Juni 1991 |
910605 |
ENERGIE-CHRONIK |
Erst nach einer bundesaufsichtlichen Weisung von Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) konnten radioaktive Abfälle aus dem belgischen Kernforschungszentrum Mol ins Zwischenlager Gorleben eingelagert werden. Niedersachsens Umweltministerin Monika Griefahn hatte sich zunächst mit der Begründung geweigert, es sei unklar, ob die Abfälle wirklich aus deutschen kerntechnischen Anlagen stammten (FAZ, FR, taz, 14.6.91). Laut Töpfer handelt es sich um radioaktive Abfälle aus den Kraftwerken Krümmel und Neckarwestheim. Ferner erklärte der Minister, "es komme nicht darauf an, wo der Atommüll herkomme, sondern lediglich darauf, daß er entsprechend den Bestimmungen ordentlich eingelagert werde" (FAZ, 17.6.91). Laut der Betreibergesellschaft Gorleben enthielten die Fässer schwachradioaktive Glaswolle und Mischabfälle (FAZ, 15. u. 17.6.; FR, SZ, taz, 17.6.91).
Als bekannt wurde, daß die drei Transporter aus Mol in Richtung Deutschland aufgebrochen waren, errichteten zwischen 150 und 250 Kernkraftgegner eine Blockade an der Zufahrt zum Zwischenlager Gorleben (u.a. FAZ, 15.6.91). Vertreter des Umweltministeriums versuchten vergeblich, durch Verhandlungen die Kernkraftgegner zur Auflösung der Blockade zu bewegen (FAZ, Hamburger Abendblatt, 18.6.91). Um Töpfers Weisung nachkommen zu können, mußte die Landesregierung die Zufahrt zum Lager mit Hilfe der Polizei gewaltsam räumen lassen (SZ, FR, Frankfurter Neue Presse, taz, Bild, 19.6.91).
CDU und FDP forderten Niedersachsens Umweltministerin Monika Griefahn (parteilos) auf zurückzutreten, da sie den Widerstand mitinitiiert habe (FR, 20.6.91; Elbe-Jeetzel Zeitung, 21.6.91). Die FDP forderte ferner eine umfassende Aufklärung über die "verdeckte Zusammenarbeit zwischen der Bürgerinitiative und der staatlichen Ebene" (SZ, Welt, Hannoversche Allgemeine, Frankfurter Neue Presse, Bild, 20.6.91).
Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) warf Töpfer vor, er betreibe "Kumpanei mit der Atomlobby", was die Bundesregierung als "politische Diffamierung" bewertete (Elbe-Jeetzel Zeitung, 21.6.91). Der CDU-Landtagsabgeordnete Kurt Dieter Grill unterstellte der Regierung Schröder, die rot-grüne Koalition habe "offensichtlich die Weisung durch den Bundesumweltminister provoziert und die Randale in Gorleben und Lüchow billigend in Kauf genommen, wenn nicht sogar geplant". Ferner habe der Landtagsabgeordnete Hannes Kempmann (Die Grünen) in "konspirativer Zusammenarbeit mit Umweltministerin Griefahn den Widerstand gegen die Einlagerung der Mol-Fässer organisiert und damit gegen geltendes Recht verstoßen" (Elbe-Jeetzel Zeitung, 21.6.91).
Unterdessen hat auch Hessens Umweltminister Joschka Fischer erklärt, sein Land werde keine radioaktiven Abfälle aus Mol aufnehmen, solange nicht hundertprozentig nachgewiesen werden könne, daß sie mit den nach Mol gebrachten identisch seien (dpa, 25.6.91).