Januar 1995

950107

ENERGIE-CHRONIK


Badenwerk muß von Tarifanpassung zu Lasten der Haushalte Abstand nehmen

Das Badenwerk hat am 30.1. eine Erhöhung der Haushaltstarife wieder zurückgenommen, die eine Woche zuvor zum 1. Juli angekündigt worden war und durchschnittlich zehn Prozent betragen sollte. Die höhere Belastung der Privatverbraucher sollte es ermöglichen, den Strom für die gewerblichen Abnehmer entsprechend zu verbilligen. Ähnliche Pläne ließ auch die Energie-Versorgung Schwaben (EVS) verlauten, wobei hier die durchschnittliche Tariferhöhung für die Privatkunden mit fünf Prozent beziffert wurde.

Die angekündigten Tariferhöhungen waren bei CDU, SPD und Grünen auf scharfe Kritik gestoßen. Wirtschaftsminister Dieter Spöri (SPD) kündigte an, die rechtlichen Spielräume bei der Prüfung der beantragten Tarifänderung des Badenwerks "voll auszuloten". CDU-Fraktionschef Günther Oettinger kritisierte die Tariferhöhungspläne als "völlig überzogen, in einem Teuerungsjahr wie 1995 nicht vermittelbar und angesichts der Finanzkraft der Energiewirtschaft auch nicht notwendig".

"Wir haben uns geirrt, als wir angenommen haben, die Politik würde eine Tarifanpassung zugunsten der Wirtschaft aber zu Lasten der privaten Haushalte unterstützen", begründete Badenwerk-Vorstandssprecher Gerhard Goll die Rücknahme der Tarifanpassung. Das Badenwerk werde unabhängig davon weiterhin versuchen, sobald wie möglich Strompreisentlastungen für die Wirtschaft in seinem Versorgungsgebiet zu erreichen (Stuttgarter Zeitung, 27.1., 28.1. u. 31.1.).

Für die Stuttgarter Zeitung (31.1.) machte Wirtschaftsminister Spöri bei diesem Vorgang keine gute Figur: "Der Minister hat die Verbraucher zwar vor zusätzlichen Kosten bewahrt. Doch zugleich tritt offen zutage, daß Spöris Referenten bei der Kunst der hohen Politik arge Schwächen zeigen. Die ministerielle Verwaltungsmannschaft hatte nämlich der Strompreiserhöhung aller großen Versorger im Südwesten längst ihren Segen erteilt und dabei zuvor reichlich Gelegenheit zum Widerspruch verstreichen lassen. Die Strompreis-Posse gibt Minister Spöri somit auch Anlaß, verstärkt nach innen zu wirken. Daß der Minister aber erst durch die Berichte in der Öffentlichkeit erfahren hat, daß in seinem Haus etwas gründlich schiefläuft, ist sicher kein Ruhmesblatt."