Udo Leuschner / Geschichte der FDP (1)

Die Jahre 1945 - 1949


Die Entstehung der FDP

Die Neugründung liberaler Parteien in den vier Besatzungszonen Deutschlands

Nach dem zweiten Weltkrieg war Deutschland ein Trümmerfeld. Die politische Macht lag einzig und allein bei den vier Besatzungsmächten, die das verbliebene Territorium unter sich aufgeteilt hatten. Es bedurfte bereits einer besonderen Erlaubnis, um von einer Besatzungszone in die andere zu reisen. Unter diesen Umständen war die Neugründung politischer Parteien nur mit Genehmigung und Unterstützung der Besatzungsmächte möglich.

Sowjets lassen in der Ostzone die LDP zu

Auch die liberalen Parteien entstanden deshalb zunächst auf regionaler Ebene. Den Vorreiter machte die Ostzone, wo die Sowjets aus taktischen Überlegungen die Neugründung von Parteien forcierten: Schon am 5. Juli 1945 erschien der Aufruf zur Gründung einer Liberaldemokratischen Partei (LDP). An der Spitze standen mit Wilhelm Külz und Eugen Schiffer zwei führende Köpfe der ehemaligen Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Wenige Tage später wurde die LDP von den Sowjets zugelassen. Ferner traten KPD und SPD wieder auf den Plan. Als überkonfessioneller Nachfolger der ehemaligen katholischen Zentrumspartei entstand die CDU.

Die sowjetische Besatzungsmacht unterstützte die von ihr zugelassenen Parteien auch mit Geld und Sachleistungen. So konnte die LDP seit 3. August 1945 über die Zeitung "Der Morgen" als Parteiorgan verfügen. Im April 1946 hatte sie über 100.000 Mitglieder, ein Jahr später 170.000.

In den Westzonen macht die DVP den Anfang

In den Westzonen wurde als erste liberale Partei am 16. September 1945 in Stuttgart die "Demokratische Volkspartei" (DVP) gegründet. Mit ihrem Namen knüpfte sie an die alte liberale Traditionspartei des Südwestens an. Die Amerikaner machten den ehemaligen württembergischen DDP-Vorsitzenden Reinhold Maier zum Ministerpräsidenten des von ihnen gegründeten Landes Württemberg-Baden (das als US-Besatzungsgebiet nur die nördlichen Teile der beiden Länder umfaßte). Bei den ersten Landtagswahlen im November 1946 erreichte die DVP einen Stimmenanteil von fast zwanzig Prozent. Maier regierte, gestützt auf eine Koalition mit SPD und BHE, das Land Württemberg-Baden und den späteren Südweststaat bis Oktober 1953. Er war der bisher erste und einzige Ministerpräsident mit FDP-Parteibuch.

Es folgten Neugründungen liberaler Parteien in Bayern, Hessen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen, die sich sowohl nach Namen wie nach politischer Ausrichtung unterschieden. Zum Teil handelte es sich um deutlich rechtslastige Parteien. Gemeinsam war allerdings allen das prononcierte Bekenntnis zur Privatwirtschaft, verbunden mit der Ablehnung sozialistischer Tendenzen, sowie eine anti-klerikale Grundhaltung.

Die gesamtdeutsche DPD übersteht ihr Gründungsjahr 1947 nicht

Schon 1946 gab es Bestrebungen, die liberalen Parteien aller Besatzungszonen in einer Gesamtpartei zusammenzuführen. Auch hier waren es in erster Linie wieder die Sowjets, welche die von ihnen zugelassenen Parteien der Ostzone bei solchen Bestrebungen unterstützten. Vermutlich versprachen sie sich davon vermehrten Einfluß in einem wie immer gearteten Gesamtdeutschland. Noch dachte niemand an die Bildung von zwei Separatstaaten.

Die Teilung Deutschlands begann sich jedoch bereits 1947 abzuzeichnen, als die USA offiziell den Kalten Krieg eröffneten. Vor diesem Hintergrund gewannen die "gesamtdeutschen" Vorstöße der Sowjets und ihrer ostdeutschen Helfer zunehmend propagandistischen Charakter, während die westlichen Besatzungsmächte aus demselben Grund eine abwehrende Haltung einnahmen.

