Udo Leuschner / Geschichte der FDP (22) |
10. Bundestag 1983 - 1986 |
Schon vor den Neuwahlen vom März 1983 war die FDP, nachdem sie die Koalition mit der SPD verlassen hatte, bei den Landtagswahlen in Hessen, Bayern und Hamburg unter fünf Prozent geblieben. Nun wurde sie aus zwei weiteren Landtagen verbannt: Am 6. März 1983 - gleichzeitig mit den Wahlen zum 10. Bundestag - sackte sie in Rheinland-Pfalz von 6,4 auf 3,5 Prozent ab. Eine Woche später, am 13. März, stürzte sie in Schleswig-Holstein von 5,75 auf 2,2 Prozent. Damit war sie in mehr als der Hälfte der Bundesländer an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Nur in Baden-Württemberg, im Saarland, in Niedersachsen, Bremen und Berlin war sie noch in den Landesparlamenten vertreten.
Besonders bemerkenswert war der Mißerfolg in Schleswig-Holstein, denn hier hatte sich die FDP - entgegen dem Kurs der Bundespartei und der meisten Landesverbände - für eine Koalition mit der SPD ausgesprochen. Die Hoffnung auf Leihstimmen von SPD-Wählern wurde aber enttäuscht. Auch die schleswig-holsteinischen Dissidenten unter der Führung Uwe Ronneburgers mußten für den Kurs der Bundespartei büßen. Der Landesvorstand trat angesichts des Debakels zurück.
Ein Ende der Talfahrt zeichnete sich erst am 25. September 1983 ab: Zwar flog die FDP bei den Landtagswahlen in Bremen mit einem Absturz von 10,8 auf 4,6 Prozent aus einem weiteren Landesparlament. Am selben Tag konnte sie jedoch bei den vorgezogenen Landtagswahlen in Hessen die schweren Verluste, die sie vor genau einem Jahr erlitten hatte, mehr als ausgleichen: Sie verbesserte sich um 4,5 auf 7,6 Prozent und zog mit acht Abgeordneten wieder in den Wiesbadener Landtag ein.
Der Erfolg in Hessen war allerdings massiver Wahlhilfe der CDU zuzuschreiben, die mit Hilfe der FDP endlich die Regierung von Holger Börner (SPD) ablösen wollte. Die Rechnung ging aber nicht auf, weil die CDU genausoviel Sitze im Landtag verlor wie die FDP gewann: Zusammen verfügten beide Parteien gerade über ein Mandat mehr als die SPD-Fraktion, die im Zweifelsfall auf die Unterstützung von sieben grünen Abgeordneten rechnen konnte.
Die SPD regierte in Hessen unter Duldung der Grünen, die den Grünen-Hasser Börner zähneknirschend tolerierten, um die CDU nicht unterstützen zu müssen. Die FDP, die in der vorherigen Regierung Börner schon auf gepackten Koffern saß, um den Bonner Koalitionswechsel auch auf Landesebene zu vollziehen, war bei den Landtagswahlen im September 1982 unter fünf Prozent geblieben und stand deshalb vorerst als Mehrheitsbeschafferin nicht mehr zur Verfügung. An ihrer Stelle spielten erstmals neun grüne Abgeordnete die Rolle des "Züngleins an der Waage" zwischen 49 Abgeordneten der SPD und 51 Abgeordneten der CDU. Im Unterschied zur FDP waren die Grünen aber weder zu einer Koalition bereit noch wurden sie von SPD oder CDU als koalitionswürdig akzeptiert. Bei der konstituierenden Sitzung des Landtags scheiterte die Wahl des CDU-Kandidaten Wallmann zum Ministerpräsidenten mit 53 gegen 57 Stimmen, so daß Börner geschäftsführend im Amt blieb. Auch die vorgezogenen Neuwahlen im September 1983 brachten keine wesentliche Veränderung der Patt-Situation, obwohl nun auch die FDP wieder im Landtag vertreten war: Weder wollte sich die CDU auf eine große Koalition mit der SPD einlassen noch war die FDP bereit, eine Minderheitsregierung Börner zu dulden. In der Folge verfestigte sich die Tolerierung Börners durch die Grünen allmählich zu einer inoffiziellen Koalition, die spätere rot-grüne Regierungsbündnisse vorbereitete und Spekulationen darüber beflügelte, ob die Grünen nicht generell die traditionelle Rolle der FDP als "dritte Kraft" und Mehrheitsbeschafferin übernehmen würden.
Sowohl in Bremen als auch in Hessen kandidierten bei den Landtagswahlen am 25. September 1983 erstmals die "Liberalen Demokraten", die sich nach dem Bruch der Bonner Koalition als linksliberale Partei von der FDP abgespalten hatten. Das Ergebnis war jedoch so enttäuschend, daß den Linksliberalen die Lust auf weitere Kandidaturen bei Landtags- oder Bundestagswahlen verging: In beiden Ländern erreichten sie gerade mal 0,4 Prozent.
