Mai 1997 |
970501 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Berliner Senat hat am 13.5. den Verkauf der kompletten Landesbeteiligung am Berliner Stromversorger Bewag gebilligt. Am 29.5. wurde das Geschäft auch vom Abgeordnetenhaus mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU und SPD gebilligt. PDS und Bündnisgrüne lehnten den Verkauf aus energie-, kartell- und finanzpolitischen Gründen ab.
Laut Kaufvertrag geht das Aktienpaket von 50,8 Prozent für 2,9 Milliarden Mark an das Konsortium aus Southern Energy (20,8 %), PreussenElektra (15 %) und VIAG (15 %). Die beiden deutschen Konzerne stocken damit ihre bisherigen Bewag-Beteiligungen von 10 Prozent des Kapitals und 14 Prozent der Stimmrechte auf 25 bzw. 29 Prozent auf. Der Kaufvertrag sieht vor, daß alle drei Unternehmen "kurzfristig gleiche Beteiligungsverhältnisse anstreben", was vermutlich bedeutet, daß Southern seine Beteiligung über den freien Markt noch aufstocken wird. Während PreussenElektra und VIAG die erworbenen Beteiligungen mindestens zwanzig Jahre lang behalten müssen, könnte sich Southern von seiner Beteiligung bereits nach zwei Jahren trennen, wäre dann aber verpflichtet, sie den deutschen Partnern anzudienen (Handelsblatt, 16.5.; Berliner Zeitung, 16.5.; ADN, 29.5.).
Mit einiger Spannung wird nun erwartet, wie die Kartellbehörden reagieren werden. Das Bundeskartellamt hat bereits seine Vorbehalte gegenüber einer weiteren Erhöhung der PreussenElektra-Beteiligung an der Bewag erkennen lassen, weil das Unternehmen bereits maßgeblich an den angrenzenden Regionalversorgern MEVAG (Potsdam) und OSE (Frankfurt/Oder) beteiligt ist. Der zuständige Abteilungsleiter Kurt Markert sieht darüber hinaus die Gefahr, daß die "Southern Energy Holding Beteiligungsgesellschaft mbH" nur als eine Art Strohmann fungiere, um die faktische Übernahme der Bewag durch PreussenElektra und VIAG zu verschleiern. Zunächst wäre aber die EU-Kommission in Brüssel für die Beurteilung des Falles zuständig. Seine Überweisung in die Zuständigkeit des Bundeskartellamtes würde voraussetzen, daß ein entsprechender Antrag des Kartellamtes bei der Brüsseler Behörde von Bundeswirtschaftsminister Rexrodt unterstützt wird (Berliner Zeitung,17.5.; Handelsblatt, 16.5.; FAZ, 22.5.).
Mit dem Verkauf des Stromversorgers will der Senat die dringendsten Finanznöte der Hauptstadt lindern. Zunächst hatte der frühere Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) die Landesbeteiligung an der Bewag nur auf eine Sperrminorität verringern wollen (siehe 950910 u. 951106). Nach der Erneuerung der Großen Koalition übernahm die neue Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) diesen Auftrag (siehe 951203u. 960205) und machte den weitergehenden Vorschlag, die Landesbeteiligung komplett zu verkaufen, worauf sich insgesamt 27 in- und ausländische Interessenten meldeten (siehe 961010 u. 961208). In die Endrunde gelangten jedoch nur Veba (PreussenElektra), VIAG (Bayernwerk), die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) und der amerikanische Stromversorger Southern Company (siehe 970107, 970308 u. 970413).
Das Handelsblatt (14.5.) beurteilte die jetzt gefundende Lösung überwiegend positiv: "Mit dem Einstieg des amerikanischen Stromriesen Southern Company gerät das lahme Liberalisierungs-Karussell in Schwung, kommt bisher unbekanntes Know-how auf den trägen deutschen Energiemarkt. Die in den letzten Jahren bereits kräftig modernisierte Bewag macht einen großen Sprung Richtung Wettbewerbsfähigkeit." Allerdings sei der kartellrechtliche Aspekt ein schwer kalkulierbares Risiko, das man bei den Verkaufsgesprächen offenkundig unterschätzt habe.
Nach Meinung der tageszeitung (10.5.) hat sich der Senat bei den Verkaufsverhandlungen ungeschickt verhalten: "Wer pleite ist, kann schlecht pokern. Beim Versuch, den Tiger zu reiten und zwischen den milliardenschweren Stromgiganten den Preis hochzutreiben, ist die Hauptstadt abgerutscht und kläglich im Rachen der Bestie gelandet."
Die Berliner Zeitung (22.5.) hielt dem
Senat vor, daß aus der eigentlich sinnvollen Verwertung
des Landesvermögens ein "panischer Notverkauf"
geworden sei. Die Bewag werde mit den jetzt getroffenen Vereinbarungen
"zur Ausplünderung frei". Die Gewinnrücklagen
der Bewag in Höhe von 2,7 Milliarden Mark seien nicht vor
einer schnellen Ausschüttung an die Käufer geschützt.
Dagegen blieben die Beschäftigungs- und Investitionszusagen
der Erwerber völlig unverbindlich. Auch habe sich herausgestellt,
daß sich das "mit großem Pomp angekündigte
Engagement von Southern Company in Wirklichkeit vorerst auf eine
Hamburger Briefkasten-GmbH beschränkt, die den Kauf ihres
Anteils auf Kreditbasis finanzieren und dafür als Sicherheit
ausgerechnet die Bewag-Papiere hinterlegen will". Insgesamt
liege die Vermutung nahe, daß die Einbeziehung von Southern
Company nur dazu dienen solle, "den faktischen Mehrheitserwerb
durch die beiden deutschen Stromriesen zu verschleiern".