Ein erster Versuch von Wilhelm Külz, im Sommer 1946 in Erfurt eine "Liberal-Demokratische Partei Deutschlands" ins Leben zu rufen, war mit den westlichen Bundesgenossen nicht abgestimmt und mußte deshalb scheitern. Es gab ohnehin schon Zweifel am politischen Handlungsspielraum der Parteifreunde im Osten. Mit Unbehagen sah man im Westen, wie LPD, CDU und SPD im Osten in eine "Einheitsfront der antifaschistischen demokratischen Parteien" eingebunden worden waren, die der KPD die Führung sicherte. Die SPD war im April 1946 sogar gänzlich in der KPD aufgegangen bzw. mit dieser zur SED verschmolzen worden.

Dennoch fand am 17. März 1947 in Rothenburg ob der Tauber eine Sitzung des Koordinationsausschusses aller liberalen Parteien statt, die mit der Gründung der "Demokratischen Partei Deutschlands" (DPD) endete. Zu Vorsitzenden wurden Theodor Heuss und Wilhelm Külz gewählt. In Frankfurt und Berlin wurden gleichberechtigte "Verbindungsstellen" der neuen Partei eingerichtet. Auf einer späteren Sitzung des Vorstands bekam Külz sogar den Auftrag, den Entwurf einer gesamtdeutschen Verfassung auszuarbeiten.

Die "Demokratische Partei Deutschlands" war die erste und einzige gesamtdeutsche Parteigründung. Aber auch sie hatte nicht lange Bestand. Fünf Tage vor dem Treffen in Rothenburg hatte US-Präsident Truman in einer programmatischen Rede den ehemaligen sowjetischen Verbündeten den Fehdehandschuh hingeworfen. Die Sowjets reagierten mit einer Intensivierung ihrer Propaganda. Unter anderem lud die SED für den 6. Dezember zum "Ersten Deutschen Volkskongreß für Einheit und gerechten Frieden" nach Berlin ein. Külz nahm die Einladung zu dem Spektakel an, ohne von den Parteigremien ermächtigt worden zu sein. An diesem Faux pas entzündete sich ein Streit, der schon Anfang 1948 wieder zur Auflösung der DPD führte.

Die Gründung der FDP in Heppenheim

Es dauerte ein knappes Jahr, bis sich wenigstens die liberalen Parteien der westlichen Besatzungszonen zu einer Gesamtpartei vereinigten. Das Ergebnis war die bis heute bestehende Freie Demokratische Partei (FDP). Sie entstand am 11. Dezember 1948 in Heppenheim an der Bergstraße. An der Fusion beteiligt waren die FDP vom Hamburg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die LDP von Westberlin und Hessen, die Demokratische Partei von Rheinland-Pfalz und Baden sowie die Demokratische Volkspartei von Württemberg-Hohenzollern, Bremen und Württemberg-Baden.

Die Namensgebung war zunächst umstritten. Etliche Teilnehmer plädierten für Liberaldemokratische Partei (LDP), konnten sich aber mit 25 gegen 64 Stimmen nicht durchsetzen. Vorsitzender der neuen Partei wurde Theodor Heuss, Stellvertreter Franz Blücher.

Der Ort der Parteigründung war mit Bedacht gewählt: Am 10. Oktober 1847 hatten sich in Heppenheim die gemäßigten Liberalen getroffen, die für die Umwandlung Deutschlands in eine konstitutionelle Monarchie eintraten. Die Heppenheimer Versammlung vor über hundert Jahren war zugleich der Gegenpol zu einer vorangegangenen Versammlung in Offenburg gewesen, auf der die Radikalliberalen dominiert hatten.

Die neue FDP, die sich bewußt in diese Tradition stellte, war allerdings noch ziemlich entfernt davon, wirklich eine liberale Partei zu sein, und sei es auch nur eine solche der gemäßigten Richtung. Bis in die fünfziger Jahre standen etliche ihrer Landesverbände weit rechts von der CDU/CSU. Sie warben mit nationalistischen Parolen um die Wählerschaft der ehemaligen NSDAP-Mitglieder und waren selber stark von Nazis durchsetzt. In Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen bestanden die FDP-Abgeordneten sogar darauf, im Parlament rechts von der CDU sitzen. Dagegen saßen die Liberalen in Württemberg-Baden, Hamburg und Bremen zwischen CDU/CSU und SPD.

