November 1991

911101

ENERGIE-CHRONIK


Kohle-Kompromiß läßt Finanzierung von Verstromungsmengen offen

Die subventionierte Förderung deutscher Steinkohle wird bis zum Jahr 2000 von derzeit 70 auf 50 Mio. t jährlich verringert. Auf diesen Kompromiß einigten sich Bundesregierung, Nordrhein-Westfalen und Saarland, Steinkohlebergbau, Gewerkschaft und Elektrizitätswirtschaft bei der dritten Kohlerunde am 11.11. in Bonn. Der Hüttenvertrag über den Einsatz subventionierter Kokskohle in der Stahlindustrie soll über das Jahr 2000 hinaus bis 2005 verlängert werden. Für die Kraftwerkskohle wurde vereinbart, daß der "Jahrhundertvertrag" bis 1995 eingehalten wird und die Elektrizitätswerke bis dahin weiter jährlich 40,9 Mio. t SKE abnehmen. Allerdings sollen im Jahr 1995 davon 1,9 Mio. t von Halde geliefert und die Förderung entsprechend reduziert werden. Für den folgenden Zeitraum bis zum Jahr 2005 besteht die gemeinsame Absicht, eine jährliche Verstromungsmenge von 35 Mio. t SKE zu sichern, die durch entsprechende Förderrücknahme bereits im Jahr 1997 erreicht werden soll. Allerdings blieb offen, wie die Subventionierung der vorgesehenen Verstromungsmenge nach Auslaufen des "Jahrhundertvertrags" gesichert werden soll. Die Bundesregierung will bis dahin eine Finanzierungsregelung entwikkeln. Unklar ist ferner noch, ob die vorgesehenen Subventionierungsmengen die erforderliche Zustimmung der EG-Kommission finden werden.

VDEW und VIK, die bei der Kohlerunde die Elektrizitätswirtschaft vertraten, haben die Abnahme der 35 Mio. t SKE nach 1995 davon abhängig gemacht, daß der Bergbau in die Lage versetzt wird, sie "zu Weltmarktpreisen anzubieten". Ferner unterstrichen sie in einer Protokollnotiz zu diesem Punkt ihre Forderung, daß das Finanzierungssystem keine spezielle Belastung der Stromverbraucher enthalten soll. Die Kohleländer Nordrhein-Westfalen und Saarland erklärten ihrerseits in einer Protokollnotiz, "daß sie über die bisherige Finanzierungsbeteiligung hinaus keine zusätzlichen Finanzierungsbeträge aus neuen Regelungen übernehmen können" (FAZ, 12.11.; Handelsblatt 12.11; SZ, 13.11.; siehe auch 911003).

Als Konsequenz der bei der dritten Kohlerunde getroffenenVereinbarungen will die Ruhrkohle AG in ihrem Bereich die Förderkapazität um 12 Mio. t und die Zahl der Arbeitsplätze um 25.000 reduzieren. Vier Zechen sollen stillgelegt und acht weitere zu vier Verbundanlagen vereinigt werden (Handelsblatt 14.11.; Welt, 14.11.).

Für das Handelsblatt (13.11.) hat Bundeswirtschaftsminister Möllemann seine "Bringschuld für ein Kohlekonzept" damit noch nicht erfüllt: "Die Ergebnisse der Bonner Kohlerunde können keineswegs schon die Grundlage für langfristig kalkulierbare Rahmendaten sein. Weder hat die EG-Kommission dem Kompromißpaket zugestimmt, noch ist die Finanzierung der künftigen Verstromungsmengen westdeutscher Steinkohle nach dem Auslaufen des Jahrhundervertrages geregelt. Auf den Bundesfinanzminister kommen gewaltige Anforderungen zu. Ab 1996 muß er Jahr für Jahr ein zusätzliches Finanzvolumen zwischen 4 und 5 Mrd. DM bereitstellen. Diese Hilfen fallen neben der Kokskohlenbeihilfe von jährlich rund 2 Mrd. DM an. Möllemann hat allerdings schon eine neue Einnahmequelle für die im Bundeshaushalt steigenden Kohlesubventionen ausgemacht; er will dieses Volumen von wahrscheinlich deutlich über 5 Mrd. DM durch das Aufkommen der in Brüssel diskutierten Energie- und Kohlendioxidsteuer abdecken."

"Der Steinkohlebergbau wird einer der hung-rigsten Kostgänger der Nation bleiben", kommentierte die Frankfurter Allgemeine (18.11.). Die jetzt ausgehandelten Fördermengen seien "nicht mehr allein mit Vorleistungen für eine sichere Energieversorgung auch nach der Jahrhundertwende zu erklären". Vielmehr spreche der jüngste Kompromiß "vornehmlich für die politische Durchsetzungskraft der Kohle-Lobby und jene Emotionen, die die Kumpel unter Tage in der Öffentlichkeit noch immer zu wekken vermögen".

Die Zeit (15.11.) stellte fest: "Mit dem Ergebnis der Bonner Kohlerunde, die mit dem dritten Gespräch nun abgeschlossen ist, kann der Bergbau leben. Natürlich muß er wieder einmal Federn lassen, führt auch diese Kohlerunde zu weiteren Zechenstillegungen und zum Abbau der Beschäftigtenzahl um gut 30.000 bis zur Jahrtausendwende. Doch an den Fundamenten des Subventionssystems ist nicht gerüttelt worden."

"Die Kohle bleibt uns teuer" überschrieb die Börsenzeitung (13.11.) ihren Kommentar, in dem sie u.a. feststellte: "Der verbleibende Sokkel heimischer Steinkohle muß vom Steuerbürger auch künftig mit Milliardenbeträgen gestützt werden, und auch der Gleitflug beim Kapazitätsabbau und der sich verstärkende Druck zum Strukturwandel in den Revieren müssen öffentlich flankiert werden."