Zufrieden sein konnte die FDP auch mit dem Ergebnis der Landtagswahlen am 25. März 1983 in Baden-Württemberg: Mit einem Schwund von 1,1 auf 7,2 Prozent hielten sich ihre Verluste in Grenzen. Die CDU hatte ebenfalls kleinere Verluste von 1,5 Prozent, konnte aber mit 51,9 Prozent die absolute Mehrheit behaupten. Damit fehlte die Basis für eine CDU/FDP-Koalition, die der Landesvorsitzende Jürgen Morlok als Wahlziel angesteuert hatte. Die FDP sah immerhin ihre Eigenständigkeit bestätigt: Das "Leihstimmengerede" sei durch das Wahlergebnis widerlegt worden.
Bei den folgenden Landtagswahlen am 10. März 1985 im Saarland und in Berlin war zur Erleichterung der Parteiführung endlich eine klare Trendumkehr festzustellen: An der Saar legte die FDP um 3,1 auf 10 Prozent zu. Die Fortführung der Koalition mit der CDU in Saarbrücken gelang allerdings nicht, weil die SPD unter Oskar Lafontaine eine knappe Mehrheit im Landtag errang. Vermutlich hatten die starken Verluste der CDU (- 6,7 Prozentpunkte) einiges mit dem Erfolg der FDP zu tun. Der FDP-Landesvorsitzende Horst Rehberger drückte es so aus, daß die FDP nicht habe alles wettmachen können, was die CDU verloren habe...
In Berlin verbesserte sich die FDP am selben Wahltag um 2,8 auf 8,4 Prozent - für den Landesvorsitzenden Walter Rasch ein "respektables und gutes Ergebnis", das die Koalition mit der CDU stärke. Man wolle im Senat künftig mehr liberale Politik durchzusetzen versuchen. Der CDU-Politiker Heinrich Lummer dämpfte übertriebene Erwartungen des Koalitionspartners allerdings sogleich mit der Feststellung, daß die CDU momentan über die absolute Mehrheit verfüge (wobei er die 15 Abgeordneten der grünen "Alternativen Liste" ignorierte, die wie die Grünen im hessischen Landtag vorläufig nicht als Koalitionspartner in Frage kamen). "Aber wir wollten die Koalition", fügte Lummer hinzu, "und da muß man schon großzügig sein".
Auch bei den Landtagswahlen am 12. Mai 1985 in Nordrhein-Westfalen konnte die FDP um 1,1 auf 6,0 Prozent zulegen, während die CDU stark einbrach und die SPD die absolute Mehrheit errang. Sicher bedeutete es einen "Wermutstropfen", daß eine Regierungsbildung mit der CDU nicht möglich war, wie der FDP-Vorsitzende Martin Bangemann erklärte. Im übrigen herrsche aber nach dem Wiedereinzug der FDP in den Düsseldorfer Landtag "überall Zufriedenheit".
Daß auf den Trend Verlaß war, bestätigten die drei anderen Landtagswahlen, die bis zum Ende der Bonner Legislaturperiode stattfanden: Am 15. Juni 1986 behauptete sich die FDP mit 6,0 Prozent (plus 0,1) in Niedersachsen, während die CDU um 6,4 Prozentpunkte abrutschte und ihre absolute Mehrheit verlor. Die FDP konnte somit wieder mit der CDU koalieren, nachdem bei den vergangenen Landtagswahlen vom 21. März 1982 ihr zwar der Wiedereinzug in den Landtag gelungen war, die CDU aber keinen Bedarf für einen Koalitionspartner hatte. Neue FDP-Minister im Kabinett von Ernst Albrecht wurden Walter Hirche (Landwirtschaft) und Heinrich Jürgens (Minister für Bundesangelegenheiten).
In Bayern konnte sich die FDP am 12. Oktober 1986 mit einem leichten Zuwachs um 0,3 auf 3,8 Prozent stabilisieren, verfehlte aber deutlich das Wahlziel eines Wiedereinzugs in den Landtag. Dafür schafften die Grünen, die sich als Vorkämpfer gegen den Bau einer nuklearen Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf profiliert hatten, mit 7,5 Prozent erstmals den Sprung über die Hürde. Möglicherweise wäre auch das Ergebnis der FDP besser ausgefallen, wenn nicht bei diesen Wahlen erstmals die "Republikaner" angetreten wären, die sich im März 1984 als "konservativ-liberale Volkspartei" von der CSU abgespalten hatten und mit ihren Biertisch-Parolen auch Teile der bayerischen FDP-Klientel ansprachen.
Wünsche offen ließ auch das Ergebnis am 9. November 1986 in Hamburg, wo sich die FDP zwar von 2,6 auf 4,8 Prozent verbesserte, aber knapp den Wiedereinzug in die Bürgerschaft verfehlte.