Januar 1998

980118

ENERGIE-CHRONIK


"Möglicher Hinweis auf schwachen Zusammenhang zwischen Magnetfeldern und Leukämie"

Der Medizinstatistiker Prof. Jörg Michaelis stellte am 27.1. vor der Wissenschaftspressekonferenz in Bonn das Ergebnis von epidemiologischen Studien vor, die er in Niedersachsen (1992 bis 1996) und Berlin (1994 bis 1997) zur Frage eines möglichen Zusammenhangs zwischen magnetischen Feldern der Stromversorgung und Krebserkrankungen im Kindesalter durchgeführt hat. Wie schon bei der Niedersachsen-Studie (siehe 960216) habe sich auch bei den anschließenden Untersuchungen in Berlin ein statistischer Trend ergeben, der "als möglicher Hinweis auf einen schwachen Zusammenhang zwischen magnetischen Feldern und dem Auftreten von Leukämien im Kindesalter gedeutet werden könnte". Wegen der äußerst geringen Fallzahlen sei aber das Kriterium der statistischen Signifikanz weiterhin nicht erfüllt. Die Ergebnisse beider Studien zusammengenommen lägen noch immer "im Bereich des Zufalls" und könnten "nur eine geringe Aussagekraft" beanspruchen.

Gelder für bundesweite Studie bewilligt

Michaelis führte beide Studien in Zusammenarbeit mit dem "Forschungsverbund Elektromagnetische Verträglichkeit biologischer Systeme" durch, der für die Messungen und sonstige technischen Dienstleistungen sorgte. Inzwischen bekam er vom Bundesumweltministerium und dem Bundesamt für Strahlenschutz die gewünschten Mittel für eine bundesweite Untersuchung. Diese soll sich wiederum auf die Daten des von Michaelis begründeten Deutschen Kinderkrebsregisters stützen, aber eine größere Zahl von Fall-Kontrollstudien umfassen. Die Messungen der Magnetfelder werden voraussichtlich in 847 Wohnungen von Leukämiepatienten und in 2100 Wohnungen von nicht an Krebs erkrankten Vergleichskindern durchgeführt und sollen neben den 50 Hertz-Feldern der Stromversorgung erstmals auch die Felder der Bahnstromversorgung (16 2/3 Hertz) berücksichtigen. Die Ergebnisse sollen bis zum Jahr 2000 vorliegen. Falls sie den von Michaelis vermuteten Trend in signifikanter Weise bestätigen und eine derartige schwache Assoziation tatsächlich existieren würde, wären zwei bis drei Prozent der Leukämien bei Kindern erhöhten magnetischen Feldstärken zuzuschreiben, was nach Michaelis "weniger als zehn Erkrankungen" entspräche. Die epidemiologische Untersuchung kann allerdings keine Ursachen klären, sondern nur Hinweise auf mögliche Ursachen liefern.

Nur selten mehr als 0,2 Mikrotesla in Wohnungen

Bei den Untersuchungen in 710 niedersächsischen und 230 Berliner Wohnungen wurde eine mittlere Feldstärke von 0,2 Mikrotesla als Trennlinie zwischen schwachen und etwas stärkeren Feldern in Wohnungen verwendet. Es zeigte sich, daß dieser Wert nur bei 17 Familien überschritten wurde. Die Hauptursache für stärkere Magnetfelder waren hausinterne Feldquellen wie Stromschleifen oder Hausversorgungsinstallationen. Nur bei drei Familien wurde das stärkere Magnetfeld durch eine Hochspannungsfreileitung verursacht. Erhöhte Feldstärken fanden sich besonders in Ostberliner Plattenbauten, deren Elektroinstallation nicht den VDE-Vorschriften entspricht.

Kommission bestimmt Forschungsschwerpunkte

Wie bei der Pressekonferenz in Bonn ebenfalls mitgeteilt wurde, konstituierte sich im Mai 1997 auf Anregung des Bundesamts für Strahlenschutz eine "Kommission zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet der nichtionisierenden Strahlung", die es ermöglichen soll, Spenden der Industrie zur Erforschung der biologischen Wirkungen elektromagnetischer Felder unabhängig von den Geberinteressen für notwendige Forschungsschwerpunkte zu verwenden. Den jetzigen Vorsitz hat der Leiter des Forschungsverbundes Elektromagnetische Verträglichkeit biologischer Systeme, Prof. Karl Brinkmann. Den Ausschuß für niederfrequente Felder leitet Prof. J. Bernhardt vom Bundesamt für Strahlenschutz. Zur Finanzierung der Forschungsvorhaben gründete die Kommission am 1.12.97 in Salzgitter einen "Förderkreis e.V.", der nach der Eintragung ins Vereinsregister jetzt seine Tätigkeit aufnimmt.