Die Verbindung von menschlichem Geist und Dampfkraft
in einer Zeichnung des 19. Jahrhunderts: Sie knüpft an
die Legende vom "Golem" an, einer menschenähnlichen
Gestalt aus Lehm, die durch Magie zu künstlichem Leben
erwacht. Hier ist es der Dampf, der den eisernen Golem
belebt und auf Schienen vorantreibt. Auf dem Rücken des
Golem, hinter dessenen eisernen Flügeln, macht es sich
der Handelsgott Hermes bequem: Er kommt auf diese Weise
schneller voran, als wenn er sich seines göttlichen
Flügelhuts bedienen würde...
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Die eigentliche Energie des Menschen: Köpfchen ersetzt
Muskelkraft
Die Dampfmaschine verdrängte nicht nur Wind- und Wasserkraft,
sondern entzog auch der Sklaverei die wirtschaftliche Grundlage
Von Natur aus stehen dem Menschen nur bescheidene Kräfte zur
Verfügung: Durch die Bewegung von Armen und Beinen vermag er
eine Dauerleistung von vielleicht hundert Watt zu erbringen. Nur
kurzfristig, für einige Sekunden, stehen im notfalls auch ein
Kilowatt oder etwas mehr zur Verfügung.
In Urzeiten mag das gerade ausgereicht haben, um sich am Leben
zu erhalten. Würde man heute die physikalische Arbeitsleistung
der Menschen nach dem durchschnittlichen Strompreis für
Haushaltskunden honorieren, so gingen die Arbeitnehmer mit einem
Monatsgehalt von etwa fünf Mark nach Hause.
Die eigentliche Energie des Menschen steckt eben nicht in
seinen Muskeln, sondern im Kopf. Als frühe Beispiele können die
Erfindung des Messers, des Keils, des Hammers oder von Pfeil und
Bogen gelten: Mit solchen Handwerkszeugen vermochte der Mensch
seine bescheidenen Körperkräfte zwar nicht zu vergrößern, aber
doch weitaus effizienter einzusetzen.
Entscheidend für die weitere Entwicklung der Kultur war die
fortgesetzte Erschließung neuer, zusätzlicher Energiequellen. So
ermöglichte es die Beherrschung des Feuers, die chemische
Energie, die in Holz und anderer Biomasse gespeichert war, in
Wärme und damit in nutzbare Energie zu verwandeln. Der Mensch
konnte sich am Feuer wärmen, die mühsame Arbeit des Rodens durch
Brände erledigen lassen, Bronze- und Eisengeräte herstellen oder
- wie Obelix - seinen Wildschweinbraten rösten.
Was dem Menschen lange Zeit jedoch nicht gelang, war die
Umwandlung von Wärme in Bewegungsenergie. Er behalf sich auf
andere Weise, um seine schwachen Körperkräfte zu vergrößern: Er
zähmte Tiere und ließ sie den Pflug ziehen; er nutzte die
Strömung des Wassers, indem er Wasserräder erfand; auch die
Kraft des Windes spielte über Jahrtausende eine bedeutende
Rolle, indem sie Mühlen antrieb oder Segelschiffe über das
Wasser bewegte.
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Wind oder Sklavenarbeit bewegte diese römischen
Schiffe übers Meer: Links ein Handelsschiff, rechts
ein Kriegsschiff.
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Einer der wichtigsten Faktoren der frühgeschichtlichen
Energiewirtschaft war die Sklaverei: Der Mensch selbst diente
als Energielieferant. Beispielsweise um die Pyramiden und die
Bauwerke der Antike errichten zu können. Die römischen und
mittelalterlichen Galeeren wurden von Sklaven bewegt, die als
menschliche Arbeitsmaschinen an ihre Bänke gekettet waren und
von Aufsehern mit der Peitsche zu Höchstleistungen angetrieben
wurden. In früheren Zeiten war es allgemein üblich, die
Besiegten zu versklaven. Heute erscheint uns diese Praxis
barbarisch. Immerhin bildete sie einen relativen Fortschritt
gegenüber noch älteren Bräuchen, als man den Besiegten erschlug
und anschließend verspeiste...
Die Sklaverei reichte bis in die Neuzeit. Sie ging erst zu
Ende, nachdem die Dampfmaschine erfunden worden war. Noch im
amerikanischen Bürgerkrieg war die Sklaverei ein Hauptpunkt der
Auseinandersetzung: Die Nordstaatler wollten die Sklaverei
abschaffen, während die Südstaatler daran festhielten. Den
Hintergrund der Auseinandersetzung bildete nicht unbedingt, daß
die Nordstaatler die größeren Menschenfreunde waren. Es war wohl
eher so, daß der Norden schon stärker industrialisiert war und
deshalb freie Lohnarbeiter statt Sklaven benötigte. Dagegen
wollten die Pflanzer der Südstaaten keinesfalls auf ihre
zweibeinigen "Baumwollpflückmaschinen" verzichten, die damals
noch unersetzlich schienen.
Da die Dampfmaschine die Umwandlung von Wärme in mechanische
Bewegung ermöglichte, machte sie Tiere und Menschen als
Lieferanten von Bewegungsenergie entbehrlich. So konnte eine
Dampfmaschine den Antrieb einer Pumpe zur Wasserhaltung einer
Grube weitaus wirkungsvoller und zuverlässiger besorgen als die
Ochsen an einem Göpel oder die Menschen in einer Tretmühle. Ein
Dampfschiff konnte weit schneller fahren als eine von Sklaven
geruderte Galeere. Auch Segelschiffe, Windmühlen und
Wassermühlen wurden von der Dampfmaschine verdrängt.
Hochdruckdampfmaschine mit schwingendem Zylinder aus
dem Jahr 1840.
(Zum Vergrößern anklicken)
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Mit der Dampfmaschine begann zugleich die Nutzung der Kohle als
Brennstoff. Der Mensch griff damit erstmals auf jenes riesige
Energiereservoir fossiler Biomasse zurück, das sich im Laufe von
Jahrmillionen angesammelt hatte. Bis dahin spielte die Kohle so
gut wie keine Rolle. Selbst da, wo man die brennbaren schwarzen
Brocken nur vom Boden aufzuheben brauchte, galten sie als
Arme-Leute-Brennstoff. Wer es sich leisten konnte, heizte nicht
mit stinkender Kohle, sondern mit würzig duftendem Holz - was zu
chronischem Holzmangel und der Entwaldung ganzer Landstriche
führte.
Der Arme-Leute-Brennstoff wurde zum Schatz des industriellen
Zeitalters, denn alle Wälder der Erde hätten nicht ausgereicht,
um den nun einsetzenden Energiebedarf zu befriedigen. Eine
ähnliche Aufwertung als "schwarzes Gold" erlebte später das
Erdöl, nachdem der Verbrennungsmotor erfunden worden war.
Die Dampfmaschine war eine sinnvolle Vorrichtung zur Nutzung
von Naturkräften, die seit jeher vorhanden waren, aber nicht
erschlossen werden konnten. Sie vervielfachte die Energie, die
dem Menschen zur Verfügung stand, in einer bis dahin
unvorstellbaren Weise - und dies allein dank jener Energie, die
in den kleinen grauen Zellen des Gehirns steckte.
Und insofern war der metaphysische Energie-Begriff, wie ihn die
erwähnte "energeia" des Aristoteles begründete, eben doch nicht
ganz unwissenschaftlich...
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