Juli 1992 |
920703 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Hängepartie im ostdeutschen Braunkohlebergbau dauert an. Bis Ende September allerdings sollen der Bundesregierung, so Treuhand-Vorstandsmitglied Klaus Schlucht, konkrete Übernahmeangebote für die ostdeutschen Braunkohlereviere vorgelegt werden. An einer Übernahme der Lausitzer Braunkohlen AG (Laubag) und der Energiewerke Schwarze Pumpe (Espag) sind ein Konsortium um die Rheinbraun AG und die drei großen Stromerzeuger RWE, Bayernwerk und PreussenElektra interessiert.
Für die Mibrag, Bitterfeld, liegt ein Angebot des amerikanisch-britischen Konsortiums um die NRG Energy Inc. vor. Die NRG plant den Bau zweier Braunkohlekraftwerke, verlangt aber offensichtlich auch Absatzgarantien für den dort erzeugten Strom. Auch die Rheinbraun bekundet nunmehr plötzlich Interesse an einer Mibrag-Übernahme. Die Welt (11.7.) folgert, das plötzliche Rheinbraun-Interesse an der Mibrag hinge mit der Befürchtung der deutschen Energieversorger zusammen, sie könnten zur Einspeisung von Strom, den sie nicht selbst erzeugt haben, in ihr Netz gezwungen werden, wenn NRG zum Zuge käme (SZ, 10.7.; Welt, 11.7.; FR, 10.7.; Handelsblatt, 14.7.)
Die Treuhand geht bei den Einnahmen aus der Privatisierung von einem Betrag von über 7 Mrd. DM aus. Dr. Dietrich Böcker, Vorstandsmitglied der Rheinbraun AG, sieht dies als unrealistisch an. Im Handelsblatt (17.7.) schätzt er den Ertragswert auf deutlich weniger als 1 Mrd. DM. "Der Kaufpreis müsse schließlich durch die künftige Kohleförderung auch verdient werden; bei einer Umlage von hierfür dann notwendigen 7 bis 10 DM pro Tonne sei keine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Konkurrenzenergien mehr gegeben, stellt das Rheinbraun-Vorstandsmitglied ausdrücklich fest. Sollten sogar noch Altlasten zu verdauen sein, dann lohne sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht das Investment im Osten überhaupt nicht mehr".
Rund 400 zum Teil noch nicht lokalisierte Deponien, die nicht sicher abgedichtet sind und das Grundwasser gefährden, ein nachhaltig gestörter Grundwasserhaushalt sowie bisher völlig fehlende Rekultivierungsmaßnahmen - also massive Altlasten - sind in den ostdeutschen Braunkohlerevieren in den nächsten Jahren und Jahrzehnten. Man spricht dabei von einem Zeitraum von 30 Jahren, zu beseitigen. Geschätzte Kosten: insgesamt rd. 30 Mrd. DM, also rund 1 Mrd. DM jährlich.
Bundeswirtschaftsminister Möllemann plant zunächst ein 5-Mrd.-Sanierungsprogramm, das je zur Hälfte vom Bund bzw. den Ländern finanziert werden sollte. Bundesumweltminister Töpfer hat Hilfe zugesichert. Die Treuhand bekundet die Absicht, die "erwarteten 7 Mrd. DM an Privatisierungserlösen" über einen Zeitraum von 20 Jahren in einen zu gründenden Zweckverband zur Beseitigung der Altlasten einzubringen (FR, 2.7.; SZ, 2.7.; Welt, 2.7.; Handelsblatt 14.7.).
Die Gemeinde Horno, unter der riesige Braunkohlevorkommen liegen, soll, so der Wille der Laubag, von der Landkarte verschwinden. Die Ausdehnung des Reviers und die Erschließung des Bereichs Horno ist nach Ansicht des Laubag-Vorstandsvorsitzenden notwendig, um die Kohlelieferung für das Kraftwerk Jänschwalde bis 2015 sicherstellen zu können. Ansonsten drohe, so der Kraftwerksbetreiber VEAG und die Laubag übereinstimmend, eine vorzeitige Kraftwerksstillegung bereits 1996. Zusätzliche Arbeitsplätze seien dadurch in dieser Region bedroht. Massive und nachhaltige Proteste ansässiger Bürger stehen diesen Plänen derzeit entgegen (dpa, 22.7.; SZ, 20.7.; FR, 22.7.; siehe auch PresseBLICK Juni 92).
Auf massive Kritik stieß der Vorschlag
Bundeswirtschaftsminister Möllemanns, Subventionen im westdeutschen
Steinkohlebergbau zu kürzen und die freiwerdenden Mittel
in den ostdeutschen Braunkohlerevieren einzusetzen. "Die
Arbeitslosigkeit in den Westen zu verlagern, ist keine Lösung",
zitiert die Welt (22.7.) Günter Dach, den Sprecher des Gesamtverbandes
des deutschen Steinkohlebergbaus.