Februar 1999

990203

ENERGIE-CHRONIK


Regierung vertagt zweite Konsens-Runde und Novellierung des Atomgesetzes

Die ursprünglich für den 9. März vorgesehene zweite Runde der Konsensgespräche zwischen Bundesregierung und Kernkraftwerksbetreibern findet erst zu einem späteren Zeitpunkt statt. Zunächst will die Bundesregierung in Sondierungsgesprächen mit den Konzernen RWE, Veba, Viag und EnBW sowie mit Gewerkschaften und Umweltverbänden die Möglichkeiten für eine vorzeitige Stillegung von Kernkraftwerken erkunden. Zugleich wird sie die Verabschiedung der geplanten Novelle zum Atomgesetz, die zuletzt am 3. März auf der Tagesordnung des Kabinetts stand, ein drittes Mal verschieben. Darauf verständigten sich am 22.2. Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine mit Außenminister Joschka Fischer und Umweltminister Trittin. Wie es aus Koalitionskreisen hieß, soll die neue Marschroute von Trittin vorgeschlagen worden sein. Offenbar änderte die Koalition ihren Kurs in der Ausstiegs-Frage nicht zuletzt unter dem Eindruck des Ergebnisses der Landtagswahlen in Hessen und wegen des damit verbundenen Verlusts der Mehrheit im Bundesrat. Trittin hatte noch kurz zuvor eine überarbeitete Fassung seiner geplanten Atomgesetznovelle an die beteiligten Ressorts verschickt, in der, wie von Bundeskanzler Schröder im Januar angekündigt (990101), das ursprünglich vorgesehene Verbot der Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennstäben nicht mehr enthalten war (FR, 24.2.; FAZ, 24.2.).

"Humbug begann schon mit dem Koalitionsvertrag"

Nach Meinung der Süddeutschen Zeitung (25.2.) bestand für Trittin die Gefahr, mit seiner Atomgesetznovelle erneut im Kabinett zu scheitern, worauf ihm aus Gründen der Selbstachtung nur noch der Rücktritt möglich gewesen wäre. "Wie ein Musterschüler wollte sich Jürgen Trittin an die Buchstaben des Koalitionsvertrages halten und stand zuletzt wie ein böser Bube allein in der Ecke. ... Schon die Festlegung im Koalitionsvertrag, innerhalb von 100 Tagen ein Gesetz zur Beendigung der Kernenergie vorzulegen und danach erst mit der Industrie über einen Ausstieg "im Konsens" zu verhandeln, war ein Humbug. Die Grünen nährten damit die falsche Hoffnung, es könnte doch eine Art Sofortausstieg aus der Atomkraft geben. Aber auch die SPD hat den Vertrag unterschrieben. Deshalb war es nicht besonders fein, im Kanzleramt Trittin zum alleinigen Prügelknaben für eine falsche Politik zu machen. ... Nun stehen die Stromunternehmen in der Verantwortung. Blocken sie bei den Gesprächen jeden Fortschritt auf dem Weg in eine neue Energiepolitik ab, werden sie demnächst die Rolle der bösen Buben einnehmen."