Juli 1996

960710

ENERGIE-CHRONIK


Weder Deutschland noch Frankreich haben das Geld für Kernfusions-Reaktor

Aus finanziellen Gründen sind weder Deutschland noch Frankreich bereit, sich als Standort für den Internationalen Thermonuklearen Experimentellen Reaktor (ITER) zu bewerben. Dies teilten am 17.7. die Regierungen in Bonn und Paris mit. Im ITER-Projekt haben sich die EU-Staaten, Japan, Rußland und die USA zur langfristigen Entwicklung eines stromliefernden Fusionsreaktors zusammengeschlossen. Der Projektpartner, der ITER baut, müßte bis zu 70 Prozent der Kosten tragen, die sich nach der derzeitigen Planung auf rund 15 Milliarden Mark in einem Zeitraum von zehn Jahren belaufen. Derzeit stellt der Bund jährlich gut 200 Millionen DM für die Fusionsforschung zur Verfügung. Als möglicher deutscher Standort war Greifswald im Gespräch, wo weiterhin das Fusionsexperiment "Wendelstein 7x" verfolgt werden wird. Als einziger ernsthafter Kandidat für den Bau des ITER bleibt jetzt noch Japan übrig (Handelsblatt, 18.7.; FAZ, 18.7.; siehe auch 951116).

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bedauerte die Entscheidung des Bonner Forschungsministeriums. "Es ist erstaunlich, daß ausgerechnet der sogenannte Zukunftsminister ohne große Not eine solche Entscheidung trifft und mit der Absage des ITER-Projekts eine wichtige Zukunftstechnologie aus der Hand gibt", meinte Berthold Gellner, der beim BDI für Energiepolitik zuständig ist (Handelsblatt, 24.7.).

Die Frankfurter Rundschau (20.7.) kommentierte: "Nicht nur die Kassenlage dürfte für den Bonner Rückzug verantwortlich gewesen sein, sondern auch die wachsenden Zweifel darüber, ob die Kernfusion wirklich 'die' Option für die Energieversorgung des nächsten Jahrhunderts ist und solche exorbitanten Summen rechtfertigt. Mindestens 50 Jahre werden vergehen und noch mehr Milliarden verbraucht, bis die Fusion - vielleicht - kommerziell einsatzbar ist. Bis dahin aber müssen die globalen Energieprobleme schon weitgehend gelöst sein. Und da bietet sich die Nutzung eines anderen Fusionsreaktors an: die der Original-Sonne."