundheitsministers übernahm der Vorsitzende der saarländischen Unternehmerverbände, Georg Weisweiler, der erst 2006 von der CDU zur FDP gewechselt war.

Auch in Thüringen wieder im Landtag

In Thüringen war die FDP bisher nur einmal, bei der ersten Wahl 1990, mit 9,3 Prozent in den Landtag gelangt. Bei den folgenden drei Wahlen sank sie dann, ähnlich wie in Sachsen, bis auf 1,1 Prozent ab. Seit 2004 wies das Wahlergebnis mit 3,6 Prozent aber wieder nach oben. Bei der jetzt anstehenden Landtagswahl am 30. August 2009 durfte sie zumindest mit dem Wiedereinzug ins Parlament rechnen. Ihr Spitzenkandidat war das frühere LDPD-Mitglied Uwe Barth, der seit 2003 den Landesverband führte.

Eine Regierungsbeteiligung war dagegen kaum in Sicht. Die seit 1999 allein regierende CDU befand sich seit 2004 auf dem absteigenden Ast und besaß im Landtag nur noch eine knappe Mehrheit von zwei Stimmen gegenüber der PDS/Linken (28) und SPD (15). Sie hätte ihren Wählerstamm zumindest halten müssen, um nicht viel weniger als die Mehrheit im Landtag zu verlieren und dies mit einer neu eingezogenen FDP-Fraktion ausgleichen zu können. Tatsächlich verlor sie aber 11,8 Prozent der Stimmen. Noch weit gravierender war die Kräfteverschiebung im Parlament, wo die CDU nun wegen des Einzugs von FDP und Grünen nur noch 30 von 45 Sitzen behielt.

Unter diesen Umständen konnte sich die FDP zwar über eine Verdoppelung ihres Stimmanteils auf 7,6 Prozent und den Wiedereinzug in den Landtag mit sieben Abgeordneten freuen, war aber als Koalitionspartner nicht gefragt. Dasselbe galt für die Grünen. Die Entscheidung über die Regierungsbildung lag ausschließlich bei CDU, Linken und SPD. Zunächst sah alles nach einer Koalition zwischen Linken und SPD aus. Die Linke wollte sogar das Amt des Ministerpräsidenten der SPD überlassen, obwohl sie die stärkere Fraktion war. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Christoph Matschie, der seiner Partei als Spitzenkandidat zum zweiten Mal ein sehr klägliches Ergebnis beschert hatte, setzte aber gegen den Willen von Mitgliedern und Wählern eine Koalition mit der CDU durch. Am 4. November 2009 stellte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) ihr Kabinett vor, in dem vier von neun Ministern der SPD angehörten.

Die FDP übte als Oppositionspartei sogleich pflichtschuldigst Kritik und bezeichnete den Koalitionsvertrag als "Dokument der Unentschlossenheit". Sie versäumte aber nicht den Hinweis, daß sie eine Koalition aus CDU und SPD stets als das "mindere Übel" gegenüber einer Regierung mit der Linken betrachtet habe.

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