Juni 1995

950607

ENERGIE-CHRONIK


Stromwirtschaft beendet Finanzierung des Hanauer Brennelementewerks

Die deutschen Kraftwerksbetreiber beenden ihr finanzielles Engagement beim Bau der neuen Anlage zur Herstellung von Mischoxid-Brennelementen in Hanau. Wie der Bayernwerk-Vorstandsvorsitzende Otto Majewski am 29.6. auf Nachfrage von Journalisten im Münchener Presseclub erklärte, sehen die Stromversorger "keine Ansätze" dafür, ihre bis 30.6. geltende Finanzierungszusage zu verlängern. Majewski sah kaum noch eine Chance für eine industrielle Nutzung der Anlage (FR, 30.6.: SZ, 30.6.; taz, 30.6.).

Unterdessen wird weiter darüber diskutiert, ob die neue Hanauer Mischoxid-Anlage nach ihrer Fertigstellung ersatzweise dazu dienen könnte, russisches Waffenplutonium in Brennstäbe für Kernkraftwerke einzuarbeiten und auf diese Weise unschädlich zu machen. Die Union unterstützt inzwischen einen entsprechenden Vorschlag der FDP. Nach einem Gespräch von Koalitionsvertretern mit Bundeskanzler Kohl wurden die zuständigen Bundesminister beauftragt, diesen Weg zur Beseitigung russischen Plutoniums auf internationaler Ebene zu sondieren (FAZ, 30.6.; siehe auch 950509).

Für die Frankfurter Rundschau (30.6.) ist damit klar: "Für seinen eigentlichen Zweck wird der milliardenteure Neubau im Hanauer Siemenswerk nie arbeiten. Die Stromversorger haben die Plutoniumverarbeitung im Inland endgültig abgeschrieben. .... Und ob ehemalige sowjetische Atomsprengköpfe wirklich eines Tages zum Rettungsanker für ein eigentlich gescheitertes Investitionsprojekt der deutschen Atomindustrie werden können, wird sich so schnell auch nicht entscheiden."

Dagegen gibt die Frankfurter Allgemeine (29.6.) zu bedenken: "In dem Hanauer Werk verfügt die Bundesrepublik über eine Technologie, die für die Abarbeitung des durch Abrüstung anfallenden russischen Kernwaffenmaterials in einem relativ kurzen Zeitraum geeignet ist. Sie stellt damit einen beträchtlichen außen- und sicherheitspolitischen Wert dar. Das wird die Bundesregierung den Versuchen der hessischen Landesregierung entgegensetzen müssen, die es darauf anlegt, die Betreiber des Hanauer Werks in einem Zermürbungskrieg zum Abzug zu bewegen."