Mit fünf Mitgliedern im Parlamentarischen Rat

Die FDP war also vorläufig ein recht heterogenes Gebilde mit starker Eigenständigkeit der Landesverbände. Den Anstoß zur Gründung von Heppenheim gaben äußere Umstände: Im Zuge des sich verschärfenden Kalten Kriegs hatten die drei westlichen Besatzungsmächte beschlossen, ihre Zonen zu vereinigen. Im Sommer 1948 wählten die elf Länderparlamente insgesamt 65 Abgeordnete in den "Parlamentarischen Rat", der die Verfassung für einen westdeutschen Separatstaat ausarbeiten sollte. Die liberalen Parteien waren in diesem Gremium mit fünf Mitgliedern vertreten. Die Zeit drängte, um bei den bevorstehenden Wahlen als Gesamtpartei antreten zu können.

Am 8. Mai 1949 billigte der Parlamentarische Rat die neue Verfassung mit 53 gegen 12 Stimmen (die Gegenstimmen kamen von CSU, Zentrum, Deutsche Partei und KPD). Die fünf FDP-Mitglieder stimmen der Verfassung ebenfalls zu, nachdem sie als einzige versucht hatten, den Artikel 15 zu verhindern, der die Überführung von Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum erlaubt. Am 23. Mai wurde die neue Verfassung als "Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland" verkündet.

Drei FDP-Minister im ersten Kabinett Adenauer - Heuss wird Bundespräsident

Am 14. August 1949 fanden die Wahlen zum ersten Bundestag statt. Die FDP errang dabei einen Stimmenanteil von 11,9 Prozent und erhielt 52 von 402 Sitzen im Bundestag. Am 12. September wurde der FDP-Vorsitzende Theodor Heuss auf Vorschlag des CDU-Vorsitzenden Konrad Adenauer zum ersten Bundespräsidenten gewählt. Anschließend wurde Adenauer auf Vorschlag des neuen Bundespräsidenten mit äußerst knapper Mehrheit zum ersten Bundeskanzler gewählt. Die FDP beteiligte sich mit CDU/CSU und DP an Adenauers Koalitionskabinett und stellte mit Franz Blücher (Vizekanzler), Thomas Dehler (Justiz) und Eberhard Wildermuth (Wohnungsbau) drei Minister.

Auch in der ersten DDR-Regierung sitzen drei Liberale als Minister

Die Sowjets zogen nun nach, indem sie aus ihrer Besatzungszone einen zweiten deutschen Separatstaat machten: Im Oktober 1949 wurde die Deutsche Demokratische Republik (DDR) gegründet. In der ersten DDR-Regierung unter Otto Grotewohl (SED) waren mit Hermann Kastner, Karl-Otto Hamann und Fritz Loch ebenfalls drei Liberaldemokraten vertreten. Im Unterschied zu Westdeutschland wurde in Ostdeutschland der Spielraum der Parteien und des Parlaments aber nicht allmählich weiter, sondern enger. Den DDR-Parteien LDP, CDU und NDPD war nur noch die Rolle willfähriger Gehilfen der SED zugedacht, die ihrerseits den Willen der Sowjets erfüllte. Der frühere stellvertretende DDR-Ministerpräsident Hermann Kastner, der 1956 in den Westen wechselte, soll sogar von Anfang an ein Agent der Sowjets gewesen sein. Der Außenhandelsminister Karl Hamann wurde vom SED-Regime zum Sündenbock für Versorgungsmängel gemacht, saß ab 1952 im Zuchthaus und kam erst 1956 auf Fürsprache Thomas Dehlers frei. Das Schicksal dieser beiden LPD-Vorsitzenden zeigt, daß von einer eigenständigen Rolle der Liberaldemokraten innerhalb des Machtgefüges der neuentstandenen DDR keine Rede sein konnte. Die Geschichte der LDP wird deshalb hier nicht weiter verfolgt.

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